Gruppenschau Eine Reihe junger Künstler stellt unter dem spröden Namen Galerie BRD aus, derzeit in Leipzig. Zum Programm gehört die Ästhetik des Normalschreckens
Die Erklärungen, Pamphlete und theoretischen Erörterungen einer jungen politischen Künstlergruppe, die sich Galerie BRD nennt, enden alle mit derselben programmatischen, harten Formel: „Ende der Party. Ende des Vergessens. Ende der Ironie. Es gibt kein Außen. Wir sind das Problem. Galerie BRD. Gerichtsstand ist Hamburg.“ Seit mehr als zwei Jahren treten Künstlerinnen und Künstler unter diesem Label regelmäßig mit thematischen Ausstellungen in Erscheinung. Die aktuelle Schau heißt Everyone is Unique – You Most of All und ist im KV – Verein für Zeitgenössische Kunst Leipzig zu sehen. Ausgestellt werden Werke, die sich mit Themen wie Egoismus, Individualität und Selbstoptimierung auseinandersetzen.
Ältere
Ältere GästeDie Galerie BRD hat keinen festen Ort, die Ausstellungen finden in unterschiedlichen Städten statt. Die Künstlerinnen und Künstler der Gruppe leben in Städten wie Leipzig, Hamburg oder Köln und verfolgen zuvorderst ihre jeweils eigene Arbeit. Die Galerie versteht sich nicht als Kollektiv, sondern als loser Zusammenschluss. Inhaltlich motiviert kommt es dann zu den gemeinsamen Ausstellungen – wie eben jetzt in Leipzig.Die meisten der Künstlerinnen und Künstler der Gruppe arbeiten mit Video, Sound und Fotografie. Mit Medien also, die eine besondere Affinität gegenüber der realen Welt da draußen haben, sie abtasten, übersetzen und analysierbar machen. Texte sind ein weiteres tragendes Element. Denn auch starke Bilder brauchen die sprachliche Ebene, um kritisch hinterfragt zu werden oder verhandelbar zu sein.Zu den Aktiven der Gruppe gehören Katja Aufleger, Arne Schmitt und Andrzej Steinbach, allesamt Anfang 30. Katja Aufleger hat vor zwei Jahren bei der Hamburger Absolventenausstellung Index mit einer Skulptur für Aufsehen gesorgt, einem gläsernen Behälter, in dem sich in zwei Kammern getrennt von einander farbige Flüssigkeiten befanden. Sie zu mischen, wäre hochexplosiv gewesen. Arne Schmitt und Andrzej Steinbach sind als Fotografen erfolgreich. Schmitt ist für seine analytischen Stadt- und Architekturfotografien bekannt. In seinem Band Wenn Gesinnung Form wird zeigte er Bilder der Nachkriegsarchitektur, die von den Baumeistern des NS-Regimes entworfen wurde. Zuletzt veröffentlichte er einen Bildband zur neoliberalen Architektur der Stadt Köln. Von Andrzej Steinbach ist derzeit im Hannoveraner Sprengel Museum die Fotoserie Figur I, Figur II zu sehen, zwei junge Frauen in wechselnden Kleidern und Posen entsprechen hier teils den Codes der rechten Szene und verweisen teils allgemein auf Militanz.Als Gäste haben in der Vergangenheit an den Ausstellungen auch ältere und bekanntere Künstler wie Thomas Demandt und das Duo Korpys/Löffler teilgenommen. Die bevorzugte Ästhetik der Gruppe ist spröde, postmoderne Spielereien findet man keine, Poesie nur selten, die Grundfarben sind Schwarz und Weiß.Spröde ist natürlich auch der Name, Galerie BRD. In den 80ern gab es in der Punkszene die Parole „Lass dich nicht BRDigen“ und die Samplerreihe Schlachtrufe BRD. Der Staatsname ist erst mit der Wiedervereinigung für ein Projekt wie dieses brauchbar geworden. Dabei beziehen sich die Künstler vor allem auf die politischen Konflikte der Bundesrepublik. Die Dezentralisierung durch die Alliierten, den Kampf der Roten Armee Fraktion – überhaupt auf die Ernsthaftigkeit politischer Kämpfe und Frontlinien. Nach der Wende gewinnt die Vorstellung vom Ende der Geschichte schnell an Bedeutung. Gesellschaftliches Verständnis und Gefüge werden postmodern, diffus und verschwommen. Davon sprechen die Texte der Galerie BRD.Alles, was Krätze machtEntsprechend programmatisch sind auch die Ausstellungstitel. Kreativität abrüsten war der Name der ersten gemeinsamen Schau, damals in eigenen Räumen in der Hamburger Grindelallee. Ihr