Ohne Gummi ist teurer

Nur ein Stück Metall Waffenbörsen sind Erotikmessen für Briefmarkensammler - oder doch nicht?

Bevor Dylan Klebold und Eric Harris am 20. April 1999 ihre Highschool in Littleton, Colorado betraten und 13 Menschen erschossen, gingen sie noch einige Runden bowlen, wie der Filmemacher Michael Moore in Bowling for Columbine, seinem Film über den amerikanischen Waffenwahnsinn, dokumentiert. Der Ort für die Waffenbörse in Potsdam lag unter einer Bowlingbahn und weckte somit eindeutige Assoziationen. Inzwischen hat Deutschland sein eigenes Schulmassaker, und die Frage drängt sich förmlich auf, ob die Waffennarren, die sich da um die Stände mit dem Mordwerkzeug drängen, potenzielle Schwerkriminelle sind, harmlose Spinner - oder gefährliche Irre.

Für Besucher und Aussteller auf der Waffenbörse ist die Sachlage klar: mit Pauschalverurteilungen versuchten Waffenkritiker, sich in gewissen Kreisen zu profilieren und eine wirtschaftliche Branche - Steuerzahler! - politisch motiviert platt zu machen. Tatsächlich gehe es bei der Liebe zu Schussgerät aller Art lediglich um historisches Interesse, und das Sammeln von Waffen sei nicht anders als das Sammeln von Briefmarken.

Man ist geneigt zu widersprechen, wenn man sieht, was da so an Gerätschaften feilgeboten wird: vom Revolver, »neuwertig, mit Schachtel und Bedienungsanleitung, 130 Euro« bis zum »KK-Wehrsport-Gewehr, Gustloff, mit SA-Schaftstempel« für 1.690 Euro. Ein Stand offeriert »Ersatzteile für MG 42«. Zwischendrin finden sich stapelweise Bajonette. Riesige Messer, teilweise halbmeterlang - zu nichts anderem geeignet, als sich damit gegenseitig zu massakrieren. Billig sind sie nicht, aber, da waffenscheinfrei zu haben, beliebtes Knarrensurrogat. Die Besucher wiegen sie kennerhaft in der Hand, und dem Laien wird erklärt, was es mit den Klingenstempeln auf sich hat: »Die Krone steht für Willem, 04 is det Produksionsjahr, wa.« Die Preisspanne reicht von 300 Euro bis hinunter zur Wühltischware: »Jedes Bajonett 29 Euro!« Vereinzelt wird aber auch der Pazifist fündig: beim Helmbezug in hellblau mit UN-Logo beispielsweise. Den stolzen Preis von 25 Euro für das bisschen Stoff rechtfertigt der Verkäufer wie folgt: »Versuch Du doch mal, bei der UNO was verschwinden zu lassen!« Stimmt, das ist ein Risiko.

Für den kleineren Geldbeutel gibt es Olivgrünes und Feldgraues von der langen Unterhose bis zum Stahlhelm, dazu Orden, kistenweise kleine Waffenteile und Erkennungsmarken - sogenannte »Erdfunde«. Wer sich nicht daran stört, dass die kleine Blechplakette vielleicht ein halbes Jahrhundert um den Hals eines Gefallenen hing, kann schon für ein paar Euro ein Andenken mit nach Hause nehmen. Rund die Hälfte der angebotenen Ware stammt aus den gerade einmal 13 Jahren deutscher Geschichte, mit denen sich auch der überwiegende Teil der »historischen Literatur« in oft erfrischend unvoreingenommener Weise befasst: So versucht beispielsweise das Buch Die Uniformen der SS anhand umfangreichen Bild- und Textmaterials den Vorwurf zu widerlegen, dass sich die Mörderbande nach Gutdünken wie eine Operettenarmee ausstaffiert habe.

Nicht unerheblichen Aufwand betreiben die Aussteller beim gesetzlich geforderten Überkleben der Hakenkreuze: stets ist das Preisschild so geschnitten und positioniert, dass sich dem Käufer auch sofort erschließt, was er hier nicht sehen soll - verquere Erotik der Waffenvoyeure. Und ohne Gummi kostet mehr - umso verruchter die Ware, desto höher die Preise: Für den SA-Dolch sind 350 Euro, für den SS-Dolch 550 Euro hinzulegen. Selbst ein »SS-Mückenschleier, Herbsttarnung« bringt 180 Euro ein, denn immerhin verleiht ihm die Möglichkeit, dass einmal ein Kriegsverbrecher darunter Schutz gesucht hat, eine gewisse Aura.

Ob sich ein Kunde fand, bleibt fraglich, denn neben Minderjährigen und Alkoholisierten haben auch »offen der rechtsradikalen Szene zugehörige Personen« keinen Zutritt, wie die Messeleitung verlauten lässt. Der Sicherheitsmann am Eingang scheint sich da aber nicht so gut auszukennen, oder er hat die kahlrasierten Zwei-Meter-Männer, die unter ihren Bomberjacken T-Shirts der verbotenen Skinheadorganisation »Blood Honour« tragen, schlichtweg übersehen.

Das Gros der Besucher aber ist männlich, über vierzig und, sieht man von Ausnahmen wie dem holzbeinigen Senioren in Landserkappe und lederner Fliegerkombi ab, gutbürgerlich-unauffällig. Viele verharren an einem kleinen Stand, an dem eine fröhliche Matrone nach Fußgängerzonenmanier Putzmittel anpreist: anhand zweier Karabiner, mit »Vorher« und »Nachher« beschriftet, erläutert sie die Vorzüge von »Opas Schaftblitz« und »Opas Brünierbeize«. Die Herren greifen gerne zu, schließlich bietet sich die Gelegenheit nicht jeden Tag.

»Waffenbörsen sind grundsätzlich verboten«, erklärt ein Händler, »die jeweilige Stadt kann aber Ausnahmegenehmigungen erteilen«. Warum sie das tue, läge doch auf der Hand: »Es geht hier um wirtschaftliche Interessen. Wir rechnen an diesem Wochenende mit vier- bis fünftausend Besuchern.« Der Stadt scheinen ihre Gäste freilich selber nicht ganz geheuer zu sein. Neben der Waffenrechtsbehörde kontrollierten Ordnungs- und Gewerbeamt, Bauaufsicht, Staatsschutz und das Landeskriminalamt. Auf die Frage, ob der Waffenkult nicht einer Verrohung der Gesellschaft Vorschub leiste und die Börse gerade in Kriegszeiten zynisch wirke, erklärt der Händler strikt: »Das sind alles Vorurteile. Waffen töten keine Menschen. Waffen sind nur ein Stück Metall.« Mit einem Auto könne man schließlich auch eine Menge Unheil anrichten, ja, »ein Auto ist auch eine Waffe!« Deswegen sei er selbstverständlich für eine Kontrolle von Gewehren und Pistolen und gegen den Führerschein mit Siebzehn.

Im Film Bowling for Columbine begründet ein Mann, der sich gerade zum Spaß einen geladenen Revolver an die Schläfe gehalten hat, seine Einsicht in die Notwendigkeit von Waffenkontrollen so: »There´s whackos out there!« - »Es gibt schließlich Verrückte da draußen!«

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