Die Konkurrenz durch das Internet lässt eine Zeitung nach der anderen verschwinden. In den USA werden fast täglich Zeitungen geschlossen. In 18 Monaten seien 80 Prozent aller US-Zeitungen vom Markt verschwunden, prophezeien Beobachter. Die Tageszeitung habe keine Zukunft mehr, schließen sich auch deutsche Experten den Prognosen an. Zuletzt gelegentlich zweistellige Rückgänge bei den Werbeeinnahmen und massive Auflageneinbrüche scheinen die trüben Aussichten zu belegen.
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Lotta Sutter über die Krise der Presse in den USA
Flankiert wird das Zahlenwerk zur weltweiten Zeitungskrise vom medienwirksam als Kulturkampf ausgetragenen Streit zwischen Bloggern und Journalisten. Beinahe wöchentlich finden irgendwo Podiumsdi
#252;ber die Krise der Presse in den USAFlankiert wird das Zahlenwerk zur weltweiten Zeitungskrise vom medienwirksam als Kulturkampf ausgetragenen Streit zwischen Bloggern und Journalisten. Beinahe wöchentlich finden irgendwo Podiumsdiskussionen, Symposien und Tagungen statt, bei denen vom immer wieder gleichen Personal das Ende des Journalismus debattiert wird. Fast wird der Abgesang auf den Journalismus zur Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für reisende Apokalyptiker.Der von der Krise besonders geschüttelte US-Zeitungsmarkt wartet mit Zahlen auf, die die Diskussion sachlich in eine etwas andere Richtung lenken könnten. Seit 2004 lässt die Newspaper Association of America (NAA), die mehr als 2000 Zeitungen in den USA und Kanada repräsentiert, vom Medienforschungsunternehmen Nielsen Nutzeranalysen durchführen.Bereits im April 2008 hatte die NAA einen Rekord vermeldet. Die Zahl der Nutzer von Online-Angeboten der Zeitungen war binnen Jahresfrist um 12,3 Prozent auf einen Anteil von 40,7 Prozent aller Unique Visitor gestiegen. Sowohl die Zahl der Zugriffe als auch die Page Views waren so hoch wie nie zuvor seit Beginn der Erhebungen. Eine zugleich publizierte Studie belegte zudem, dass die Leser der Online-Angebote von Zeitungen politisch aktiver seien als die übrigen Internet-Nutzer und über eine bessere Medienkompetenz verfügen.Analyse erwünschtDie Zahlen für 2009 bestätigen den Trend. Im ersten Quartal 2009 stiegen die Nutzerzahlen um weitere 10,5 Prozent auf einen Anteil von 43,5 Prozent aller Internet-Nutzer. 73,3 Millionen Unique Visitors rufen jeweils durchschnittlich gut achtmal monatlich Zeitungsangebote auf, verbringen dort knapp 44 Minuten und rufen 48 Seiten auf. Die Gesamtzahl der Pageviews stieg um 12,8 Prozent auf 3,5 Milliarden gegenüber dem ersten Quartal 2008.Eine parallel durchgeführte Umfrage der Nielsen-Tochter Scarborough Research belege, so die NAA, dass die Online-Angebote genau die Zielgruppen erreichen, die für Werbung relevant sind, insbesondere überdurchschnittlich viele gut ausgebildete, gut situierte Hausbesitzer mit einem Haushaltseinkommen von mehr als 100.000 Dollar. In einer weiteren Studie in 81 lokalen Märkten kommt Scarborough zu dem Ergebnis, dass drei Viertel aller erwachsenen Leser der USA wöchentlich Zeitungen sowohl im Print als auch online lesen.Bei der NAA interpretiert man den Trend erstmals weniger vom Werbetreibenden als vom Leser aus. Die Rekordzahlen seien ein Beweis dafür, dass das Publikum sich in zunehmendem Maße auf die Sorgfalt und Zuverlässigkeit bei der Berichterstattung von Zeitungen verlasse. Angesichts des steigenden Informationsangebots aus allen möglichen Quellen steige auch das Bedürfnis nach glaubwürdig fundierten Analysen und Hintergrundinformationen. Das könnte leeres Wortgeklingel gegen den programmierten Untergang sein. Deutsche Alpha-Blogger kaprizieren sich gern auf Fehler in der Berichterstattung traditioneller Medien.News-AggregatorenDer Befund aus den USA wird jedoch durch Ergebnisse des groß angelegten jährlichen State of the News Media-Report des unabhängigen Pew Research Center in Washington untermauert. Neben dem diskutablen Qualitätsanspruch ziert die Presse ein überaus schlichtes Alleinstellungsmerkmal. Hauptaufgabe der Presse ist die Beschaffung von Informationen und deren Zurverfügungstellung als Nachrichten. Die US-Forscher haben bereits 2008 widerlegt, dass Blogs geeignet seien, diese Aufgabe zu übernehmen. Der entsprechende Input durch Blogs habe sich entgegen früherer Annahmen als minimal erwiesen.In Deutschland bestätigen die wenigen in Blogs erstveröffentlichten nachrichtlich relevanten Informationen der letzten Jahre dieses Forschungsergebnis. Auch die Kritik, die Zeitungsseiten würden vielfach über News-Aggregatoren wie Google News, MSNBC und Co. angesteuert, ist eher ein Beweis als ein Gegenargument. Die Aggregatoren werten als Quellen die traditionellen Medien aus, was übrigens auch für die gerühmte Huffington Post oder den Drudge Report gilt.Ob die neuesten Zahlen für den deutschen Werbemarkt gewisse Erkenntnisse in diesem Kontext bereits wiederspiegeln, lässt sich nicht genau sagen, da entsprechende Erhebungen nicht durchgeführt wurden. Die deutschen Nielsen-Medienforscher veröffentlichten soeben ihre Werbe-fixierten kumulierten Zahlen für den Zeitraum von Januar bis Mai 2009. Bei durchschnittlichen Verlusten aller Medien in Höhe von 3,4 Prozent brach der Werbemarkt für Publikumszeitschriften um 16,1 Prozent ein. Die zuletzt als krisenfest gehandelten Fachmagazine büßten 9, 4 Prozent ihrer Werbeumsätze ein. Die deutschen Tageszeitungen verbuchten ein Plus von immerhin einem Prozent. Vielleicht befördert das Internet gar nicht das Ende des Journalismus, sondern dessen Krönung.