Deutschland, Frankreich und Großbritannien sind im Konflikt um das iranische Atomprogramm vorerst gescheitert. Alle Kompromissangebote konnten Teheran erwartungsgemäß nicht überzeugen, nun haben sich die Positionen aller direkt und indirekt Beteiligten erst einmal auffallend verschärft.
Mahmoud Ahmadinejad, Irans neuer Staatschef, ernannte inzwischen den Hardliner Ali Larijani zum neuen Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsrates und damit zugleich zum Chefunterhändler für das Atomprogramm. Ali Larijani war zuletzt so etwas wie der Adjutant des Revolutionsführers in diesem Gremium, er ist ohne Zweifel ein enger Vertrauter Ali Khameneis. Larijani löst den als gemäßigt geltenden Hassan Rouhani ab, der sich dank seiner teilweise flexiblen und kompromissorientierten Verhandlungsführung durchaus einen guten Ruf unter europäischen Diplomaten erworben hatte. Mahmoud Ahmadinejads Personalentscheidung dürfte daher für künftige Gespräche mit der EU, wenn sie denn stattfinden, nicht ohne Einfluss bleiben. Auch die Vorstellungen des Präsidenten für sein neues Kabinett - hier sind für die wichtigsten Ressorts als extrem konservativ geltende Politiker vorgesehen - dürften von den Verhandlungspartnern in der EU eher als Affront begriffen werden.
Inzwischen hat US-Präsident Bush der iranischen Staatsführung in einem Interview für das israelische Fernsehen im Falle eines Abbruchs der Verhandlungen mit einem Militärschlag gedroht. Dies nicht zuletzt auch im Namen der Israelis. Schließlich empfindet man in Jerusalem die Vorstellung, Iran könnte in absehbarer Zeit über Nuklearwaffen verfügen, als strategische Herausforderung - damit wäre über Nacht das regionale Monopol des eigenen Atomarsenals in Frage gestellt. Wie eine israelische Regierung darauf reagieren kann, hat 1981 die Zerstörung des irakischen Atomreaktors in Osiek aller Welt vor Augen geführt.
Es bedarf keiner prophetischen Gaben, um sich darüber im Klaren zu sein, dass jede Drohung von außen die ultrakonservativen Kräfte in Teheran nur darin bestärken kann, an einem selbstbewusst konfrontativen Kurs festzuhalten. Sie wissen sehr wohl, was die Amerikaner militärisch riskieren, sollten sie nach dem Fiasko im Irak nun auch den Iran angreifen. Von den Konsequenzen für den globalen Erdölmarkt ganz zu schweigen.
Auch wenn der Dissens zwischen Teheran und der EU derzeit kaum überwindbar scheint, ist eine Lösung des Konflikts noch möglich. Den Europäern bleibt die Chance, sich als eigenständiger politischer Akteur zu profilieren und Alternativen zur harten Gangart der Amerikaner wenigstens anzubieten. Man könnte Teheran bei der Weiterentwicklung der zivilen Atomtechnologie, unter Aufsicht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), unterstützen - laut Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen (NPT) ist die IAEA ohnehin verpflichtet, den Mitgliedsstaaten beim Ausbau ihrer Nukleartechnologie zu helfen - und im Gegenzug auf innenpolitische Reformen oder zumindest auf die Einhaltung der Menschenrechte wie eine moderatere Justiz drängen. Dies dürfte auch seine Wirkung im Iran nicht verfehlen und könnte den jetzt marginalisierten Reformkräften wieder mehr Spielraum verschaffen. Zudem könnte man den Vorschlag Ahmadinejads nach einer atomwaffenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten aufgreifen, diese Option bei einem Kompromissvorschlag einbeziehen und gar als Fundament für weitere diplomatische Vorstöße in dieser leicht entzündbaren, konfliktreichen Region betrachten. Käme es zu einer solchen Verständigung, könnten alle Seiten ihr Gesicht wahren. Den bisherigen konfrontativen Kurs beizubehalten - das erscheint hingegen wenig erfolgversprechend. Das diplomatische Tauziehen der vergangenen Wochen hat gezeigt, wie schwer es der EU-Troika fällt, den Gouverneursrat der Wiener Atomenergiebehörde zu einer Verurteilung der jüngsten iranischen Atomaktivitäten zu bewegen.
In diesem Gremium sitzen Staaten wie Brasilien und Argentinien, die gleichfalls Uran anreichern und sich energisch zur Wehr setzen, sobald Sonderrestriktionen gegen den Iran auf der Tagesordnung stehen. Sie befürchten einen Präzedenzfall, der auch gegen sie instrumentalisiert werden könnte. Auch wenn sich die IAEA dazu entschließen sollte, den UN-Sicherheitsrat anzurufen - es gilt keineswegs als gesichert, dass es zu einer Verurteilung oder zu scharfen Sanktionen gegen die Islamische Republik kommt. Sowohl China als auch Russland unterhalten enge wirtschaftliche Beziehungen. Russische Unternehmen verkaufen nicht nur Atomtechnologie, sie sind überdies maßgeblich am Bau des Reaktors in Buschehr beteiligt. Und die Chinesen benötigen iranisches Erdöl und -gas, um ihren immensen Energiebedarf zu decken. Durch ihr Veto im Sicherheitsrat könnten beide Staaten sämtliche Restriktionen unterbinden. Der US-Administration ist diese Konstellation bestens bekannt. Sie sollte den Schluss nahe legen, dass mögliche Alleingänge - von allen militärischen Unwägbarkeiten abgesehen - weltweit sehr viele Interessen tangieren werden.
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