Thomas de Maizière tut einen Teufel, sich zur Kanzlerfrage zu äußern. Er wolle, verkündet er brav, auch nach der Bundestagswahl Verteidigungsminister bleiben. Und widmet sich mit Verve seiner Pflicht, egal ob es um Afghanistan geht oder, wie jetzt, um Mali: Da hört man ihn reden von der „nachhaltigen Stabilisierung“ gegen „die Islamisten“, an der Deutschland sich allerdings nur begrenzt beteiligen könne, denn – so viel Wahrheit muss sein: „Das ist ein altes französisches Interessengebiet.“ Genauer muss man ja nicht werden: Gold, Uran, ethnische Unterdrückung, die „den Islamisten“ erst den nötigen Zulauf brachte – wer will das so genau schon wissen?
Nur nicht zu deutlich werden - so macht man sich beliebt in Deutschland. Im Sympathie-Ranking steht de Maizière auf Platz zwei hinter Angela Merkel. Und still genießt er wohl die nicht endenden Spekulationen, er könnte Kanzler werden, wenn Angela Merkel nicht mehr will, vielleicht zur Mitte der nächsten Legislaturperiode. Oder erst mal Oppositionsführer mit Kanzler-Ambitionen, wenn die Wahl im September verloren geht. Er bestätigt nichts, er dementiert nichts. Und er wahrt damit für sich jede Chance. In den CDU-Vorstand hat er sich beim Parteitag im Dezember schon mal wählen lassen – mit dem fast Merkel’schen Ergebnis von mehr als 96 Prozent.
De Maizière wäre ein wahrhaft würdiger Nachfolge-Kandidat, denn sein politisches Handeln weist verblüffende Ähnlichkeiten mit den Erfolgsrezepten der amtierenden Kanzlerin auf. Wie seiner Chefin gelingt es ihm nahezu perfekt, eine knallharte politische Ausrichtung hinter einer gefälligen Fassade zu verbergen.
Militarisierung des Denkens
Der Minister hat es dabei mit einer Öffentlichkeitzu tun, die der Militarisierung der Außenpolitik, den Kampfeinsätzen in aller Welt, der bewaffneten Verteidigung ökonomischer Interessen und dem skrupellosen Waffenexport weitgehend skeptisch gegenübersteht. Für diese skeptische Öffentlichkeit verfügt Thomas de Maizière über ein verbindliches, im Umgang sehr angenehmes, also seinerseits geradezu „ziviles“ Auftreten. Und das nutzt er virtuos, wenn es darum geht, die Zivilgesellschaft „abzuholen“, um sie an die Militarisierung des Denkens zu gewöhnen.
Ala Maske dient dem Juristen, der am vergangenen Montag 59 Jahre alt wurde, nicht etwa eine Aura weitgehender Harmlosigkeit, wie Angela Merkel sie bei Bedarf verbreitet. Bei de Maizière ist es die rhetorische und auch intellektuelle Brillanz, über die er, anders als die Kanzlerin, verfügt.
Sie hilft ihm, selbst die Haltung von Skeptikern und Gegnern in Argumente für seine Politik zu verwandeln. Er kommt dabei auf leiseren Sohlen daher als einst der Grüne Außenminister Joschka Fischer, der Auschwitz als Argument für neue Kriege benutzte. Das geht heute dezenter, vielleicht auch deshalb, weil die Gewöhnung an Militäreinsätze im öffentlichen Diskurs längst eingesetzt hat.
Heute merkt es kaum noch jemand, wenn der Verteidigungsminister aus fortschrittlichen Gedanken wie der Sozialpflichtigkeit des Eigentums Begründungen für weltweite Militär-Interventionen macht: „Ich bin überzeugt davon, dass aus Wohlstand auch Verantwortung erwächst. Das ist ein Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft: Eigentum verpflichtet.“ Wer da nicht weiter zuhört, könnte glatt verpassen, dass nichts anderes gemeint ist als die „Pflicht“ zur Verteidigung des Wohlstands durch Krieg. Der nächste Satz nämlich lautet: „Unser Reichtum entsteht durch Verflechtung in der Welt, durch Handel, durch Export und Import. Wir können nicht sagen, um die globale Sicherheit, von der wir sehr profitieren, sollen sich andere kümmern.“
Panzer für Saudi-Arabien
Klar, dass man sich vor diesem Hintergrund vom Vorrang der Menschenrechte verabschieden muss: „Man kann nicht bei jeder Menschenrechtsverletzung Soldaten in ein fremdes Land schicken“, sagte der Minister vor nicht allzulanger Zeit. Wer glaubt, da klinge eine prinzipielle Zurückhaltung gegenüber Militärinterventionen durch, wird schnell eines Anderen belehrt. Zum Beispiel durch die verteidigungspolitischen Richtlinien vom Mai 2011: „In jedem Fall ist eine klare Antwort auf die Frage notwendig, inwieweit die Interessen Deutschlands … den Einsatz erfordern.“
So sickert aus den schönen Worten tröpfchenweise der neue Diskurs: In sanften Tönen werden die Deutschen langsam aber stetig eingestimmt auf eine Zukunft, in der Kriege, massenhafter Waffenexport und „Veteranentage“ (wie der Verteidigungsminister sie einführen möchte) als Normalität akzeptiert und nicht mehr grundsätzlich infrage gestellt werden sollen.
Eine Zukunft, in der Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien nicht mit Menschenrechts-Argumenten kritisiert werden. De Maziere jedenfalls sieht die Sache so: „Einfach zu sagen, Menschenrechte sind hier das alleinige Kriterium, reicht nicht aus.“Eine Zukunft, in der Kriege mit Hilfe von Droheneinsätzen auch von Deutschen so geführt werden, also ob man ein Computerspiel spiele.
Ja, Thomas de Maizière verfügt über jene Mischung aus Geschmeidigkeit im Ton und geschickt verdeckter Eindeutigkeit in der Sache, die ihn als würdigen Nachfolger einer Angela Merkel erscheinen lässt. Nur gehen muss sie noch. Aber de Maizière ist zu klug, auch nur den Eindruck zu erwecken, er wolle dafür etwas tun. Was seine Chancen nur zusätzlich erhöht.
Stephan Hebel ist Redakteur und politischer Autor der Frankfurter Rundschau. Ende Februar erscheint sein Buch Mutter Blamage. Warum die Nation Angela Merkel und ihre Politik nicht braucht Thomas de Maizière (59) will die Interessen des Landes auf der ganzen Welt verteidigen. Erstaunlich, dass sich daran kaum noch einer stört
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