In München will FrauenWohnen einer Utopie näherkommen: Geplant ist eine genossenschaftlich organisierte Frauenwohnanlage, eine solidarische Frauengemeinschaft. Nicht nur Wohn-, sondern Lebensraum für Junge, Alte, Familien, Alleinstehende, Wohngemeinschaften oder Paare. Hier sollen Frauen zum Zuge kommen, weil sie auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt sind. Weil sie wenig verdienen, oder weil bezahlbarer Wohnraum am Bedarf vorbei geplant wird. Sozialwohnungsgrundrisse bieten zu wenige und zu kleine Räume und benachteiligen Frauen mit Kindern. Alleinerziehende trifft das um so härter, als sie in der Regel extrem sparsam und somit beengt leben müssen. Viele der an FrauenWohnen interessierten Frauen fühlen sich auch in ihrem bisherigen Wohnumfeld isoliert und möchten daran etwas ändern.
Inzwischen sind die Träume von einem frauenbetonten Miteinander zum konkreten Bauvorhaben geworden und aus dem Verein eine Genossenschaft. 100 FrauenWohneinheiten sollen entstehen, zentral gelegen und gut erreichbar im "Filetstück" eines neuen Stadtquartiers, dem Ackermann-Bogen. Das Gelände grenzt an den umtriebigen Münchner Stadtteil Schwabing und die Grünflächen des Olympiaparks. Bis 1990 war hier Sperrgebiet für Zivilisten: in der Waldmann-Stetten-Kaserne hausten Soldaten; die Chaussee im Süden heißt bis heute Schwere-Reiter-Straße.
Jetzt ist dieser ehedem kriegerische Ort ein Vorzeigeprojekt der Stadt München. Geplant sind 2.400 Wohnungen in viel Grün, dazu Schulen, Kindergärten, Läden und Arbeitsplätze. Ein ökologisch vorbildlicher Stadtteil soll entstehen. Mehrere Bürgergruppen beteiligen sich am Projekt. Ein Bündnis von Umwelt-Initiativen und die künftigen BewohnerInnen bringen die Ideen der Lokalen Agenda 21 ein.
Zusammen mit dem Wohnprojekt WAGnis hat sich FrauenWohnen um ein Grundstück auf diesem Gelände beworben. Die Stadt habe diese Wohnprojekte als Bauträger anerkannt, sagt die Vorstandsfrau und Architektin Ruth Balden. Wenn FrauenWohnen das Grundstück wie vorgesehen Ende 2000 kaufen kann, könnten die ersten Genossinnen 2003 einziehen. Die Architektin Helma Sauer erläutert das Planungskonzept an einem Modell: zwei langgestreckte Baukörper, verbunden durch einen grünen und autofreien Innenhof. Er bietet Raum für Kommunikation, einzelne Sitzgruppen laden zum Gespräch. Die BewohnerInnen erreichen von hier aus die Gemeinschaftseinrichtungen - Café und Werkraum - und über Treppen und Laubengänge ihre Wohnungen.
An den entgegengesetzten Hausfronten liegt der geschützte, private Bereich: Terrassen und Balkons als Rückzugsgebiete. Die Wohnungsgrundrisse werden mit den künftigen Nutzerinnen besprochen und auf ihre Wünsche hin zugeschnitten: Da gibt es Ein-, Zwei-, oder Mehrzimmerwohnungen und Möglichkeiten für flexible Raumgestaltung. Der Fantasie sind wenig Grenzen gesetzt - die größte Einschränkung für die Wunschwohnung sind in den meisten Fällen die Finanzen der künftigen Bewohnerin.
Für Frauen, die in der Regel geringere Einkommen haben als Männer, aber zunehmend einen erheblichen Teil ihres Lebens alleine leben, ist das Geld die höchste Hürde vor dem Einzug. Mit 2.200 Mark kann frau stimmberechtigtes Mitglied der Genossenschaft werden. 135 sind es inzwischen, etwa die Hälfte denkt ans Einziehen. Wer einzieht, muss zusätzlich einen Eigenkapitalanteil in beachtlicher Höhe aufbringen: pro Quadratmeter Wohnfläche 1.000 Mark (mit Förderungsberechtigung, sonst 2000 Mark). Das ergibt zumindest die derzeitige Kalkulation des Gesamtprojektes, die derzeit von 25 Prozent Eigenkapital ausgeht. Um die Kosten zu senken, werden solidarische Förderfrauen gesucht: je mehr Eigenkapital, desto weniger Zinsen und Schuldendienst.
Warum ist das so teuer? Die FrauenWohn-Genossenschaft will keine Gewinne machen, muss aber kostendeckend arbeiten. Die kalkulierten Baukosten sind für Neubauten üblich und eher am unteren Rand, den Grundstückspreis hat die Stadt vorgegeben, es werde weiter verhandelt. Trotzdem: Eine gewisse Exklusivität ist nicht auszuschließen. Also doch kein Projekt für benachteiligte Frauen?
Sollen sie hoffen auf das nächste Wohnprojekt? Die Initiativfrauen arbeiten seit Jahren an diesem - machen Raum-, Finanzplanung und Öffentlichkeitsarbeit, und das alles am Feierabend. Wenn diese Frauen-Wohnanlage durchgefochten ist, möchte manche Aktivistin sich erstmal wieder Zeit für andere Dinge nehmen.
Planerinnen nebenan: Schweiz
In der Schweiz haben sich Fachfrauen im Planungsverein P.A.F. (Planung Architektur Frauen)* zusammengetan, mit Regionalgruppen in Basel und Bern, Luzern, Solothurn und Zürich. Beispiel Bern: Wie die Raumplanerin Gisela Vollmer berichtet, mischen sich dort die PAF-Frauen in kommunale Vorhaben ein, planen eigene Projekte und geben ihr Wissen an der Fachhochschule weiter. Sie wollen vor allem die Sicherheit im öffentlichen Raum und die Frauenmobilität erhöhen. Unter anderem haben sie ein problematisches Viertel durch Wegenetz und Orientierungspunkte übersichtlicher gemacht, die "dunklen Ecken" einer Reitschule entschärft, einen Kriterienkatalog für Tunnels und Unterführungen erarbeitet und begleiten maßgeblich den Masterplan des Berner Bahnhofes.
Planerinnen nebenan: Österreich
Im Wiener Rathaus führt die Planerin Eva Kail die Leitstelle "Alltags- und frauengerechtes Planen und Bauen"*. Modellprojekt ist die Frauen-Werk-Stadt, mit 360 Wohneinheiten das größte Frauen-Wohnbauvorhaben Europas. Die Anlage wurde von vier Architektinnen geplant und ist seit anderthalb Jahren bewohnt. Außerdem befasst sich die Leitstelle mit Sicherheitsaspekten bei "Angsträumen": Tiefgaragen, U-Bahnhöfen und unübersichtlichen Ecken von Wohnanlagen. Ein anderes Anliegen der Wienerinnen sind Mädchenfreiräume: Die Leitstelle hat Ideen für eine geschlechtssensible Gestaltung von Parks und Spielplätzen entwickelt und umgesetzt. Eva Kail hat aus ihrer langjährigen Erfahrung strategische Empfehlungen für Planungsfrauen entwickelt. Eine lautet: Erhebt Euch aus der Hundstrümmerl-Perspektive, oder hochdeutsch und weniger plastisch: Kommt aus den Alltagsniederungen.
* Leitstelle "Alltags- und frauengerechtes Planen und Bauen", Magistrat der Stadt Wien 1, Rathaus, A-1082 Wien.
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