Wir erleben eine weltweite Konjunktur des Gedächtnisses. Seit zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren macht sich allenthalben, in allen Ländern, allen gesellschaftlichen und ethnischen Gruppen eine tiefgreifende Veränderung der traditionellen Beziehung zur Vergangenheit bemerkbar.
Diese Veränderung hat vielerlei Formen angenommen: Kritik der offiziellen Geschichtsdarstellung und Wiedererwachen der verdrängten Anteile des historischen Geschehens; Einforderung der Spuren einer zerstörten oder beschlagnahmten Vergangenheit; Pflege der Wurzeln (roots) und Entwicklung der Ahnenforschung; Aufblühen aller möglichen Arten des Gedenkens; juristische Aufarbeitung der Vergangenheit; Eröffnung der verschiedensten Museen; erhöhte Sensibilität f
Gedächtniskonjunktur
Pflicht zur Erinnerung Wie Nietzsche vor der "Historie" müsste man heute vor dem "Gedächtnis" warnen
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;t für die Vorenthaltung von Archivbeständen und deren Freigabe zur Einsicht; neue Bindungen an das, was die Angelsachsen "heritage", die Franzosen "patrimoine" und die Deutschen "Erbe" nennen. Wie auch immer diese Elemente kombiniert sein mögen, es ist, als wäre eine Flutwelle der Erinnerung über die Welt hereingebrochen und hätte überall eine enge Verbindung zwischen der - realen oder imaginären - Treue zur Vergangenheit und dem Zugehörigkeitsgefühl, dem Kollektivbewusstsein und dem individuellen Selbstgefühl, dem Gedächtnis und der Identität geschaffen. Frankreich war wohl das erste Land, das in diese Ära des leidenschaftlichen, konfliktbeladenen, fast zwanghaften Gedenkens eingetreten ist. Dann, nach dem Fall der Mauer und dem Verschwinden der Sowjetunion, meldete sich das "wiedergefundene Gedächtnis" Osteuropas zurück. Und schließlich, mit dem Sturz der lateinamerikanischen Diktaturen, mit dem Ende der Apartheid in Südafrika und der Truth and Reconciliation Commission, wurden die Zeichen einer wirklichen Globalisierung des Gedächtnisses gesetzt, und es tauchten sehr vielgestaltige, aber vergleichbare Formen der Vergangenheitsbewältigung auf. Das Besondere an der französischen Situation, das ich zunächst herausarbeiten möchte, resultiert aus dem rein konjunkturellen Zusammentreffen von drei wesentlichen Phänomenen in der Mitte der siebziger Jahre - Phänomenen, die allem Anschein nach unabhängig voneinander waren, aber deren Wirkungen sich dahingehend verbanden, dass in Frankreich das historische Bewusstsein in ein Bewusstsein des Gedächtnisses umschlug. Man könnte den zeitlichen Rahmen sogar noch enger fassen und 1975 als das Wendejahr definieren, in dem die Folgen der Wirtschaftskrise, die Niederschläge der Ära nach de Gaulle und die Erschöpfung der revolutionären Idee am sichtbarsten aufeinandertrafen. Die Soziologen und Historiker hatten das Ende der Bauern schon seit fünfzehn Jahren beschrieben, aber plötzlich wurde es fast körperlich spürbar und schmerzhaft wie eine Amputation: Es war das Ende des "Gedächtniskollektivs" par excellence. 