Die erste Frage, die sich stellt, wenn man erfährt, dass heutzutage jemand einen Sandalen-Film dreht, ist natürlich die nach der verborgenen Absicht. Denn die ist man gewillt anzunehmen, wenn ein Regisseur wie Ridley Scott dahintersteckt, gewissermaßen ein Spezialist in Sachen Fantasy und Zeitreisen.
1977 debütierte er mit einem Western zur Zeit der Napoleonischen Kriege. The Duellists bestach durch die detaillierte Rekonstruktion der französischen Kaiserzeit und kann in dieser Hinsicht einem Vergleich mit der von Kubrick zwei Jahre früher gedrehten Adaption eines Thackeray-Romans, BarryLyndon, durchaus standhalten. Aber schon hier machte sich die grundlegende intellektuelle Schwäche des Regisseurs (der aus der Werbefilmbranche kommt) bemerkbar. Der Plot w
mbranche kommt) bemerkbar. Der Plot wurde von einem einzigen Motiv getragen - ein von grundlosem Hass getriebener französischer Offizier (Harvey Keitel) fordert einen anderen über Jahre hinweg immer wieder zum Duell heraus und unterliegt schließlich -, alle sich darbietenden historischen und gesellschaftlichen Implikationen vollkommen in den Wind geschlagen.Mit dem zwei Jahre später entstandenen Alien machte er aus der dramaturgischen Notdürftigkeit eine Tugend, kopierte das Sci-Fi-Horror-Szenario des Hawks/Nyby-Klassikers The Thing und verpackte die tiefenpsychologischen Dimensionen in das biomechanische Set-Design des Schweizer Malers H. R. Giger, der dafür einen Oscar erhielt. Sein darauffolgender Blade Runner von 1982 hingegen (und um so mehr die Director's Cut-Version zehn Jahre später) gilt zurecht als Musterbeispiel eines gelungenen Zukunfts-Albtraums, worin Handlung und gestalterische Phantasie in ästhetischer Perfektion zusammenfinden. Aber gleich darauf dementierte er mit Legend (1985), einem Fantasy-Spektakel der seichtesten Sorte, das mehr Ähnlichkeit mit einer Shampoo-Werbung als einem Märchen aufweist, sein eben bewiesenes Können. Und schließlich 1492: Conquest of Paradise, sein zweieinhalbstündiger Beitrag zur amerikanischen 500-Jahres-Feier von 1992, der in der mythischen Figur des Christoph Kolumbus nicht nur die Größe seines Zeitalters, sondern auch etwas vom Größenwahn des amerikanischen Traums porträtierte, natürlich mit einem größenwahnsinnigen Produktionsaufwand.Und nun die römische Arena vor achthundert Jahren. Dass der historische Ausstattungsfilm auf der Linie von Ben Hur (1925 und 1959 als Remake von William Wyler), Quo Vadis? (1951), The Robe (1953; erster Cinemascope-Film) oder Kubricks Spartacus (1960) ein nicht totzukriegendes Hollywood-Genre wie der Western oder das Musical sei, wird wohl niemand behaupten. Mit dem Ableben dieser breitwandfüllenden, von johlenden Statistenheeren strotzenden und ob seiner scheppernden Steifheit stets belächelten Kostüm-Spektakel war Hollywood auch seinen abgelatschtesten Kindersandalen entstiegen. Richard Lesters A Funny Thing happened on the Way to the Forum war 1966 die letzte Wiederaufnahme des Genres in der einzig möglichen Form einer haarsträubenden Farce. Aber niemand hatte mit Ridley Scott gerechnet.Auf übliche Schmonzetten hat er völlig verzichtet, eine Liebesgeschichte - zwischen dem Gladiator und eigentlichen Thronanwärter Maximus (Russell Crowe) und der Tyrannenschwester Lucilla (Connie Nielsen) - kommt nur in zaghaften Ansätzen vor und wird nicht weitergeführt. Die gesammelte Aufmerksamkeit des Regisseurs gehört der martialischen Inszenierung der Arenakämpfe und Schlachten. Dazwischen gibt es ein