Kennen Sie einen Mann namens Björn Joppien? Nein? Dann gehören sie zur überwältigenden Mehrheit deutscher Sportbegeisterter. Herr Joppien ist 24 Jahre jung, bewohnt ein Örtchen namens Langenfeld und besuchte letzte Woche das beschauliche Anaheim (USA). Er befasste sich dort ausgiebig mit den Flugeigenschaften von Kork - weiß lackiertem Kork um genau zu sein, in das man 16 Gänse- oder wahlweise Entenfedern eingelassen hat. Ganze fünf Gramm bringt dieses Meisterwerk asiatischer Massenproduktion auf die Waage. Es lässt sich - wie Björn bereits mit vier Jahren feststellen konnte - rasant beschleunigen. In Kombination mit einem leichten Hightech-Schläger aus Karbon bringt es der Ball bis auf über 300 Kilometer pro Stunde.
Björn Joppien betreibt eine Sportart die Badminton genannt wird. Den Anglikanisierungsgegnern sei gesagt, dass es sich um eine seit Jahrzehnten verwendete Bezeichnung handelt. Sie umschreibt die Wettkampfvariante des beliebten, aber witterungsabhängigen Zeltplatzsports "Federball". Der tatsächlich aus England stammende Name "Bad-minton", hat - wie sich jeder denken kann - nichts mit schlechter Minze zu tun, sondern wurde vom gleichnamigen Landsitz in der Grafschaft Gloucestershire abgeleitet. Dort stellten Kolonialoffiziere einem gewissen Duke of Beaufort 1872 ein "Poona" genanntes Spiel aus Indien vor. Bereits damals relativ beliebt, bereitete nur die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten Probleme ,und so wurden kurzerhand einige Kirchen zweckentfremdet. Das Spiel entwickelte sich weiter, und in den 1950igern formierten sich auch in Deutschland erstmals Badmintonvereine. Diese zeichnen sich in ihrer Spielweise besonders dadurch aus, dass Frauen und Männer, im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten, eine gemeinsame Mannschaft stellen. Seit 1992 ist die Sportart Teil der Olympischen Spiele. Medaillentechnisch sieht es für die Europäer dort allerdings eher düster aus. Bis auf ein paar nordeuropäische Ausnahmen räumen die Asiaten, vor allem die Chinesen, seit jeher sämtliche Disziplinen ab.
Chinas Badmintonschule ist berühmt-berüchtigt. Das extrem harte Trainingsprogramm verschleißt die Spieler allerdings so sehr, dass die meisten mit Mitte 20 aufhören müssen zu spielen. Aber der finanzielle Anreiz der Preis- und Fördergelder ist enorm, und so beläuft sich die Zahl der chinesischen Badmintonprofis auf über 100, während es in Deutschland gerade mal zehn sind. Eine von ihnen ist die 30-jährige Xu Huaiwen, eine vor sechs Jahren in China ausgemusterte Saarländerin, die seit 2003 für Deutschland spielt. Bei der Badminton-WM, die vergangene Woche im US-amerikanischen Anaheim stattfand, erreichte sie sensationell das Halbfinale und sorgte für die erste deutsche Medaille überhaupt bei einer Weltmeisterschaft. Auch Björn Joppien scheint ein echter Hoffnungsträger für das deutsche Badminton zu werden. Bei der WM schied er zwar schon im Achtelfinale aus, trotzdem macht sich der 24-Jährige nach und nach zu einem Dauerspielverderber für die Asiaten und hält sich wacker unter den besten 20 der aktuellen Weltrangliste.
Die Badminton WM wurde von den Medien in Deutschland - mit Ausnahme von Eurosport - mal wieder gänzlich ignoriert. Das ist umso verwunderlicher, da Badminton hierzulande von circa vier Millionen Freizeitspielern und etwa einer viertel Million Vereinsspielern betrieben wird. Während visuell nicht viel aufregendere Körperbetätigungen wie Schwimmen, Radfahren oder Leichtathletik mittlerweile einige Fernsehpräsenz haben, ist den Sendern Badminton meist nicht mal eine kurzzeilige Videotextmeldung wert. Kein einziges Wort verlor man beispielsweise im Aktuellen Sportstudio am letzten Samstag über die Bronze-Medaille von Xu Huaiwen. Badminton ist den meisten Redakteuren nicht medienwirksam genug. Angeblich bekommt das ungeübte Auge des Zuschauers von den extrem schnellen Ballwechseln zu wenig mit. Es fehlen aber auch die erfolgreichen Idole Marke Steffi Graf oder Jan Ullrich, die erst durch ihre persönlichen Erfolge den Sport für das Publikum interessant machten.
Die deutschen Spieler werden wohl weiter neidisch Richtung Asien schauen, wo Badmintonspieler Superstarstatus genießen und die Titelseiten von Hochglanzmagazinen schmücken. Hierzulande bleiben sie unbekannte, unterschätzte und vergleichsweise unterbezahlte Hochleistungssportler. Ändern könnte sich das höchstens 2008 in Peking. Mit einer Medaille bei Olympia hat schon so manche Sportart einen enormen Popularitätsschub bekommen. Nur: ob die Deutschen die im Heimatland des Schläger-Drills wirklich holen können?
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