Alternative Indikatoren

Hintergrund Mittlerweile gibt es eine Fülle von Indizes, die weniger einäugig sein wollen als das Brutto-Inlandsprodukt. Sechs Vorschläge, die in der Diskussion stehen

Human Development Index

Der Index der menschlichen Entwicklung (HDI) wird vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen seit 1990 erhoben und jährlich im Human Development Report veröffentlicht. Entwickelt wurde der HDI von dem pakistanischen Ökonomen Mahbub ul Haq und dem indischen Nobelpreisträger Amartya Sen. Ihr Ziel war es, einen Index zu schaffen, der neben dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Maßstab der ökonomischen Entwicklung einer Nation auch soziale Kriterien berücksichtigt, nämlich die Gesundheit und den Grad der Bildung einer Bevölkerung. Die drei Hauptdimensionen des HDI sind:

1. Allgemeine Lebenserwartung

2. Grad der Bildung der Bevölkerung – errechnet aus der durchschnittlichen Anzahl absolvierter Schuljahre pro Person

3. Der ökonomische Lebensstandard, gemessen am BIP pro Kopf

Der Index führt Staaten auf, für die Daten vorliegen – zurzeit sind es 169. Auf Platz eins des Index steht Norwegen. Deutschland hat sich im Vergleich zu 2005 verschlechtert und belegt Platz zehn, die USA Platz vier, an letzter Stelle steht Simbabwe.

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Genuine Progress Indicator

Für das Bruttoinlandsprodukt ist es unerheblich, ob Investitionen gesundheitliche oder ökologische Folgekosten haben oder Güter nur geschaffen wurden, weil eine Naturkatastrophe diese vorher zerstört hat. Das BIP steigt in beiden Fällen, obwohl ersteres für das Wohlergehen einer Bevölkerung sicherlich abträglich ist, während letzteres einem Nullsummenspiel gleichkommt. Diese Verzerrung gleicht der Genuine Progress Indicator (GPI), übersetzt etwa „wirklicher Fortschrittsindikator“, dadurch aus, dass er Folgekosten von Verschmutzungen für Umwelt und Gesundheit von der Bilanz abzieht. 1995 von Clifford Cobb für die kalifornische Nichtregierungsorganisation „Redefining Progress“ entwickelt, gehört der GPI zu den Indizes, die aufzeigen sollen wie nachhaltig eine Nation agiert. Der Index basiert auf 26 sozialen, ökologischen und öko- ­logischen Variablen. Einbezogen werden unter anderem Einkommensungleich­gewichte, Ressourcenverbrauch, aber auch ehrenamtliche und Haushaltsarbeit. Im Fall der USA stagniert der GPI seit Ende der siebziger Jahre.

Nationaler Wohlfahrtsindex

Der Nationale Wohlfahrtsindex (NWI) ist 2008 von Roland Zieschank von der Forschungsstelle für Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin und dem Ökonom Hans Diefenbacher von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg im Auftrag des Umweltbundesamtes erstellt worden. Angelehnt an den Genuine Progress Indikator möchte der NWI die ökologische Tragfähigkeit, zukunftsfähige ökono­mische Entwicklung und den sozialen Frieden einer Nation in Beziehung setzen, um Handlungsempfehlungen für Politik und Gesellschaft aufzuzeigen.

Der NWI basiert auf 21 Variablen. Während sich Hausarbeit, Ehrenamt, öffentliche Ausgaben für Bildung und Gesundheit und ein geringes Einkommensungleich­gewicht positiv auf die Bilanz auswirken, zeigen Schäden an Luft, Boden, Gewässern, Gesundheit und Verkehr, negative Effekte. Gleiches gilt für übermäßigen Ressourcenverbrauch, zum Beispiel von Böden und Wäldern. Für Deutschland ist der NWI bis zum Jahr 2000 gestiegen und nimmt seither ab.

Gross National Happiness

Am Beispiel des Bruttonationalglücks wird deutlich, wie eng die Diskussion um die Messung der Wohlfahrt mit der Frage nach einem gesellschaftlichen Leitbild zusammenhängt. 1972 wurde GNH in Buthan von König Jigme Singye Wangchuck mit der Begründung eingeführt, dass eine glückliche Bevölkerung erstrebenswerter sei als reiner wirtschaftlicher Aufschwung. Darin spiegelt sich zum einen der Einfluss des buddhistischen Glaubens wieder, der in Buthan Staatsreligion ist. Zum anderen ist es aber auch eine Reaktion auf die Erfahrungen des Nachbarlandes Nepal, in dem der wirtschaftliche Aufschwung nicht den erhofften Wohlstand brachte. Das Bruttonationalglück berechnet sich aus neun Variablen. Unter anderem sind dies das physische und psychische Wohlbefinden, die Bildung, Zeitnutzung, Intensität des Zusammenlebens und gute Regierungsführung. Das Konzept hat weltweit große Beachtung gefunden. In einer Weiterentwicklung des Bruttonationalglücks, dem „Happy Planet Index“ der New Economics Foundation, belegt Costa Rica Platz eins.

Ökologischer Fußabdruck

Der ökologische Fußabdruck misst nicht die gesellschaftliche Wohlfahrt, sondern stellt einen Bezug zwischen den global und national vorhandenen Ressourcen und dem Verbrauch einer Bevölkerung her. Die Messgröße ist der „globale Hektar“, das heißt die Fläche, die nötig wäre, um den Konsum einer Person zu befriedigen. Rein rechnerisch stehen jedem Menschen auf der Welt 1,8 Hektar zur Verfügung. Ein Deutscher benötigt zur Deckung seines Konsums im Durchschnitt 5,09 globale Hektar (WWF 2010), während ein Mensch in Bangladesch mit 0,62 Hektar auskommt. Den größten Fußabdruck haben die Menschen in den Vereinigten Arabischen Emiraten mit 10,7 Hektar.

Der ökologische Fußabdruck bezieht folgende Kategorien ein: Nahrung, Mobilität, Haushalt, Konsumgüter und Dienstleistungen. Entwickelt wurde der Messwert 1994 von William Rees und Mathis Wackernagel von der University of British Columbia in Kanada und wird heute vor allem von Nichtregierungsorganisationen verwendet, um auf die begrenzten Ressourcen der Erde aufmerksam zu machen.

Big Mac Index

Dass auch mit ungewöhnlichen Messgrößen Aussagen getroffen werden können, zeigt der Big Mac Index, der 1986 von der Journalistin des britischen Economist Pam Woodall entwickelt wurde. Er vergleicht die Preisunterschiede von Big Macs in

verschiedenen Ländern und erlaubt Rückschlüsse sowohl auf die Über-, respektive Unterbewertung einer Währung als auch auf deren Kaufkraft. Das Prinzip ist einfach: Big Macs werden in etwa 140 Ländern verkauft und setzen sich aus den gleichen Zutaten zusammen. Wenn man den je­weiligen Preis in US-Dollar umrechnet und mit dem eines Big Macs in den USA vergleicht erfährt man zum Beispiel, dass der Big Mac in Norwegen 7,20 Dollar kostest, während er in den USA für 3,73 Dollar zu haben ist. In China kostet er dagegen nur 1,95 Dollar. Letzteres lässt darauf schließen, dass der Yuan unterbewertet, während die Krone überbewertet ist. Allerdings wird der Preis nicht nur durch den Wert der Währung bestimmt, sondern auch durch unterschiedliche Lohn- und Mietkosten.

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