Die taz nrw köln vom 7. Juni ziert auf Seite eins ein vertrauter Anblick: ins Gespräch vertieft, ein Israeli und ein Palästinenser, Amos Gvirtz vom Israeli Committee Against House Demolitions und Noah Salameh, Leiter des Zentrums für Konfliktlösung und Versöhnung in Bethlehem. Beide Aktivisten - Teilnehmer der Internationalen Konferenz für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel vom 5. Juni in Köln - sind konsequente Verfechter eines gewaltfreien Vorgehens, auch in der Konfrontation mit der Gewalt der Besatzung. Wie das International Solidarity Movement (ISM) versuchen sie, davon zu überzeugen, es gibt Alternativen zur Gewalt - gewaltfreier Widerstand kann erfolgreich sein. Um so verblüffender das herbe Verdikt unter dem Foto: "Auf der Kölner Konferenz gegen den israelischen Sicherheitszaun waren die Hardliner am Werk".
"Eine kontroverse Debatte", echauffiert sich der taz-Schreiber des weiteren, sei "nicht mal" zustande gekommen, als auf einem der Kölner Podien "über gewaltlose internationale Kampagnen gegen Mauer und Besatzung beratschlagt wurde". Völlig ausgeklammert habe man, dass es die Hamas und den Islamischen Jihad gebe, die bekanntlich jeden Versuch einer Verständigung torpedierten. Der Logik dieser Kritik zu folgen, ist schier unmöglich. In der Tat - es besteht keine Kontroverse in der breiter werdenden internationalen Bewegung gegen die Besatzung, dass gewaltfreier Widerstand die legitime Form des Widerstands ist angesichts der militärischen Übermacht Israels gegenüber einer unbewaffneten palästinensischen Zivilbevölkerung. Folglich bestand auf der Kölner Konferenz auch kein Dissens darüber, dass bewaffnete Angriffe auf Zivilisten kein legitimes Mittel des israelischen Widerstands sind.
Welche "Kontroverse" wünscht sich der taz-Autor eigentlich?
Wohlwollend hingegen berichtete die Zeitung bereits im Vorfeld über die Kundgebung vor den Toren der "anti-israelischen" Konferenz und forderte in diesem Kontext auch keine "kontroverse Debatte" darüber, worin denn die geforderte "Solidarität mit Israel" bestehen soll. Der bei dieser pauschalen Solidarität implizierte Bezug auf die gesamte israelische Gesellschaft als einen monolithischen Block ist - vor allem für Israelis und für Juden - befremdlich, wenn nicht Schlimmeres.
Keinerlei Achtung bringen die gnadenlosen Israel-Fans und Berichterstatter der taz den zahlreichen israelischen und jüdischen Teilnehmern auf den Podien und im Publikum der Konferenz entgegen. Sind sie von der "Solidarität mit Israel" ausgenommen? Gilt diese Solidarität nur Premierminister Sharon und den Mächtigen in Israel?
Professor Raz-Krakotzkin von der Ben Gurion University hält die Besatzung und sogar das zionistische Projekt insgesamt für ein kolonialistisches Unternehmen. Das heißt natürlich nicht, dass er - in "jüdischem Selbsthass" - seine Heimat Israel ablehnt oder gar zerstört wünscht. Aber wie nicht wenige Israelis, die sich als "antikolonialistisch" bezeichnen, wagt er es, sich ein anderes Israel vorzustellen, eine Gesellschaft, die mit den palästinensischen Nachbarn gleichberechtigt lebt. Diese Vision teilt er mit Miri Weingarten, die den Konferenzteilnehmern eine Übersicht über die zahlreichen "antikolonialistischen" israelischen Gruppen gibt. Sie sind Partner der Internationalisten im immer enger geknüpften Netz der Solidarität, von dem auch Heidi Niggemann aus Berlin berichtet: Bald nachdem die Zweite Intifada, ein Aufstand Steine schleudernder Jugendlicher, gegen eine zurückschießende Armee begonnen hatte, gründeten Palästinenser, Internationale und eine Israelin das bereits genannte International Solidarity Movement, um das zu leisten, was auf offizieller/institutioneller Ebene fehlt: die Unterstützung des gewaltfreien palästinensischen Widerstands durch die direkte Aktion und die Präsenz vor Ort. Etwa zur gleichen Zeit folgten weltweit soziale Bewegungen wie die Landlosen in Brasilien, die sans papiers in Frankreich oder die Disobedienti in Italien diesem Modell.
Seither kommt allein aus Frankreich jede Woche eine Gruppe von Aktivisten nach Israel/Palästina, um den Palästinensern das Ausharren in ihren Dörfern und auf ihrem Land unter dem wachsenden Druck der Besatzung ermöglichen zu helfen - seit durch den Bau der Apartheidmauer eine palästinensische Gemeinde nach der anderen von ihrem Land, ihren Wasserressourcen und jeglicher Verbindung zur Außenwelt abgeschnitten wird.
Von der Mühsal dieses Ausharrens erzählt Sharif Omar, ein Bauer aus dem Dorf Jayous, dessen Ländereien vollständig durch die Mauer abgetrennt wurden. Um das Tor in der Mauer passieren zu dürfen und ihr eigenes Land erreichen zu können, müssen die Bewohner eigens Anträge stellen, denen häufig nicht stattgegeben wird. Lange weigerten sie sich kollektiv, diese illegitime Prozedur zu akzeptieren und stellten keine Anträge. Manche konnten es schließlich nicht mehr mit ansehen, wie ihre Ernte verdorrte. Einmal auf ihrem Land angekommen, harrten sie wochenlang von ihren Familien getrennt dort aus. Isoliert und ohne die Präsenz ihrer israelischen und internationalen Mitstreiter könnten die palästinensischen Gemeinden entlang des Separationswalls wohl nicht standhalten.
Die eigentliche Neuigkeit auf der Konferenz war, dass diese breite internationale Bewegung gegen die Besatzung nun endlich auch in Deutschland angekommen ist.
s. auch zur Kampagne gegen die Apartheidmauer:
www.stopthewall.org
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