Polens Rechte will ein Comeback

Polen Mit unappetitlichen Methoden fordert Ex-Premier Kaczynski bei den EU-Wahlen Premierminister Donald Tusk heraus. Aber ob seine Partei wirklich Boden gut machen kann?

Zu Lebzeiten Johannes Pauls II. reiste Friedensnobelpreisträger Lech Wałęsas regelmäßig zu Audienzen des Papstes. Und auch nach dem Tod des „größten Polen aller Zeiten“ wurde der Ex-Präsident des öfteren im Vatikan gesehen. Die jüngste Reise in die ewige Stadt sorgte in Polen allerdings für Schlagzeilen. Ausgerechnet Wałęsa, der im von Nicolas Sarkozy initiierten "Rat der Weisen" der EU sitzt, trat auf dem Kongress der europakritischen Libertas auf. Ein Vorgang, der Wałęsa in Polen viele Sympathien kostete. Medien, die ihn bisher immer verteidigten, auch gegen die seit einem Jahr laut erhobenen IM-Vorwürfe, hatten für die Rede Wałęsas bei den Kritikern des Vertrags von Lissabon kein Verständnis. Niemand „schadet Wałęsa so sehr wie Wałęsa sich selbst“, kommentierte die liberale Gazeta Wyborcza. Am meisten enttäuscht zeigte sich Premierminister Donald Tusk. Dieser äußerte nicht nur Bedenken bezüglich eines möglichen Imageschadens für Wałęsa, sondern sorgte sich auch gleich um die Position Polens innerhalb der EU.

Wahlspots verboten

Bedenken, die der ehemalige Arbeiterführer jedoch nicht teilt. „Ich will damit den Kaczyńskis schaden“, erklärt er sein Engagement für Libertas. Eine Begründung, die man Wałęsa fast abnehmen würde, wäre da nicht das fürstliche Honorar des irischen Geschäftsmannes und EU-Gegners Declan Ganley. Seit 1992 sind sich die Kaczyński-Zwillinge und der Friedensnobelpreisträger spinnefeind – und allein das zählt offenbar. Und mit der europaskeptischen Bewegung fand Wałęsa auch einen geeigneten, aber zwielichtigen Partner, um Kaczyński und seiner konservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zu schaden. Denn unter der Flagge des polnischen Libertas versucht die rechtsklerikale Liga Polnischer Familien (LPR), die seit den Wahlen 2007 nicht mehr im Sejm vertreten ist, ihr politisches Comeback. Und die dazu benötigten Stimmen erhofft sie sich eben vor allem von den Wählern ihres einstigen Koalitionspartners.

Eine Renaissance durch die Europawahlen erhofft sich aber auch der von der Libertas bedrängte Jarosław Kaczyński. Seit den verlorenen Parlamentswahlen 2007 konnte dessen PiS ihre Position als zweitstärkst Formation in den Umfragen zwar halten, doch nur mit großem Rückstand gegenüber der regierenden Bürgerplattform (PO) von Premier Tusk. Ein Umstand, der die von Kaczyński angestrebte Rückkehr auf den Sessel des Regierungschefs momentan unrealistisch erscheinen lässt. Dieses Amt will der Zwillingsbruder des Staatspräsidenten jedoch längst noch nicht aufgegeben, wie die Wahlkampagne zu den EU-Wahlen beweist. Polen, nicht die Europäische Union, ist das Hauptthema im Wahlkampf von Jarosław Kaczyński. Eine falsche Wirtschaftspolitik, nicht eingehaltene Wahlversprechen sowie eine zum Nachteil Polens geführte Außenpolitik, natürlich verbunden mit antideutschen Tönen, wirft der Ex-Premier seinem Nachfolger vor. Und dies auf teilweise äußerst aggressive Art und Weise. Einige Wahlwerbespots musste die konservative Partei auf richterlichen Beschluss zurücknehmen.

Herbe Niederlage denkbar

Ein Gerichtsurteil, das wegen der vielen Unterstützer jedoch keine besonderen Folgen für Kaczyńskis Wahlkampagne hat. Sein Bruder Lech, der als Präsident laut Verfassung eigentlich überparteilich handeln sollte, nutzt öffentliche Auftritte, um der Regierung im Parlament Fehler in der Wirtschaftspolitik vorzuwerfen. Ein Vorwurf, den die Gewerkschaft Solidarność wegen der drohenden Schließung der Danziger Werft ebenfalls erhebt. Doch am deutlichsten zum Wohle der PiS von Jarosław Kaczyński agiert Radio Maryja. Jeden Tag werden durch den erzkatholischen Sender, der seit seiner Gründung 1991 wiederholt mit antisemitischen Äußerungen aufgefallen ist, Wahlempfehlungen gegeben. Die Kandidaten der PiS sind nach Auffassung des Senders wegen ihres Patriotismus die einzigen, die man wählen kann, lautet der allgemeine Tenor dieser Botschaften.

Doch wie letzte Umfragen zeigen, scheinen die europabegeisterten Polen anderer Meinung zu sein. Alle Meinungsforschungsinstitute sagen Jarosław Kaczyński eine herbe Niederlage für den 7. Juni voraus. Während die PO von Tusk etwa 45 Prozent der Stimmen erhalten dürfte, prophezeien die Meinungsforscher der PiS ein Ergebnis von nur 25 Prozent. Es werde dabei eine für polnische Verhältnisse überraschend hohen Wahlbeteiligung geben. Kleiner Trost für Kaczynski: der ihn bedrängenden Libertas und damit der Liga Polnischer Familien (LPR) wird ein Ergebnis unter fünf Prozent prognostiziert.

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