1975 ist genau das Jahr, in dem die Quote der Erwerbstätigen aus dem landwirtschaftlichen Sektor unter die schicksalhafte Zehn-Prozent-Schwelle sank, während sie kurz nach dem Krieg noch beinahe die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung umfasst hatte. Das Ende der Ländlichkeit, bald gefolgt vom Ende der auf lateinisch gehaltenen Messen, bedeutet den eigentlichen Bruch: das Abreißen der Nabelschnur, die Frankreich noch mit dem verband, was der Historiker Jacques Le Goff "sein langes, sehr langes Mittelalter" nennt, und das die Basis für den breiten, nicht nachlassenden Publikumserfolg abgeben sollte, den das Mittelalter und die mittelalterlichen Bauwerke seither genießen. Die Tatsache, dass der Amtsantritt Giscard d´Estaings in allen Bereichen einen klaren Bruch mit der gaullistischen Tradition markierte, hat die Wirkungen des Post-Gaullismus - das zweite Phänomen von großer Tragweite - sicherlich verstärkt. Diese Wirkungen, vielfältig in ihrer Art und ebenso mächtig wie schleichend, sind noch lange nicht so gut erforscht, wie sie es verdient hätten. Was die Neuinterpretation der nationalen Vergangenheit betrifft, so haben sie sich - um sie schematisch zu unterscheiden - in drei Wellenlängen ausgedrückt. Kurzfristig brachte der Tod des "Befreiers" im November 1970 das sofortige Ende der offiziellen und alleingültigen "Widerstandsversion" des Kriegsgeschehens, die de Gaulle seit der Befreiung von Paris hatte verkünden lassen und derzufolge alle Franzosen, ausgenommen eine Handvoll von Verrätern und Verirrten, gegen die deutsche Besetzung aufgestanden wären. Es gibt drei Anzeichen, die gewöhnlich mit dem Wiederaufsteigen der düsteren Erinnerung an das Frankreich des Vichy-Regimes - "die Vergangenheit, die nicht vergeht", wie man es mittlerweile fast sprichwörtlich nennt - in Verbindung gebracht werden: die empörten Reaktionen der Vereinigungen ehemaliger Résistance-Kämpfer auf die Begnadigung, die Präsident Pompidou 1971 dem Milizsoldaten Touvier gewährte; der (auf die schwarze Liste gesetzte) Film von Marcel Ophüls, Le Chagrin et la Pitié (1971), der ein wenig heldenhaftes Frankreich zeigte; und die französische Übersetzung des Buchs von Robert O. Paxton, La France de Vichy (1973), das mit der offiziellen Geschichtsschreibung brach. Längerfristig repräsentiert der Post-Gaullismus die Rückbesinnung auf eine tiefere Schicht der Vergangenheit. Die Institutionen der Fünften Republik, von denen man zunächst geglaubt hatte, sie seien maßgeschneidert, ganz zugeschnitten auf den General, erwiesen sich als überlebensfähig, und als François Mitterand, ihr größter Gegner in der Opposition, sie, nachdem er an die Macht gekommen war, unverzüglich übernahm, bestätigte sich die Ahnung, dass de Gaulle seine historische Wette gewonnen hatte: die Institutionen, die durch den Sturz der absoluten Monarchie seit der Revolution ins Wanken gekommen waren, wieder ins Gleichgewicht zu bringen. François Furet etwa hat diese Ahnung 1978 in seinem Buch Penser la Révolution française in den berühmten Satz gefasst: "Die Französische Revolution ist beendet." Damit waren auch die beiden letzten Jahrhunderte wieder in die lange Dauer und die Kontinuität des Nationalstaats eingegliedert. Es begann eine positive Neubewertung der gesamten monarchischen Vergangenheit, und wider alle Erwartungen wurde der unwahrscheinliche tausendjährige Geburtstag Hugo Capets schon 1987 - ehe man 1996 Chlodwigs tausendfünfhundertsten Jahrestag beging - als ein regelrechtes Volksfest unter dem Motto gefeiert: Frankreich ist tausend Jahre alt! Noch allgemeiner gesehen, hat die Erhebung der letzten großen Gestalt der französischen Nation auf den höchsten Gipfel ihres Ruhms Erfrischung für die ganze Galerie gebracht. Man kommt nicht umhin, die Wiederaufwertung des "großen Mannes" in Zusammenhang mit der Rückkehr zur historischen Biographie zu bringen, einem Genre, das nach langer Ächtung in jüngster Zeit floriert. Man kommt auch nicht umhin, sie auf einer tieferen Ebene mit einem anderen