Mediale Schandpfahle

Medientagebuch Die Macht, sie zu stürzen: Was die Fotos der toten Saddam-Söhne so grausam macht

Im Internet auf Bild.de ist der Umgang mit dem Grausamen gewohnt schnörkellos. Ein kleines Kästchen zeigt ein zu Lebzeiten aufgenommenes Porträt des älteren Sohns von Saddam Hussein, Udai, und die Bildunterschrift lädt dazu ein, nachzuschauen, wie dieser Mann post mortem aussieht: "Die Fotos der toten Saddam-Söhne - klicken Sie hier". Tut man dies, gelangt man zu jenen blutverschmierten Leichenfotos, die auch schon die Seite Eins der Druckausgabe von Bild geziert haben. Der Tod ist plakativ und er verkauft sich. Wieder einmal.

Nachdem die beiden Söhne von Saddam, Udai und Kusai, am letzten Dienstag bei einem Feuergefecht in der nordirakischen Stadt Mossul ums Leben gekommen sind, haben sich die amerikanischen Behörden dafür entschieden, die Fotos der Toten zu veröffentlichen. Das Hauptargument laut Pentagon-Vize Paul Wolfowitz: "Wir müssen letztlich sicherstellen, dass das irakische Volk uns glaubt." Mit der Nachricht vom Tod der Despotensöhne allein sei es nicht getan. Sichtbare Beweise müssten geliefert werde. Denn: "das Ausmaß von Paranoia und Verdächtigung im Land ist unglaublich." Viele Irakis glauben aber auch nach der Veröffentlichung der Bilder nicht an den Tod Udais und Kusais. Im Zeitalter der Medien-Manipulationen ist man vorsichtig geworden. Und schon werden Stimmen laut, die weit archaischere Beweise fordern: "Wir werden erst glauben, dass sie tot sind, wenn die Leichen von Kusai und Udai an Autos gekettet durch die Straßen geschleift werden, so dass sie jeder sehen kann", wird ein Ingenieur aus Bagdad zitiert.

Wenngleich man annehmen kann, dass die Amerikaner diesem fragwürdigen Wunsch aus der Bevölkerung nicht nachkommen werden, entspringt ihre Entscheidung, die Bilder zu veröffentlichen, einer ähnlichen Motivation wie jene blutrünstigen Rachegelüste an toten Körpern. Den Amerikanern geht es klipp und klar um eine Machtdemonstration. Seht her, sagen die Bilder, hier liegen unsere Feinde in ihrem Blut, jämmerlich und elend. Wir hatten die Macht, sie zu stürzen. Jetzt haben wir die Macht, sie so zu zeigen.

Man sollte sich von dem bemüht aufklärerischen Informations-Argument gegenüber der irakischen Bevölkerung nicht blenden lassen: Letztlich sind wir wieder bei den Holzpflöcken angelangt, auf die unsere Vorväter die Köpfe ihre erschlagenen Feinde aufzuspießen pflegten. Möglichst hoch hatten diese Pfähle zu sein, damit man die Kriegstrophäen schon von weitem sehen konnte. Diese Funktion der Reichweite übernimmt inzwischen getrost das Internet.

Menschenrechtsexperten haben darauf hingewiesen, dass die Veröffentlichung der Bilder der Genfer Menschenrechtskonvention widerspricht. Allein: das scheint niemanden weiter zu kümmern. In Berichten über die Saddam-Söhne wird gerne ausführlich über ihre legendäre Grausamkeit berichtet - so, als ob dieser Umstand die blutige Zurschaustellung rechtfertigen könnte. Immerhin: nicht alle deutschen Medien waren so eifrig in der Abbildung der umstrittenen Fotos, wie es die Bild-Zeitung war. Die FAZ druckte sie etwas zurückhaltender einspaltig auf Seite Zwei, die Welt zeigte ein wenig verdruckst das Bild eines Fernsehapparats, in dem die Fotos zu sehen waren. Andere Blätter verzichteten ganz auf die Abbildungen. Zu Recht stellt sich die Frage, welchen Nachrichtenwert diese Fotos haben sollen. Reicht es nicht vollkommen aus, die Veröffentlichung zu erwähnen, ohne den Akt selbst zu reproduzieren?

Dabei geht es in dieser Debatte nicht einmal um die Grausamkeit der Bilder an sich. Wir sind fürwahr starken Tobak gewohnt. Die Grausamkeit liegt weniger in den Bildern selbst, sie liegt in dem Akt des Zeigens, des öffentlichen Zurschaustellens. Indem wir uns - ob fasziniert oder angewidert - über diese Fotos hermachen, werden wir zu Komplizen dieser martialischen Geste.

Dabei ist es ja durchaus üblich, die Fotos bedeutender und unliebsamer Toter zu veröffentlichen. Ceausescus Leiche schaffte es auf die Titelbilder, ähnlich wie die von Pol Pot oder Che Guevara. Der Kontrast zwischen der zu Lebzeiten ausgeübten Macht und Faszination und der Hilflosigkeit, ja der Würdelosigkeit, die den Leichen anhaftet, machen hier den besonderen Kitzel aus. Das letzte Foto - jenes der Machtlosigkeit - soll sich nach Möglichkeit über all jene Bilder legen, die die Gestürzten in der Fülle ihrer Macht als Herrschende zeigten. Ein Antidot also gegen die Ikonographie der Autorität. (Ein einziger nur, der den Punkt seiner höchsten Autorität im Sterben und Scheitern gefunden hat und so noch bis heute bildlich verehrt wird: Jesus.)

Genau in dem Prinzip der Gegen-Ikonographie liegt auch die größte Ironie der Fotos von den Saddam-Söhnen. Mal ehrlich: wer, außer ein paar außenpolitisch besonders interessierter Menschen, hat je das Schicksal dieser beiden missratenen Despoten-Söhne verfolgt? Gut, in der Presse in den Vereinigten Staaten und Europa wurde immer mal wieder auf ihre Vorliebe für Angst und Schrecken im Allgemeinen und Mord, Folter und Vergewaltigungen im Speziellen hingewiesen. Aber wirkliche Ikonen des Schreckens waren sie hier nie. Insofern ist auch das Zeigen ihrer Leichenbilder für uns eher ein Kuriosum, das wir aus sicherer emotionaler Distanz betrachten. Würde es sich um ein Foto des toten Saddam handeln, die Sache sähe noch einmal ganz anders aus. Insofern bleiben die Saddam-Söhne auch als Leichenfotos das, was sie schon zu Lebzeiten waren: eine zweite Besetzung.

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