Im Flüchtlingscamp von Dungu spendet ein Unterstand aus Bambusstangen ein wenig Schatten in der tropischen Hitze. Kinder, die eigentlich in der Schule sein sollten, sind in ein Kugelspiel vertieft. Zwei Zehnjährige tragen Strohballen auf dem Kopf heran; eine neue Hütte soll gedeckt werden. „Wir dachten, wir könnten nach ein paar Wochen zurück nach Hause,“ seufzt eine junge Mutter, die sich die Haare flechten lässt. „Jetzt sind wir schon ein Jahr hier.“ Als der Konflikt am 17. September 2008 ausbrach, überfielen Rebellen der Lord’s Resistance Army (LRA) ihr Dorf Duru. „Sie kamen mit Maschinengewehren und Macheten. Sie haben unsere Nachbarn umgebracht und meine jüngere Schwester entführt.“
Seit jenem Tag is
d meine jüngere Schwester entführt.“Seit jenem Tag ist eine Region im äußersten Nordosten des Kongo, die fast so groß wie Deutschland ist, in eine humanitäre Katastrophe gestürzt. Bisher haben die Rebellen etwa 1.300 Menschen umgebracht und über 380.000 sind vor ihnen geflohen. In Dungu, der regionalen Hauptstadt der Krisenregion, sind inzwischen ein Dutzend humanitäre Hilfsorganisationen angekommen, doch die internationale Gemeinschaft schaut bislang hilflos zu. Sie scheint machtlos gegen Joseph Kony, den Anführer der LRA, der als einer der skrupellosesten Most-Wanted der Welt gilt. Seine Rebellenmiliz, die ihre Wurzeln in Norduganda hat, zieht wie im Blutrausch durch Dörfer, vergewaltigt, massakriert und kidnappt Kinder, um sie als Soldaten und Sexsklaven zu missbrauchen.Mission „Blitz und Donner“Die LRA steht deshalb auch auf der roten Liste des Weißen Hauses. Ex-Präsident Bush persönlich hatte die Unterstützung einer alliierten Militärmission der kongolesischen, ugandischen und südsudanesischen Streitkräfte im Dezember 2008 angeordnet. Obwohl US-Spezialeinheiten über Jahre ugandische Truppen trainiert haben und sie mit Abhörgeräten sowie der Technik zur Satellitenbildüberwachung ausgestattet wurden, traten bei der Ausführung der Mission Blitz und Donner jede Menge Unzulänglichkeiten zu Tage: Der Informationsaustausch zwischen den Streitkräften zeigte Lücken. Kongos Soldaten waren schlicht und einfach mit ihrer Aufgabe überfordert. Es fehlte an klaren Anweisungen und Ressourcen. „Die Bodentruppen haben zwei Tage gebraucht, um bis zu den Camps zu gelangen und als sie endlich ankamen, waren die Lager natürlich leer“, analysiert Peter Eichstaedt, Afrika-Redakteur am Insitute for War and Peace Reporting den Fehlschlag. Am Ende hatte die Operation nur eines zur Folge: Kony rächte sich, und die Rebellen brachten bei den als „Weihnachtsmassakern“ bekannt gewordenen Angriffen über 500 Menschen um. Präsident Obama zog es bislang vor, Stillschweigen über das Versagen zu bewahren. Doch er steht in der Verantwortung, das zu beenden, was sein Vorgänger begonnen hat.In Dungu belädt ein Team der französischen Hilfsorganisation Solidarités ein Kleinflugzeug mit Material für Not-Latrinen. Plastikplanen, Nägel und Werkzeuge verschwinden in der Chessna. Einem jungen Spanier, der den Transport koordiniert, klebt das schweißnasse T-Shirt am Oberkörper. Katastrophenhilfe ist vor allem ein Knochenjob. Kurz darauf stolpert die kleine Maschine über die Graspiste und hebt ab in Richtung Aba. Ein Ort an der Grenze zum Sudan, der derzeit rund 8.700 Vertriebene beherbergt.„Ein unglaublich großer Anteil an humanitärer Hilfe muss über den Luftweg in die verschiedenen Krisenorte gebracht werden“, beschreibt Tiphaine Gendron, verantwortlich für das Soforthilfeprogramm von Solidarités, die immensen Herausforderungen. Es sind nicht nur die Anschläge der Rebellen, die es oft unmöglich machen, Hilfe in entlegene Gegenden zu bringen, sondern auch Kongos Straßen. Sie verwandeln sich in der Regenzeit zu einzigen Schlammpisten mit metertiefen Löchern. Für 500 Kilometer waren Lastwagen des Welternährungsprogrammes (WFP) wochenlang unterwegs, weil sie oft im Schlamm festsaßen.Zur NotoperationDas unzugängliche Gebiet stellt auch die UN-Mission im Kongo (MONUC) vor Probleme, wartet sie doch noch immer auf 16 erbetene Helikopter, die dringend für das unzugängliche Gebiet gebraucht werden. Es hat sich noch kein UN-Mitgliedsland zu einer solchen Unterstützung für das zentralafrikanische Land bereit gefunden. Bislang sichern die UN-Soldaten im LRA-Gebiet vorrangig die nahe Umgebung um ihre drei Basiscamps ab. In Kongos dichten Dschungel wagen sie sich kaum. Genau dort aber liegen verstreut unzählige kleine Dörfer, und eben dort schlagen auch die Rebellen immer wieder zu.Ich besuche in Dungu ein ranghohes Truppenmitglied in einem UN-Containerbüro. Der Boden ist mit dunklem Holz ausgelegt, eine Klimaanlage brummt leise. Mir wird von einem Ledersessel aus versichert, dass die MONUC die Region absichert und die Bevölkerung schützt. Doch als ich nach den Attacken auf den Ort Bangadi vier Tage zuvor frage, muss mir mein Gegenüber gestehen: „Von einem solchen Angriff wissen wir nichts. Es gibt keine Meldung.“ Das muss wie blanker Zynismus klingen für zwei LRA-Opfer, die am gleichen Tag von Mitarbeitern der OrganisationÄrzte ohne Grenzen aus Bangadi evakuiert werden mussten. Zur Notoperation.