Zu spät

OSTTIMOR Verraten, verkauft und »gerettet«

Selten konnte eine Regierung die Weltgemeinschaft so an der Nase herumführen wie die Indonesiens. Sie hat sie mit lammfrommer Rhetorik eingelullt, hinter deren Schleier Jakartas Agenten massenhaft mordeten, vertrieben und brandschatzten, ohne dass ihnen beizeiten jemand in den Arm fiel. Erst ließ sich Präsident Habibie nach langem Sträuben zum Referendum überreden, das aber nicht so heißen durfte. Dann zu einer multilateralen Friedenstruppe, an deren Spitze aber auf keinen Fall die Australier (mit denen man noch vorher das Osttimor-Öl verkungelt hatte) stehen durften. Und ein Mandat zur Entwaffnung der Milizen sollte es auch nicht geben. - Alles Scheingefechte, die den Indonesiern jenen Zeitvorsprung verschafften, den sie brauchten. Nach getaner Arbeit übergab man am Montag das Kommando über die eingeäscherte Insel an einen australischen Offizier, ohne dass der das überhaupt wollte oder gar verhindern konnte - und wusch damit seine Hände ob aller noch zu erwartenden Greuel in Unschuld. Washington, Berlin und Canberra hatten sich in der Zwischenzeit selbst beweihräuchert. Schließlich sei Osttimor ja der Beweis, dass man nicht nur vor der eigenen Haustür, sondern auch in strategisch »uninteressanten« Weltgegenden seinen neuen »Humanitarismus« durchsetzt, den einem die eigenen Restpazifisten nie ganz abgenommen hatten.

Osttimor war für Jakarta - trotz des gern kolportierten Bonmots von Außenminister Alatas - nie der kleine »Stein in unserem Schuh«, den man nun mehr oder weniger ungerührt auskippt. Osttimor ist Indonesiens Vietnam, und seine Hardliner wollten nur eines: Rache dafür, dass ihnen ein paar ungebildete Insulaner 25 Jahre lang getrotzt hatten und dann noch die Stirn besaßen, sie per Referendum zu unerwünschten Besatzern zu erklären.

Die Zeichen standen an der Wand. Dass Jakarta die Milizen bewaffnete, war spätestens im Frühjahr klar. Jetzt bestätigte eine Vertreterin von amnesty international, dass zu jeder Miliz-Zehnergruppe zwei indonesische Elitesoldaten gehören. Kein Wunder, dass die Milizen wie auf Befehl mit ihrem Blutbad innehielten, solange das Referendum lief. Das konnte man alles nicht wissen? Nichtregierungsorganisationen, die wirklich etwas von diesem Land verstehen, haben sich genau über diese Gefahr monatelang bei ihren Regierungen den Mund fusselig geredet. Doch als es wirklich darauf ankam, war all das Geschwätz von Konfliktprävention und Kooperation mit der Zivilgesellschaft, das gerade im rot-grünen Berlin so »en vogue« ist, nichts wert.

Nicht die UNO ist schuld am Osttimor-Desaster. Es sind ihre Mitgliedsländer, die jahrelang Suhartos beste Verbündete waren. Ford und Kissinger nickten bei ihrem Jakarta-Besuch 1975 Indonesiens Osttimor-Invasion ab und lieferten die Flugzeuge, mit denen die Osttimoresen beim ersten Mal bombardiert wurden. Portugal ließ seine Ex-Kolonie im Stich, als es ernst wurde. Kanzler Kohl ging mit seinem »Freund« Suharto angeln und verscherbelte ihm die noch brauchbaren Reste der NVA-Volksmarine. Jetzt sollten die Mitschuldigen wenigstens Wiedergutmachung zahlen für den Wiederaufbau.

Jetzt schnell sein!

der Freitag digital im Probeabo - für kurze Zeit nur € 2 für 2 Monate!

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen