Heimat heißt der Schlager der Fernsehfilmsaison. Welche bietet sich von der reichhaltigen Natur, den vielen Geschichten, den knorrigen Gestalten und den günstigen Kooperationsproduktionen von selber an? Natürlich die Alpen. Haben sie es nicht unlängst mit dem imposanten Spektakel über Andreas Hofer - Die Freiheit des Adlers bewiesen, wie gewaltig Geschichten aus der Heimat sein können? Wie Politik, private Beziehungen und nicht zuletzt das Wetter im Gebirge eine explosive Mischung abgeben können und somit die Absicht der Redaktion erfüllen, »keine verklärten Herrgottswinkel bei untergehender Abendsonne zu zeigen, dieses Kitschige, Pudrige, Verlogene der 60er Jahre«? Sondern »unsere Geschichten, die von Haus aus spannend und inhalt
und inhaltsreich, mehr Kinos als Soap« sind?! Tauerngold heißt der zweite Film aus der Reihe Alpendramen des Bayrischen Rundfunks, der mit einer Star-Besetzung von Grimme-Preisträgern und »Schauspielern des Jahres« bis zum Serien-erprobten Regisseur und Autor (Rüdiger Nüchtern) und dem Koautor Stefan Knösel gemacht wurde. Es geht um eine wahre Geschichte aus dem Jahr 1870, als es im Hohen Tauern noch Goldbergwerke gab und damit Reich und Arm, korrupte Beamte und verschuldete Herrschaften. Nur Recht und Gesetz galten nicht viel, eher das Faustrecht und eine gewisse, unkalkulierbare Form der Abhängigkeit von den Machthabern. Der junge und bitterarme Witwer Jakob wandert mit seinem Sohn durchs Gebirge auf der Suche nach Arbeit. Doch in dem Dorf herrscht Bergrat von Feileis, dem Jakob als letztlich strahlender Held in die Quere kommt. Vor dem Happy End allerdings gibt es Irrungen und menschliche Wirrungen, in denen der zehnjährige Gregor Hofmann als Sohn Andris eine bemerkenswerte schauspielerische Souveränität zeigt, vor allem, wenn man weiß, dass dies sein erster Kontakt mit dem Film gewesen ist. Die anderen spielen das, was man sich gemeinhin unter einem Drama in den Alpen vorstellt. Der hochverschuldete, »gute« Bergwerksbesitzer stirbt, seine tapfere Tochter verliebt sich in den armen Witwer, der rettet sie und sich selbst und überhaupt die ganze Ehre, der kleine Andris entdeckt die Goldader, der fiese Bergrat kommt vor lauter Gier um, die armen Leut sind richtig arme Schlucker, und die Bergwelt als solche ist natürlich wunderschön. Fehlt nur noch Luis Trenker, der von einem Berg heruntersteigt. So bekannt kommen einem die Kulisse, die Typen, die Geschichten in den Heimatverfilmungen und ihre emphatische Musikuntermalung vor. Schneestürme, verschneite Schneepässe, raue Bergwelt. So sieht es auch in dem ARD-Film Die Schwabenkinder aus. Eine armselige Kinderkarawane trotzt den Unbillen von Wetter und Seelenleid und körperlicher Erschöpfung. Übers Gebirge bis ins Tiroler Tal müht sie sich zu Fuß, und die Geschichte ist nun wirklich wahr. Aus der Not heraus, weil sie ihre Kinder nicht mehr ernähren konnten, haben sie Tiroler Bergbauern ins Schwabenland an den Bodensee verkauft. Dort mussten sie als Hütejungen und Hausmädchen schuften, wurden oft brutal ausgebeutet und misshandelt. Es ist »Kaspars« Biographie, die Rüdiger Nüchtern verfilmt hat. Den Achtjährigen hatte es besonders schlimm erwischt, er konnte aber vor dem Bauern fliehen und ist mit einem älteren Mädchen, die von ihrem »Herrn« geschwängert wurde, nach Amerika ausgewandert. Von dort kehrt Kaspar nach zwanzig Jahren in seine Heimat zurück, um sich mit seinem sterbenden Vater auszusöhnen. Der Wechsel zwischen den melancholischen, ruhigen Szenen am Todesbett mit den aufwühlenden der allein gelassenen Kinder macht die Spannung der Verfilmung aus, erfährt man doch tatsächlich etwas von der verdrängten Geschichte, die sich heute ähnlich mit den Kinderflüchtlingen aus den Armutsländern abspielen kann. Natürlich gibt es auch hier die Bösewichte wie den Gottverdammten Pfarrer im Dorf und den cholerischen Bauern, die Mitläufer wie den Charakterlosen Vikar, der die Kinder übers Gebirge führt und in Ravensburg verschachert, den »edlen« Jungen und das Happy End. Seltsam unberührt bleibt man jedoch von den Schauspielern, bis auf den zehnjährigen Thomas Unterkircher, der den Kaspar einfach traumwandlerisch authentisch spielt. Wie in Tauerngold für Gregor Hoffman war es auch für diesen Jung-Darsteller seine erste Rolle.Umso erstaunlicher, warum beide Regisseure es nicht fertig brachten, die preisgekrönten, renommierten Erwachsenen entsprechend zu inszenieren. Sie agieren allzu holzschnittartig, das macht die Kamera mit ihren fantastischen Naturaufnahmen auch nicht wett. Irritation stellt sich ein, dass es trotz des hohen Anspruchs, Realität ins Bild zu setzen, nicht gelingt, ihr auch einen gesellschaftspolitischen Rahmen zu geben. Urig allein verklärt zwar nicht, bleibt aber Schicksal. Womit wir wieder bei Luis Trenker in den Sechzigern sind und auf besseres Wetter hoffen.Tauerngold, 13. April, 19.45 Uhr BFS; Schwabenkinder, 16. April, 20.15 Uhr ARD
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