Thema waren sie selbst als Kunstschaffende und in ihrer gesellschaftlichen Rolle. „Wir können unserer Zeit nicht länger mit losgelösten ästhetischen Ideen begegnen“, überschrieb der Künstler und Autor Steffen Zillig seinen Ausstellungstext. Darin kritisierte er die politische Wirkungslosigkeit von aktueller Kunst, vor allem solcher, die vorgibt, politisch zu sein: „Der gemeinhin beschworene Widerhaken zeitgenössischer Kunst – das Neue – begegnet uns heute als philosophisch leer gelaufener Loop, als Dauerschleife ästhetischer Variationen und die weiterhin ausgerufenen ‚Regelbrüche‘ und ‚Subversionen‘ als verblasstes rhetorisches Dekor.“ Den Kunstbetrieb erklärte er kurzerhand zum Öl im Motor der neoliberalen Ideologie: „Heute bereitet die Kunst neubürgerlichen ‚Entscheidern‘ feuchte Träume.“Steffen Zillig bezog sich damit auf ein Video, mit dem die Consultingfirma McKinsey 2012 warb. Künstlerische Kreativität wurde darin als ökonomischer Faktor gefeiert. „Da rinnt den Unternehmensberatern der blautintige Sabber aus den Mundwinkeln angesichts ‚der Leidenschaft des Künstlers‘, die sie inspiriert‚ die Welt ein Stück zu verändern‘. Von der sonorig beschworenen Kreativität zum animierten Farbklecks in 3-D ist da so ziemlich alles dabei, was Krätze macht.“Die Arbeiten der aktuellen Ausstellung der Galerie im KV Leipzig drehen sich um jedwedes Individuum. Oder auch um seine Vergesellschaftung, das Überformen von Bedürfnissen, das Verschwinden von Erfahrung. Es wird nichts angeprangert, nichts beweint. Es gibt eine Bestandsaufnahme, und die kommt einigermaßen trocken rüber. Sie belustigt ein bisschen, macht aber auch Angst. Zum Beispiel Stefan Panhans’ Video Sieben bis zehn Millionen von 2005. Ein junger Mann mit einer Fellkapuze und einem pinkfarbenen Baseballcap darunter erzählt in mehr als fünfminütigem Stakkato, aufgeregt, aber geordnet, von einer Einkaufserfahrung. Das Ereignis nimmt ihn immer noch ein, es scheint existenziell gewesen zu sein. Alles konzentriert sich auf dieses „Ding“, das er unter der Gefahr, betrogen zu werden oder sich zu irren, auszuwählen hatte. Wir wissen nicht, worum es sich handelt. Fast denkt man an einen magischen Gegenstand, dazu aber wirkt der Typ zu profan. Sein ganzer Erfolg und seine Individualität speist er aus diesem stressigen, aber geglückten Kauf.Die Menschen würden im fortschreitenden kapitalistischen System ihre Erfahrungsfähigkeit der von Lurchen angleichen, hat Theodor W. Adorno einmal vermutet. Das trifft vielleicht auf Stefan Panhans’ Konsumenten zu. Im Video von Yann-Vari Schubert ist ein echtes Chamäleon zu sehen. Es ist nichts Besonderes an ihm. Es hockt mit seinem schmalen, grünen Körper auf einem Ast. Es bewegt sich kaum, wohin sollte es auch gehen? Manchmal senkt oder hebt es die Augenlider. Sein Ast steckt auf einem Metallstab. Das Tier ist Teil einer Ausstellung, vielleicht im Tierpark oder im Terrarium. Jede Robinsonade ist eine Konstruktion, und mit der Freiheit, die sie mit sich bringt, ist nicht unbedingt etwas anzufangen.Besonders grauenerregend ist die Videoserie Self-Capital der Kanadierin Melanie Gilligan. Seit 2009 hat sie eine Reihe von Episoden produziert, die von der Optimierung der eigenen Person handeln. Die Betrachter sehen einer Frau zu, wie sie einen wahren Albtraum durchlebt, getrieben von fremd- und selbstgesetzten Ansprüchen. Gilligan nimmt dabei einen Rundumschlag vor. Es geht um körperliche und geistige Verfasstheit, Bildung und Kreativität. Ihre Protagonistin taumelt zwischen der ruhigen Stimme ihrer Therapeutin und dem Drängen ihrer inneren Stimme, die im Theater und in der Bibliothek plötzlich laut wird, woran die Frau irre zu werden droht.Solcherart Ästhetik des Normalschreckens gehört zum Programm der Galerie BRD. Für scharfe Analyse und Kritik sind spröde Bilder hilfreich. Mehr jedenfalls als Pathos oder Zynismus.Placeholder infobox-1
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