Effekt zu verbinden: der neuen Sensibilität der Franzosen für "eine bestimmte Idee von Frankreich", das heißt, nicht mehr nur für seine Geschichte, sondern auch für seine Landschaften, seine Küche, seine heimatlichen Böden und seine Traditionen. Aber so treffsicher diese neue Sensibilität den steilen Aufstieg der extremen Rechten und des Front National von Jean-Marie Le Pen erklären konnte, fand sie ihren Niederschlag als Rechtfertigung einer neuen Sorge um die Nation auch in der Linken - eine Tatsache, die gern benutzt wurde, um unter Preisgabe der revolutionären Idee auf das Scheitern des Marxismus zu verweisen. Eben dies ist das dritte Phänomen - weniger greifbar, aber vielleicht noch bedeutsamer -, das entscheidend dazu beigetragen hat, dass die Franzosen eine andere Haltung gegenüber ihrer eigenen Vergangenheit eingenommen haben. Der intellektuelle Zusammenbruch des Marxismus, die radikale Diskreditierung der Sowjetunion, der rapide Niedergang der Kommunistischen Partei, die einige Jahre zuvor noch bis zu einem Viertel der Wählerschaft mobilisieren konnte, und der Verlust ihrer Ausstrahlung auf einen großen Teil der französischen Intelligentsia sind die wichtigsten Ereignisse dieser Zeit. Um das Bild abzurunden, sei 1975 noch als das Jahr erwähnt, in dem die französische Übersetzung des Archipel Gulag von Alexander Solschenizyn einen riesigen Erfolg erlebte. Auch dieses Phänomen geht weit über den nationalen Rahmen hinaus, doch die Existenz einer starken und von Grund auf stalinisierten Kommunistischen Partei hat ihm besondere Prägnanz verliehen. In einem Land wie Frankreich, das seit 1789 das Vaterland der Revolutionen war, musste das Ende der revolutionären Idee, des mächtigsten Vektors für die Orientierung der historischen Zeit auf die Zukunft, zwangsläufig eine rasche Veränderung des Gefühls für die Vergangenheit bewirken. Die genannten drei großen Phänomene - die aktivsten und die wichtigsten vielleicht, aber bei weitem nicht die einzigen - haben in der Mitte der siebziger Jahre einen gemeinsamen Resonanzboden gefunden und die Idee eines nationalen "Gedächtnisses" hervorgebracht. Eine neue Idee also, kaum dreißig Jahre alt, aber mittlerweile prächtig gediehen. Diese Bewegung, die dem Gedächtnis einen neuen Platz einräumt und die ich vorgeschlagen habe, als "Epoche des Gedenkens" zu bezeichnen, ist so allgemein, so tiefgreifend, so mächtig, dass es sich lohnt - selbst auf die Gefahr hin, über Allgemeinheiten oder Trivialitäten nicht hinauszukommen -, nach ihren Ursachen zu fragen. Wie mir scheint, erfolgt die Konjunktur des Gedächtnisses am Schnittpunkt zweier großer historischer Phänomene, die der Epoche ihr Gepräge geben: einem zeitlichen und einem gesellschaftlichen Phänomen. Das erste Phänomen hat mit der sogenannten "Beschleunigung der Geschichte" zu tun. Diese von Daniel Halévy aufgebrachte Formulierung bedeutet, dass das Kontinuierlichste und Dauerhafteste nicht mehr in der Dauerhaftigkeit und der Kontinuität besteht, sondern in der Veränderung: einer Veränderung, die immer mehr Tempo gewinnt, die mit zunehmender Beschleunigung alle Dinge in eine immer schneller sich entfernende Vergangenheit befördert. Man muss sich darüber klar werden, was dieser Umbruch bedeutet. Er ist entscheidend für die Organisation des Gedächtnisses. Wie ein Sprengsatz hat er die Einheit der historischen Zeit zerstört, die schöne und schlichte Linearität, die die Gegenwart und die Zukunft mit der Vergangenheit verband. Bis dahin war in der Tat die Vorstellung, die