Nach rechts, nach links, vor und zurück

Polen Der Bauernführer Andrzej Lepper ist wieder bei sich selbst angekommen und deshalb nun Vizepremier in einer rechtsnationalen Regierung

Seit zwei Wochen amtiert der Populist Andrzej Lepper als Vizepremier. Mit dem gleichen Amt geadelt findet sich der rechtsradikale Katholik Roman Giertych - ein unerschrockener Kämpfer gegen die "drohende Sexualisierung" des öffentlichen Lebens, die "jüdische Weltverschwörung" und was rechtsradikale Paranoiker sonst noch so zu ihren liebsten Feindbildern zählen. Während Giertych durchaus in das ideologische Biotop passt, in dem auch die regierende Recht-und-Gerechtigkeits-Partei (PiS) der Brüder Kaczynski ihre Wurzeln hat, wurde mit Lepper ein Koalitionär ins Boot geholt, von dem lange nie ganz klar war, wofür er außer populistischem Rabaukentum eigentlich stand.

Nicht nur persönlich, auch politisch gilt der 52jährige Bauernführer, der durch Straßenblockaden in den neunziger Jahren bekannt wurde, als schwer einschätzbar. Jahrelang gab er sich als strammer Rechter, dem keine Parole zu national war und der für Adolf Hitler und Joseph Goebbels schwärmte. O-Ton: "Hitler wollte Gutes für Deutschland, er hat den Leuten Arbeit gegeben, und man kann sonst auch viel von ihm lernen, zum Beispiel Körpersprache."

Vor den Wahlen 2005 bezeichnete Lepper seine Partei Samoobrona (Selbstverteidigung) aber plötzlich als links und träumte sogar davon, wichtigste Person der polnischen Linken zu werden. Im Europa-Parlament schlossen sich etliche Samoobrona-Abgeordnete der Sozialistischen Fraktion an, freilich nicht ohne zuvor die Zustimmung des großen Vorsitzenden eingeholt zu haben. Nun kehrt der wegen Körperverletzung vorbestrafte Ex-Boxer wieder zu seinen Wurzeln zurück und paktiert mit den nationalkonservativen Kaczynski-Brüdern. So sprunghaft das alles erscheinen mag - es gibt einige Konstanten in dieser bisherigen Karriere: Neben unbedingtem Machtwillen ist es eine allgegenwärtige verbale Aggression. Den früheren Präsidenten Kwasniewski etwa bezeichnete Lepper als "Lumpensammler", der in der ganzen Welt hausieren gehe; der politisch engagierten Gattin Kwasniewskis riet er: "Die sollte besser zu Haus sitzen und ihrem Mann etwas kochen". Erst vor wenigen Tagen wurde die kritische Frage eines Journalisten mit den Worten kommentiert: "Er hat Glück, dass ich so geduldig bin, nur deshalb habe ich ihm nicht in die Fresse gehauen."

Ebenso wie loses Mundwerk gehört ein radikaler EU-Skeptizismus seit jeher zum fixen Lepper-Repertoire. Legendär ist seine Beurteilung der Europäischen Union als "einer kolonialen Institution", die den polnischen Bauern vernichten will: "Das goldene Füllhorn, das die EU angeblich über Polen ausschüttet, ist in Wirklichkeit eine rostige Trompete." - Dass derartige Sprüche auf dem flachen Land gut ankommen, ist nicht verwunderlich. Gerade jetzt - zum zweiten Jahrestag des EU-Beitritts - übertreffen sich Polens Medien darin, die Vorzüge der Union in den schönsten Farben zu malen und alle, die auch nur einen Hauch des Zweifels erkennen lassen, als ewiggestrige Hinterwäldler abzukanzeln. Breite Schichten auf dem Land, die mit der EU nicht Agrarförderung, sondern steigenden Konkurrenzdruck erfahren, können diese Euphorie nicht nachvollziehen. Und weil die postkommunistische Linke sich seit Jahren einem so bedingungs- wie kritiklosen Ja zu Brüssel hingibt, ist es für den Populisten Lepper nie schwer, die Unzufriedenen aus der Provinz um sich zu scharen - zumal er stets vom Mythos des Rebellen und Sozialromantikers der frühen Neunziger zehren kann.

Die Kaczynski-Brüder können das nicht. Dass sie - um endlich für die Regierung ihres Premiers Marcinkiewicz eine Mehrheit im Sejm zu sichern - die beiden Out-Laws Giertych und Lepper zu Partnern gemacht haben, entbehrt indessen nicht einer gewissen Logik. Die offizielle Begründung für die rechts-rechte Allianz lautet: Da sich die zweite große, gemäßigt rechte Partei im Parlament, die neoliberale Bürgerplattform (PO), einer Kooperation verweigert, war man eben auf die Ultrarechten und Populisten angewiesen. "Ich weiß, das ist nicht die optimale Variante", meint Präsident Lech Kaczynski. Tatsächlich jedoch dürfte er nicht übermäßig unglücklich über den Unwillen der Bürgerplattform sein, denn zumindest in zwei Punkten sind die PO von Donald Tusk und die PiS der Kaczynskis völlig inkompatibel: Letztere steht zwar in weltanschaulichen Fragen sehr weit rechts, ist in der Sozialpolitik aber deutlich mehr um die Interessen des von ihr so umworbenen "kleinen Mannes" (weniger der "kleinen Frau") bemüht als die Neoliberalen. Die Bürgerplattform umgibt sich zwar mit dem Flair urbaner Liberalität, vertritt hingegen wirtschaftpolitisch einen knallharten turbokapitalistischen Kurs.

Trotzdem bleibt natürlich klar: Mit dem Eintritt von Lepper und Giertych in das Marcinkiewicz-Kabinett rückt Polens Regierung ein weiteres Stück nach rechts und hin zu autoritären Werten. Obwohl Marcinkiewicz ursprünglich angekündigt hatte, er wolle zurücktreten, sollte Lepper Vizepremier werden, hält er nun auf Order der Kaczynski-Zwillinge die Stellung. Dafür hat sich Außenminister Stefan Meller zur Demission entschlossen: "Ich will nicht der Hofnarr von Andrzej Lepper sein."

International wird das Ansehen Polens gewiss weiter Schaden nehmen. Schon jetzt ist aus Brüssel zu hören, dass die EU nur deshalb keine Sanktionen verhängt, weil man Lepper nicht wie einst den Österreicher Jörg Haider zum europäischen Problem heraufstufen wolle. Dass Leppers ministerielle Berufung Brüssel herausfordert, wissen auch diejenigen, die ihn hofiert haben. Immerhin hatte Präsidenten-Zwilling Jaroslaw Kaczynski schon 2002 prophezeit: Käme Lepper in die Regierung, würde es einen Aufschrei geben, gegen den die ganze Österreich-Affäre um Haider eine Lappalie gewesen sei. Damals freilich ging es um die eventuelle Präsenz Leppers in einem postkommunistisch geführten Kabinett.


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