Die Frauen- und Gleichstellungspolitik ist bislang kein besonders hervorgehobenes Profilierungsfeld der rot-grünen Bundesregierung. Es wird versucht, den Reformstau in bestimmten Bereichen redlich abzuarbeiten sowie pragmatisch und detailorientiert Sozial- und Gleichstellungsfördermaßnahmen »im Kleinen« zu verbessern. Grundlegende Veränderungen der Strategien und Inhalte sind nicht auszumachen, alles war irgendwann schon einmal in der Diskussion, konnte aber unter der konservativ-liberalen Koalition nicht durchgesetzt werden. Das gilt z. B. für die Modifizierung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub, für die Frauenförderung in der Wirtschaft, Anti-Gewaltstrategien oder das selbständige Bleiberecht ausländischer Ehefrauen.
Politische Anschlussstellen und rechtliche Hindernisse
Schon in der Vergangenheit ist an einigen neuralgischen Punkten deutlich geworden, was politisch, aber vor allem juristisch durchsetzbar ist und wo Grenzen liegen, die zumindest nicht kurzfristig überwunden werden können. Dies gilt etwa für die verfassungs- und europarechtlichen Voraussetzungen für die Quotierung im Öffentlichen Dienst. Sicherlich lassen sich auch in diesem engen Spielraum Maßnahmen denken, um Quotierung im Öffentlichen Dienst effektiver zu gestalten, aber angesichts der allgegenwärtigen Kürzungs- und Stellenstreichungspolitik müsste dann zunehmend individuell gegen Männer entschieden werden. Dies jedoch greift die bestehenden Loyalitätsstrukturen entsprechender Entscheidungsträger an und weckt bei vielen den Verdacht, der Öffentliche Dienst könnte vielleicht (noch) ineffizienter werden als bisher. Im Bereich der beruflichen Gleichstellung zeigt sich also einmal mehr, dass fast nichts geht, wenn Besitzstände umverteilt werden müssten oder der Staat mehr Geld aufzuwenden hätte.
Der allgemeinen Wirtschaftsfreundlichkeit der SPD entspricht das Vorgehen in der Frage der Frauenförderung in privaten Wirtschaftsbetrieben: Die Regierung setzt (noch) auf Freiwilligkeit. Rechtlich ist das sicherlich nicht verkehrt, ein staatliches Anreizsystem allerdings wäre durchschlagkräftiger. Ob der kürzlich vorgestellte, entsprechende Gesetzesvorstoß der zuständigen Ministerin Bergmann in der Koalition eine Mehrheit finden wird, bleibt abzuwarten.
Auch bei der klassischen Geschlechtergleichstellung im Berufsleben und im Familienrecht scheint derzeit kaum regierungsamtliche Phantasie zu walten. Im Berufsleben stehen Durchsetzungsprobleme und Ressourcenmangel entgegen, im Familienrecht dagegen scheint die Gleichberechtigung auf den ersten Blick hergestellt zu sein, letzte Relikte wie etwa beim Ehenamensrecht sind inzwischen beseitigt, das BGB wurde fast gänzlich geschlechtsneutralisiert, es fand 1998 sogar eine Angleichung der Rechtsbeziehungen ehelicher und nichtehelicher Kinder gegenüber ihren Eltern statt. Dass das Ehe- und Familienrecht aber mit dem Arbeitsmarkt und den Strukturen der Sozialversicherung eng zusammenhängt und Frauen gerade durch diese Zusammenhänge benachteiligt werden, wird in der Rechtspolitik meist ignoriert.
Homo-Ehe: Ein Trojanisches Pferd
Will oder kann man seitens der Regierung also nicht an explizite Strukturreformen heran, so sind die Reformthemen immerhin interessant und könnten gesellschaftspolitische Weichen stellen, bei denen es indirekt um die gesellschaftliche Stellung von Frauen geht. Der Gesetzentwurf zu den eingetragenen Lebenspartnerschaften will einen ersten Schritt tun, um das Recht und die gesellschaftliche Praxis den mittlerweile pluralisierten Lebensformen anzupassen. Dies ist geschlechterpolitisch hochgradig relevant, denn bei der Änderung von Regeln für Lebensformen und bei der finanziellen Förderung bzw. Entlastung von Familien (Erwachsene mit Kindern) müssen die frauenpolitischen Implikationen immer mitgedacht werden - und umgekehrt. Reformprojekte wie die eingetragene Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare (»Homo-Ehe«) und die stärkere Berücksichtigung von Erziehungsleistungen im Steuer- und Sozialversicherungsrecht haben daher eine solche indirekte und eminent wichtige Bedeutung für die »tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung« (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG).
