Eigentlich kann man dem Alleinunterhalter vor dem DFB-Museum keinen Vorwurf machen. Normalerweise ist You’ll Never Walk Alone in Dortmund eine sichere Nummer. Jedes Wochenende hallt der Song von den Rängen des Stadions. Nur ausgerechnet heute und hier, vor dem soeben neu eröffneten Fußballmuseum, wirkt er irgendwie fehl am Platz. Vielleicht ahnt das auch der Alleinunterhalter. Aber er scheint ein Profi zu sein, also steht er tapfer auf der Bühne, im Rücken eine potemkinsche Playbackband, und schmettert es heraus: „Walk on, with hope in your heart, and you’ll never walk alone.“
Sollte es jemals einen guten Moment für die Eröffnung eines Fußballmuseums geben oder gegeben haben: Heute ist es defintiv der falsche. Sonntagmorgen, di
. Sonntagmorgen, die Wolken hängen tief. „Fritz-Walter-Wetter“, findet eine Gruppe angereister Fußballfans. Es begrüßt sie die Dortmunder Bahnhofsluft: Basisnote kalter Schweiß, Kopfnote verbranntes Öl, Herznote Eibrötchen. Einen Tag zuvor ist der Spiegel erschienen, mit neuen Anschuldigungen gegen den ohnehin schon angeschlagenen DFB. Zwei Hauptakteure der Affäre, Franz Beckenbauer und Günter Netzer, sind der Eröffnungsgala des Museums am Vorabend dann auch diskret ferngeblieben.Günter Grass trägt FreiburgVom Bahnhof bis zum Museum sind es keine hundert Meter. 250.000 bis 300.000 Besucher jährlich erhofft man sich, durchschnittlich wird mit einer Verweildauer von vier Stunden gerechnet. Bei einem Eintrittspreis von 17 Euro beträgt die Verweildauer der Dortmund-Fans, die sich am Eröffnungstag der Ticketschlange nähern, aber keine zehn Minuten. 30 Millionen kostete der Bau, der größte Teil wurde vom Land Nordrhein-Westfalen übernommen, vom Steuerzahler. Auch Sponsoren sind beteiligt, etwa Adidas und Mercedes, und jenen wird in der Ausstellung dann auch viel Raum geboten.Per Rolltreppe geht es für den Besucher zunächst nach oben, in die „erste Halbzeit“. An den Wänden links und rechts blicken ihn Fußballfans verschiedener Clubs aus einem riesigen Wimmelbild heraus an. Der erste namentlich benannte Beitrag zur Fankultur ist ein Porträt von Günter Grass, eingehüllt in einen Schal des SC Freiburg. Oben angekommen, erreicht man die schwarze Ausstellungsfläche. Gut 1.600 Exponate werden hier zum ersten Mal öffentlich gezeigt, etwa der Final-Schuh von Mario Götze, an dem immer noch ein Paar Krumen aus dem Maracana-Stadion kleben. Im ersten Separee ist der WM-Ball von 1954 zu sehen, in der großen Halle die Schuhe von Helmut Rahn und andere historische Spieler-Devotionalien.Sechs Tage vor der Eröffnung hatte das Fußballmuseum zu einem Pressetermin geladen. Der Vorplatz war abgesperrt, irgendwo im Gebäude plärrte noch eine Bohrmaschine. Der in Bedrängnis geratene DFB-Präsident Wolfgang Niersbach sagte ganze drei Sätze zur aktuellen WM-Affäre – und gab dann weiter an Ullrich Sierau, den Dortmunder SPD-Bürgermeister, der verlauten ließ, dass er zu den Mutmaßungen um Bestechungsgelder beim sogenannten Sommermärchen 2006 eine ganz „eigene Meinung“ habe. Besser als in Manchester sei das Dortmunder Fuballmuseum, besser auch als das in Barcelona, sagte Sierau. Ein Jahrhundertprojekt! Gründungsdirektor Manuel Neukirchner zeigte sich stolz, nicht nur ein Museum, nein, sondern ein „Museum 2.0“ zu leiten. Das Haus sei als „Ballfahrtsort“ zu verstehen, erlebnisorientiert, multimedial.Mir der Multimedialität ist es allerdings so eine Sache. Eigentlich könnte man allein im ersten Teil der Ausstellung schon gut zwei Stunden verbringen. Dort wird etwa die Geschichte des DDR-Teams beleuchtet, gegenüber führen einzelne Exponate durch 115 Jahre DFB-Geschichte. Genug Material für einen halben Tag sogar. Doch die angepriesene Multimedialität jagt einen förmlich durch die Exponate. Kaum verdunkelt sich das Licht in der Haupthalle, strömen die Besucher aus allen Ecken herbei, um auf den Videowänden den legendären Foul-Elfmeter von Paul Breitner aus dem Jahr 1974 zu sehen. In einem anderen Raum werden die WM-Spiele von 2014 auf einen Ball projiziert, in einem 3-D-Kinosaal führen die Weltmeisterhelden jenes Jahres – mit schauspielerischen Meisterleistungen – durch einzelne Spiele des Turniers.Es ist eine Dortmunder Tugend, misstrauisch zu sein, wenn es um die Kommerzialisierung des Fußballs geht. Zu viel hat die Borussia in ihren Krisenjahren vor der Ära Klopp schon verramscht. Insbesondere das schöne Westfalenstadion, das heute zwar noch so aussieht wie einst, nun aber Signal-Iduna-Park heißt. Als wäre es ein Wellnessareal, in dem privatversicherte Langzeitrenter ihre Kneipbahnen laufen.Klar, dass auch das Fußballmuseum nicht von der Dortmunder Skepsis verschont bleibt. Andrerseits ist im vom Strukturwandel gebeutelten Dortmund im Grunde jeder neue Bau schön. Am Nordausgang des Hauptbahnhofs könnte man problemlos Wir Kinder vom Bahnhof Zoo nachstellen. Da bröckeln hochdekorativ bis dramatisch die Fliesen von der Wand. Für den DFB-Protzbau verschenkt die Stadt derweil ganz locker das Baugrundstück.Placeholder infobox-1