notwendiges Maß an Handlung: der Philosophenkaiser Mark Aurel (Richard Harris) möchte General Maximus zu seinem Nachfolger machen, woraufhin der dekadent grausame Kaisersohn Commodus (Joaquin Phoenix) erst den Vater aus dem Weg räumt und den mit allen römischen Tugenden ausgestatteten General zum Tode verurteilt. Der entkommt seinem Todeskommando und gerät in die Fänge eines Sklavenhändlers (Oliver Reed), der seine besten Stücke zu Gladiatoren ausbildet. So kämpft sich der unschuldig in sein Schicksal Geworfene durch die Arenen des römischen Reiches bis nach Rom, wo er seinem Erzfeind Auge in Auge gegenübertritt und letztlich märtyrerhaft der Staatsmacht unterliegt.Ob sich die Ausstattung der Gladiatoren-Sklaven und der römischen Soldateska an historischen Vorbildern orientiert haben mag, wer kann es sagen. Die Dreizacke, Schwungkeulen, Schwerter, Spieße, federbebuschten Helme und panzermäßigen Schilderreihen sind einem jedenfalls aus den Asterix-Bänden (die für ihre zeichnerische Genauigkeit bekannt sind) geläufig. Aber die Menschen in ihren eisenbewehrten Gewändern bewegen sich und sprechen (sofern überhaupt gesprochen und nicht gemetzelt wird) wie Schauspieler eines x-beliebigen stereotypen und spannungslosen Action Movies. Dadurch erhalten auch die krassen Verstümmelungs- und Enthauptungsszenen (wortspielerisch könnte man von einer découpage classique sprechen; ein Schnitt: ein Kopf, ein Bein, ein Arm weniger) gerade wegen der Ermangelung an Faustfeuerwaffen und anderem pyrotechnischen Gerät eine geradezu spielzeughafte Antiquiertheit und Infantilität. So übertragen selbst die dichtesten Nahkampfsequenzen kein Quentchen Emotion, bleiben die körperliche Intensität, der Schmerz und die Wut der um ihr Leben Kämpfenden wie vacuumverpackt vorm Zuschauer verschlossen. Wofür die visuelle Gestaltung die hauptsächliche Schuld trägt.Vielleicht hat sich Scott seiner Lehrjahre als Werbefilmer erinnert. Nun ist ja hinlänglich bekannt, dass diese Branche wie keine andere von den "Errungenschaften" der Propagandafilm-Pionierin Leni Riefenstahl profitiert. Wobei sich der Hollywood-Regisseur sein Vorbild bis ins Bildzitat hinein angeeignet hat. So ruft die vertikale Kamerakranfahrt in die Totale beim Einzug der Gladiatoren in die Arena unterm frenetischen Jubel des Volkes ihr gruseliges Pendant aus dem Triumph des Willens in Erinnerung. Und wenn die Soldaten in geometrisch geordneten Formationen antreten, glaubt man einen Moment lang, der Regisseur hätte die militärisch-ästhetischen Wurzeln des nationalsozialistischen im altrömischen Reich aufgedeckt (was ja auch den historischen Parallelen entspricht); aber Scott fehlt jegliche reflektierende Distanz zu seiner Choreographie (Nicholas Powell), seinen glorifizierenden Heldenumkreisungen mit der Kamera, der ekstatisierten Volksmasse (die im Hintergrund, wie auch Teile der Architektur, ziemlich sichtbar durch Animationen ersetzt ist), den markigen Marschkolonnen. Aber als Mann der Werbung kann er sich ja - wie bad old Leni - auf den rein ästhetischen Gehalt seiner Bilder berufen.Ein amerikanischer Kritiker hat eine gewagte Parallele zwischen dem Mob der römischen Arenen, dem vor den Spielen Brot in die Ränge geschleudert wird (panem et circenses eben), und dem heutigen Cineplex-Publikum gezogen. So gesehen müsste Universal Popcorn-Kanonen vor der Leinwand positionieren. Dann käme man aus dem Kino nicht nur mit dem flauen Gefühl, seine Zeit vergeudet zu haben, sondern auch noch mit einem flauen Magen.