Doch auch auf diesem Gebiet gibt sich die Regierung pragmatisch und systemimmanent. Weder wird das Rechtsinstitut der Ehe und ihre Privilegierung, noch das Ehegattensplitting, noch die abgeleitete Sicherung für Ehefrauen in Frage gestellt. Allenfalls läßt sich in typisch sozialdemokratischer Manier eine Strategie der kleinschrittigen und fast unmerklichen Beschränkung und Entzauberung geheiligter Rechtsinstitute ausmachen. Wo es ums Geld geht, bleibt die rot-grüne Regierung - wie ihre Vorgängerinnen - bei den für den Staat bequemen konservativ-patriarchalischen Strukturprämissen (z. B. der Ehegattensubsidiarität).
Gerade dort besteht jedoch Reformbedarf, wenn Gleichstellungspolitik mehr sein soll als formale Rechtsangleichung plus paternalistische Schutzgesetzgebung. Denn es reicht nicht aus, Frauen gleiche Rechte zu geben, wenn sie faktisch weiterhin alleine für die Familien- und Beziehungsarbeit verantwortlich bleiben und der Staat sie, wenn sie diese Aufgaben übernehmen, auf die abgeleitete Sicherung qua Ehe verweist.
Immerhin bietet die »eingetragene Lebenspartnerschaft« die Möglichkeit, die gesellschaftspolitische Richtung grüner Reformen zu verdeutlichen, nämlich Pluralität und Gleichheit in der Differenz zu fördern. Die Reform wurde maßgeblich von den Bündnisgrünen initiiert. Wenn auch durch den Gesetzentwurf das Eheprivileg gerade nicht (direkt) in Frage gestellt wird, bieten sich im Erfolgsfall geschlechterpolitisch auf längerfristige Sicht einige Anknüpfungspunkte für weitergehende Veränderungen von Beziehungen, Familien und Lebensformen.
So wird durch das Realsplitting für trennungswillige gleichgeschlechtliche PartnerInnen schon der Verzicht auf das Ehegattensplitting in bestehenden Ehen vorbereitet. Es bleibt zu hoffen, dass die neu entstehenden Ungleichheiten zwischen heterosexuellen nicht-verheirateten Paaren und homosexuellen nicht-eingetragenen Lebensgemeinschaften im Hinblick auf finanzielle Einstandspflichten dazu führen, dass diese am Ende für alle Betroffenen gelockert werden müssen.
Die betonte Immanenz der Reformvorschläge zur sog. Homo-Ehe macht deutlich, dass auch die Bündnisgrünen als Newcomer-Mitregierungspartei den allgemeinen Imperativen politischer Opportunität und zeitgeistiger Vermittelbarkeit unterliegen. Frauen- und Geschlechterpolitik ist kein besonders geeignetes Thema zur Profilierung, nicht einmal für Politikerinnen, weil sie sich der Gefahr aussetzen, in einer unbedeutsamen Politnische zu versacken. Zudem befindet sich das Frauenressort auf Bundesebene in sozialdemokratischer Führungshand.
Wie bei anderen Themen steckt die Partei strukturell im einem Dilemma: Dringen sie auf radikalere Reformen als die SPD, werden sie als realitätsfern abgewertet und können sich nicht durchsetzen, lassen sie sich aber von vornherein zu sehr auf die sozialdemokratische »Leisetreterei« ein, verlieren sie Anhänger im links-alternativen Spektrum und gelten als Umfaller an den »Fleischtöpfen der Macht«. Wie sich grüne PolitikerInnen angesichts dessen nun verhalten sollten, müsste sachbezogen punktuell bestimmt werden. Es bleibt sicherlich eine Gratwanderung.
Dr. Sabine Berghahn ist Juristin und Politikwissenschaftlerin an der Freien Universität Berlin.
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