Bälle (2): Rund an sich

Sportplatz Unser Autor Tom Mustroph hat ein Faible für exotische Freiluftaktivitäten. In loser Folge berichtet er vom Sommer, Ballspielen aller Art oder - wie ...

Unser Autor Tom Mustroph hat ein Faible für exotische Freiluftaktivitäten. In loser Folge berichtet er vom Sommer, Ballspielen aller Art oder - wie in dieser Folge - warum Bälle rund und oval, groß und klein sein können.

Man kann sie werfen, schießen, fangen, Hände und Füße dazu benutzen; auch Hilfsmittel wie gerade und krumme Stöcke oder großflächige Schlagwerkzeuge sind zuweilen erlaubt. Die, die man mit Hilfsmitteln durch die Luft schleudert, sind meist nur ein paar Zentimeter groß. Andere kann man gut mit einer Hand festhalten, für wieder andere braucht der Normalsterbliche beide Hände. Und schließlich gibt es noch jene eiförmigen Objekte, die traditionell auf den britischen Inseln und ihren ehemaligen kolonialen Anhängseln durch die Luft gewirbelt werden. Sie alle heißen "Bälle". Obwohl die ovalen Spielgeräte von Football und Rugby streng genommen gar nicht als Bälle bezeichnet werden dürften. "Kugelrunder Körper", schlägt der Duden vor, das Konkurrenzprodukt von Bertelsmann schreibt etwas ausführlicher: "kugelförmiges Spielzeug oder Sportgerät". Philologisch gehört Football demnach verboten. Ein Glück, dass die Sprachwissenschaft so wenig einflussreich ist ...
Warum die Bälle derart unterschiedlich sind, ist leicht zu verstehen. Schließlich möchte ein Spieler einen Handball noch mit einer Hand fangen und werfen können. Deshalb hat der Handball einen Umfang von 58-60 cm und ist damit genau zehn Zentimeter kleiner als ein Fußball. Ein Basketball sollte im Durchmesser 45 cm nicht überschreiten; so groß ist nämlich der Korb, durch den er passen muss; 75 bis 78 cm schreiben die Regeln daher für das meist orangefarbene Spielgerät vor. Das macht einen Durchmesser von knapp 25 cm - da ist also noch genug Luft. Leider stimmen diese Überlegungen nicht ganz. Der erste offizielle Handball, eingesetzt bei einem Spiel am 29.10.1917 - also etwa der Zeit, als eine Handvoll Revolutionäre in Russland Weltgeschichte schrieb - maß sagenhafte 71 cm im Durchmesser. Die Ursache: Handball galt da noch als Fangespiel, vor allem für Frauen und Mädchen. Je größer der Ball ist, umso besser kann man ihn fangen.
Wenigstens ist die ovale Form einsichtig, wenn man die Praktiker konsultiert. Rugbyspieler, die wohl die härteste aller Spielsportarten betreiben, sagen stolz: "Der Spieler soll laufen, nicht der Ball." Damit nicht jemand auf die Idee komme, den Ball über das Spielfeld rollen zu lassen, habe man ihn unrund gemacht. Er hoppelt und hüpft so unkontrolliert über den Rasen, dass jeder Innovator schnell einsieht, dass es besser ist, das Ei wie eine gütige Henne so weit wie möglich zu tragen. Zwar dürfen Footballer ihre gequetschte Kugel 70, 80 Meter weit durch die Luft schießen, aber für ein Touchdown - also einen über die Aus-Linie getragenen Ball - gibt es sechsmal mehr Punkte als für ein leicht mit dem Fuß erzieltes Tor. Merke: Bälle, die nicht rund sind, soll man lieber durch die Gegend buckeln. Leider ist es aber so, dass die ganzen schönen Fuß-, Hand-, Football- und Rugbyregeln erst im 19. und 20. Jahrhundert aufgestellt wurden. Bälle gab es schon vorher. Und aufgrund einer wenig ausgefeilten Technologie waren sie alles, nur nicht rund. Die ersten "Bälle" bestanden aus einer aufgepumpten Schweinsblase, die sich ungleichmäßig in alle Richtungen ausdehnte und kaum zielgerichtet fortzubewegen war. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts berichten Chronisten, dass der Ball "recht grob aus vier Lederstücken und einem Einsatz für die Luftblase zusammengenäht wurde, wobei die Nahtstellen derart wulstig blieben, dass der Ball während des Dribblings nur schwer zu kontrollieren war."
Aber dribbeln wollte im Mittelalter kaum jemand. Vielmehr ging es wüst zur Sache. Ganze Dörfer versammelten sich sonntags auf einer Wiese und versuchten, die Schweinsblase über eine Markierung in Richtung Nachbardorf zu treiben. Die ovale Form ist also historisch bedingt. Erst bessere technische Möglichkeiten ließen die Bälle rund werden. Dass man Fußball aber besser mit Blechdosen, Stullenbüchsen oder Gumminüllen erlernt, beweist sich seit geraumer Zeit bei Fußballweltmeisterschaften. Ehemalige Straßenfußballer stechen immer wieder die Wohlstandszöglinge aus, die bereits als Sechsjährige mit kugelförmigen und aus Leder gefertigten Spielgeräten mit einem Umfang zwischen 68 und 70 cm, einem Gewicht von mindestens 410 und höchstens 450 Gramm und einem Druck von 0,6-1,1 Atmosphären umgehen dürfen. Wahrscheinlich dauert es nicht lange und ein Revolutionär der Trainingsmethodik wie etwa Christoph Daum verordnet seinen Kickern zwecks Geschicklichkeit Trainingsspiele mit Coca-Dosen.

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