sich eine beliebige Gemeinschaft - ob Nation, Gruppe oder Familie - von ihrer Zukunft machte, maßgeblich für das gewesen, was sie zur Vorbereitung dieser Zukunft von der Vergangenheit bewahren musste, und was so der Gegenwart, die nur als Bindeglied erschien, ihren Sinn verlieh. Etwas schematisch ausgedrückt, gab es drei Muster, in denen sich die Zukunft denken ließ und die ihrerseits das Gesicht der Vergangenheit bestimmten: Man konnte sich die Zukunft als eine Art Wiederherstellung der Vergangenheit, als eine Art Fortschritt oder als eine Art Revolution vorstellen. Heute erwarten wir uns nichts mehr von diesen drei Erklärungsschemata, die es erlaubten, die "Geschichte" auf je verschiedene Weise zu organisieren. Absolute Ungewissheit lastet nun auf dem, was die Zukunft sein wird. Und eben diese Ungewissheit macht es der Gegenwart - die über nie dagewesene technische Aufbewahrungsmöglichkeiten verfügt - zur Pflicht, sich zu erinnern. Wir haben keine Ahnung, was unsere Nachkommen einmal von uns werden wissen müssen, um sich selbst zu verstehen. Dank unserer Unfähigkeit zur Antizipation der Zukunft sind wir darauf angewiesen, recht undifferenziert, aber gewissenhaft alle sichtbaren Spuren und materiellen Zeichen zu sammeln, die (vielleicht) einmal davon zeugen werden, was wir sind oder gewesen sein werden. In anderen Worten, es ist das Ende jeder Art von Geschichtsteleologie - das Ende einer Geschichte, deren Ende man kennt -, welches der Gegenwart jene unabweisliche "Pflicht zur Erinnerung" aufbürdet, von der so viel die Rede ist. Im Unterschied zu Paul Ricoeur, der sich von dieser abgedroschenen Formel distanziert und ihr den Ausdruck "Erinnerungsarbeit" vorzieht, bin ich bereit, sie zu akzeptieren, allerdings unter der Bedingung, ihr einen sehr viel umfassenderen Sinn zu geben als den, der ihr gewöhnlich verliehen wird: einen Sinn, der viel weiter gespannt, viel mechanischer, materieller, patrimonialer ist als die gängige moralische Bedeutung. Einen Sinn, der sich nicht mit Schuld verbindet, sondern mit Verlust, was etwas ganz anderes ist. Der zweite Grund für den starken Auftrieb des Gedächtnisses ist gesellschaftlicher Natur: Er hat mit einer Entwicklung zu tun, die man analog zur "Beschleunigung" die "Demokratisierung" der Geschichte nennen könnte. Gemeint sind die mächtigen Befreiungs- und Emanzipationsbestrebungen der Völker, Ethnien, Gruppen oder sogar Individuen, die auf die heutige Welt einwirken; kurz, das rasche, fast schlagartige Aufkommen aller möglichen Formen des Gedächtnisses von Minderheiten, für die die Rückgewinnung ihrer eigenen Vergangenheit integraler Bestandteil ihrer Identitätsfindung ist. Die Explosion all dieser Minderheitsgedächtnisse hat den respektiven Status und die wechselseitigen Beziehungen zwischen Geschichte und Gedächtnis grundlegend verändert. Genauer gesagt: Sie hat dem bis dahin nur selten gebrauchten Begriff des "kollektiven Gedächtnisses" Geltung verschafft. Anders als die Geschichte, die seit jeher in den Händen der Macht, der wissenschaftlichen oder professionellen Autoritäten war, hat sich das Gedächtnis mit den neuen Privilegien und dem Prestige der Protestbewegungen geschmückt. Es erschien wie die Rache der Erniedrigten und Beleidigten, die kleine Geschichte derer, die auf die große Geschichte kein Recht gehabt hatten. Bisher stand das Gedächtnis, wenn schon nicht für die Wahrheit, so doch zumindest für die Treue. Was neu ist, und was es aus dem heillosen Unglück des 20. Jahrhunderts bezieht, aus der