Der Berufsoptimist Christoph Daum ist positiv. Positiv getestet. Kölner Diagnostiker fanden Spuren, die auf einen Rauschmittelkonsum hinweisen, der nur wenige Monate zurückliegt. Welche von vier analysierten Substanzen in hoher Dosis nachgewiesen wurde, weiß man noch nicht. Kokain wird allgemein vermutet, es könnte auch Marihuana sein. Experten und sogenannte Experten werfen Crack in die Runde; vielleicht ist auch weniger übel beleumundeter Medikamentenmissbrauch im Spiel.
Daum hatte Anfang Oktober selbst die Analyse in Auftrag gegeben - mit der demonstrativen Zuversicht, negativ getestet zu werden und sich selbst von allen Anschuldigungen befreien zu können. Schon bevor die Analyse durchgeführt wurde, schien Daums Rechnung aufzugehen. Er war medial reingewaschen, wurde selbst zur Lichtgestalt und Gegenspieler Uli Hoeneß zum Beelzebub der Liga. Jedoch war alles noch ein Spiel der Vermutungen. Mit Baudrillard könnte man sagen, nichts als Simulation. Alle Interaktion nur symbolisch. Niemand konnte sich vorstellen, dass sich einer der modernen Hexenprobe unterzieht, wenn er nicht ein superreines Gewissen hat. Beinharter Kommentar aus der östlichen Tiefebene: »Wenn ein Mann seine Haare abgibt zu einer Analyse, hätte ich mir die Hand abhacken lassen, dass da nichts war.« Da hat Cottbus' Präsident Dieter Krein Glück gehabt, dass seine ganze Hand nicht als Pfand für einen Daum(en) in Betracht gezogen wurde. Andererseits ist Christoph Daum als gewiefter Profi bekannt. Ein Realitätsverlust, wie ihm jetzt unterstellt wird, hätte sicherlich seine komplexe Arbeit als Bundesligatrainer in Köln, Stuttgart und Leverkusen beeinträchtigt und ihn nicht einmal in die Nähe des Stuhls des Bundestrainers gebracht.
Bei dem sportmedizinisch vorgebildeten Probanden darf man vermuten, dass er sich soweit mit den Analysemethoden auskennt, um sicher zu gehen, doch durch die Maschen zu schlüpfen. Die Haaranalyse gilt als besonders aussagekräftig, weil sich in den Haaren Spuren von eingenommenen Giftstoffen wesentlich länger nachweisen lassen als in Blut oder Urin. Zwar wachsen die Haare, und mit ihnen die Giftstoffe heraus; aber bei einem durchschnittlichen Wachstum von einem Zentimeter pro Monat belegen zwölf Zentimeter lange Haare eben den Drogenkonsum eines ganzen Jahres. Es gilt die Faustregel: Man muss nur so lange genug clean sein, wie die Haare lang sind. Nun kann man spekulieren: Schnitt sein Friseur die Haare nicht weit genug ab? Oder wächst der Schopf des 46-Jährigen langsamer, als es das statistische Mittel behauptet? Es wäre verrückt, wenn sich die (national) wichtigste Personalie in der schönsten Nebensache der Welt an einem Bruchteil eines Haares entschieden hätte. Schmetterlingsflügelschlag-Theoretiker würden sicherlich aufjuchzen.
Der Mann in blau ist nun weg vom Fenster. Da geht der Mann in rot beinahe unter. Michael Schumacher hat auch das letzte Rennen der Saison in Malaysia gewonnen. Nachdem sein Weltmeistertitel schon vor zwei Wochen feststand, hat er nun auch die Konstrukteurswertung für Ferrari entschieden. Mercedes-Rivale Mika Häkkinen konnte ihn in diesem Lauf nicht gefährden; eine Zeitstrafe und viele zusätzliche Überholmanöver hielten das finnische Renn-As auf. Obwohl die WM schon vorfristig entschieden war, handelt es sich doch um die spannendste und hochklassigste Entscheidung seit Jahren. Die technische Entwicklung der Boliden verlief außerordentlich dynamisch. Zu Saisonbeginn war McLaren-Mercedes technisch gesehen im Vorteil. Aber die Fahrzeuge waren zu instabil und fielen aus. Die Ferraris glänzten mit Zuverlässigkeit und setzten sich an die Spitze. Wochen später bekamen die Techniker die Silberpfeile besser in den Griff und überflügelten die stagnierenden roten Renner. Dann legte Ferrari wieder zu. Übers Jahr gesehen waren die vier Fahrzeuge der Spitzenteams einander gleichwertig. Auch die Fahrer müssen in einem Atemzug genannt werden. Spätestens seit seinem sensationellen Doppelüberholmanöver hat sich Mika Häkkinen als Schumacher ebenbürtiger Pilot erwiesen. Rennentscheidend war diesmal das taktische Konzept. Fast jedesmal hatten die Ferrari-Tüftler Todt und Brawn hier Vorteile. Egal, ob Ein- oder Zweistopp-Strategie, ob Trocken- oder Regenreifen, zu welchem Zeitpunkt die Fahrer in die Box gerufen werden oder wieviel Sprit sie im Tank haben sollen, stets waren die Roten in diesen Fragen ein Quentchen besser. Oft genug war es das rennentscheidende Quentchen. Bei Gleichstand in allen anderen Disziplinen war Rennleiter Jean Todt der entscheidende Unterschied. Der wahre Weltmeister ist also der kleine Franzose in italienischen Diensten. Alle, die es nicht mit dem großen Kinn aus Kerpen halten, können also aufatmen.
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