Wie kommt man am besten von Los Angeles nach New York? Die Sache ist kniffliger, als man denken könnte. Ein gewöhnlicher Flug from coast to coast scheidet aus Gründen der Bequemlichkeit aus. Daher heißt es, global denken und ein Round-the-World-Ticket buchen. Von Sydney über LAX nach JFK. Den ersten Teil der Strecke lässt man verfallen, steigt also in Los Angeles ein und kommt so in den Genuss eines Komforts, den auf dieser Route ausschließlich die australische Fluglinie Qantas bietet. Alternativ dazu käme nur im äußersten Notfall der Premium Service (PI) von United Airlines in Frage. Doch nichts ist perfekt. Selbst bei Qantas muss man noch ein wenig auf den neuen Airbus A380 warten und damit auf eine Internetverbindung an Bord von Langstre
n Langstreckenflügen. Wer übrigens des Öfteren in Hongkong zu tun hat, wird vielleicht wissen, wer Terence ist. Terence arbeitet als Butler im örtlichen Grand Hyatt Hotel und kümmert sich in seiner unnachahmlich leisen Art nicht nur darum, dass immer heißer Tee in die Tasse, sondern auch Saft in die erschlafften Akkus mitgeführter Mobiltelefone und Handhelds kommt. Der funktionellste Zeitungskiosk findet sich hingegen in dem japanischen Provinzbahnhof Himeji JR West, während die Fluglinie Asiana die bestgekleideten Flugbegleiter und das Savoy in Helsinki den perfekten Business-Lunch zu bieten hat. Nebenbei bemerkt, sind manchmal auch die einfachen Dinge nicht zu verachten. Schon mal einen Tag in einer wenig anheimelnden Stadt namens Mannheim verbracht? Da hilft nur eins: im Bordrestaurant des ICE verlässt sich die Bahn aufs Hergebrachte und serviert einen prima Wurstteller. Der hilft, besonders in Kombination mit einem ordentlich gezapften Bier, den Glauben ans Geschäft zurück zu gewinnen.Derartige Informationen tragen sicher nicht zum Überleben der Menschheit im Ganzen bei, sind aber auch nicht an jedermann adressiert. Sie finden sich in einer Beilage zur aktuellen Ausgabe von Monocle, einem englischsprachigen Magazin für "globale Angelegenheiten, Business, Kultur und Design". Der kanadische Journalist, Agenturgründer und Verleger Tyler Brûlé gibt das kleinformatige Magazin mit seinem so homogenen wie zurückhaltenden Layout nun seit einem Jahr heraus, und man darf vermuten, dass kaum eine andere Publikation so zielgruppengerecht zugeschnitten ist wie diese. Wer nicht zur Zielgruppe gehört, kann zumindest ein soziologisches Interesse befriedigen.Allein die Lektüre der Doppelnummer für Dezember und Januar verschafft nämlich einen hoch interessanten Einblick in das Leben der Anderen. Wie ein in der Gegenwart situierter Science-Fiction-Roman, also den letzten Büchern J.G. Ballards oder William Gibsons vergleichbar, zeichnet Monocle das Portrait einer besonderen Spezies Mensch: die ist in Flugzeug und Hotel und - was sein Konsumverhalten angeht - generell im obersten Preissegment zu Hause, der jetsettende homo oeconomicus. Ein Typus Mensch, der die Kosten seines Lebens nicht mehr in Geld kalkuliert und höchstens in anderer Währung draufzahlt: mit Nerven, Stress oder körperlicher Ermattung. Er lebt in einem Transit, einer Sphäre beschleunigter Bewegung und Kommunikation, und ist ständig bestrebt, Widerstände klein zu halten. Das Internet muss drahtlos und schnell, die Flugzeugsessel bequem, das Essen leicht und die Fitnessgeräte auf dem neuesten Stand sein. Wer Tyler Brûlés Kolumnen liest, die in der Neuen Zürcher Zeitung, der Financial und New York Times oder im Guardian erscheinen, erfährt, dass der Journalist selbst so lebt. Brûlé, so scheint es, hat den homo oeconomicus nach seinem eigenen Bild geformt. Kaum vergehen zwei Tage, in denen er nicht den Aufenthaltsort wechseln, kaum eine Woche, in der er nicht zumindest einmal die Grenze eines Kontinents überschreiten würde.Erst 39 Jahre ist der in Kanada geborene Tausendsassa alt, und wenn er beim Ausfüllen eines Einreiseformulars noch immer die Berufsbezeichnung "Journalist" einträgt, dann nur aus liebgewonnener Gewohnheit. Er betreibt nämlich zugleich auch eine Design-Agentur, hat das Life-Style-Magazin Wallpaper gegründet und ist so etwas wie der Inbegriff des Trendscouts, des zeitgenössischen Sternenguckers, und überdies Role-Model für alle, die auch elegant, effizient, erfolgreich leben wollen. Die aktuelle Ausgabe von Monocle wirft einen Blick aufs Jahr 2008 und orakelt über wirtschaftliche, militärische, personelle und sogar kulturelle Trends. Ist das die Selbstvergewisserung neoliberaler Abzocker ohne jeglichen Begriff von gesellschaftlicher Verantwortung?Kann man so sehen. Andererseits spielt Monocle längst im Postpolitischen. The World according to Tyler - das ist ein geschmeidiger Raum. Mit einer klaren Ansage: Scheiß auf die Datenschützer, wir wollen Augenscanner, jetzt, an jedem Flughafen, das verkürzt die Wartezeit erheblich! Und: George W. Bush muss endlich verschwinden. Der steht nämlich nur im Weg. Mag sein, dass es Leute gibt, die die eine Forderung mit derselben Vehemenz mittragen, in der sie die andere ablehnen. Inkonsequenz kann man Tyler Brulé deshalb noch lange nicht vorwerfen.
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