Verlängerung der Lebensdauer, der Präsenz der Überlebenden, ist der Anspruch auf eine Wahrheit, die "wahrer" ist als die Wahrheit der Geschichte: die Wahrheit des Erlebten und der Erinnerung. Nun wäre es natürlich wichtig, die Beschreibung der inneren Ökonomie des neuen Gedächtnisses weiter voranzutreiben. Ich habe versucht, es in meinen Einleitungen und Nachworten der Reihe Lieux de mémoire zu tun. Begnügen wir uns hier damit, abschließend einige direkte, unmittelbare Wirkungen hervorzuheben, die der plötzliche Aufstand des Gedächtnisses hervorgebracht hat. Vor allem zwei Effekte scheinen mir bedeutsam. Der erste besteht darin, dass seither ein rapide sich intensivierender Gebrauch von der Vergangenheit gemacht wird, sei es politisch, touristisch oder kommerziell. Von dieser Tendenz zeugt auch die steil ansteigende Kurve der Gedenkfeiern, die in Frankreich besonders ins Auge springt. Der zweite Effekt der neuen Ökonomie des Gedächtnisses läuft darauf hinaus, dass dem Historiker das Monopol genommen wird, das er traditionsgemäß auf die Interpretation der Vergangenheit besaß. In einer Welt, in der es eine einzige kollektive Geschichte und viele individuelle Gedächtnisse gab, kam ihm eine Art exklusive Kontrolle über die Vergangenheit zu. Die "wissenschaftliche" Geschichte hat dieses Privileg seit einem Jahrhundert sogar noch kräftig untermauert. Der Historiker allein war berechtigt, die Fakten festzustellen und zu beglaubigen und die Wahrheit zu verbreiten. Das war sein Beruf und seine Würde. Inzwischen ist er längst nicht mehr der einzige, der die Vergangenheit produziert. Er teilt diese Rolle mit dem Richter, dem Zeugen, den Medien und mit dem Gesetzgeber. Das ist ein Grund mehr, der "Pflicht zur Erinnerung", die einige von uns vor zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren proklamiert haben, heute laut und deutlich eine "Pflicht zur Geschichte" entgegenzusetzen. Denn das eigentliche Problem, das sich aus der Sakralisierung des Gedächtnisses ergibt, besteht darin herauszufinden, wie, warum und in welchem Augenblick das positive Prinzip der Emanzipation und der Befreiung, das die Erinnerung beflügelt, in sein Gegenteil umschlagen und eine Form der Gefangenschaft, ein Motiv des Ausschlusses, ja eine Kriegswaffe werden kann. Seinem Prinzip nach ist der Anspruch auf das eigene Gedächtnis ein Aufruf zur Gerechtigkeit. In seiner Wirkung ist er oft zu einem Aufruf zum Mord geworden. Vielleicht ist es an der Zeit, den Prozess, den Nietzsche vor mehr als hundert Jahren gegen die Historie eröffnet hat, heute gegen das Gedächtnis wieder aufzugreifen und wie er in seinen Unzeitgemäßen Betrachtungen - aber indem wir für das Wort "Historie" das Wort "Gedächtnis" setzen - zu warnen: "Es gibt einen Grad von Schlaflosigkeit, von Wiederkäuen, von historischem (sprich: erinnertem) Sinne, bei dem das Lebendige zu Schaden kommt, und zuletzt zu Grunde geht, sei es nun ein Mensch oder ein Volk oder eine Kultur." Auch an diese Botschaft des Gedächtnisses haben wir die Pflicht, uns zu erinnern. Aus dem Französischen von Grete OsterwaldDer französische Historiker Pierre Nora, geboren 1931, ist Forschungsdirektor an der Ecole des Hautes Etudes en Science Sociales in Paris und Herausgeber der einflussreichen Intellektuellenzeitschrift Le Débat. Der Text ist ein gekürzter Vorabdruck aus Transit-Europäische Revue, Heft 22 "Das Gedächtnis des Jahrhunderts" (erscheint Ende März im Verlag Neue Kritik, Frankfurt a.M.)
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