Das Phantom vom Olympiastadion

SPORTPLATZ Treffen die Bayern auf Manchester United, passiert immer etwas. Legendär das 1999er Finale von Barcelona, als der englische Meister erst in der ...

Treffen die Bayern auf Manchester United, passiert immer etwas. Legendär das 1999er Finale von Barcelona, als der englische Meister erst in der Nachspielzeit die Mannen vor Oliver Kahn in die Knie zwang. Hochemotional auch das diesjährige Aufeinandertreffen. Für die Engländer ging es nach dem bereits sichergestellten Meistertitel um einen weiteren Abonnementserfolg in der Champions League. Nur ein Titel ist für die Truppe von Sir Alex Ferguson zu wenig in einer Saison.

Für die Bayern geht es sogar schon um alles. Monatelang ließen sie die Meisterschaft schleifen, konzentrierten sich ganz auf die Championsleague. Eine erstklassige Bilanz in der Königsklasse ist das Ergebnis, aber auch ungewohnte Niederlagen in der Meisterschaft. Jetzt hecheln die Bayern den spielkulturell recht unauffälligen Schalkern hinterher. Sie verloren das Duell gegen die Knappen und können nicht mehr aus eigener Kraft Meister werden. Sie müssen auf einen Patzer der Gegner hoffen.

Aber das kennen wir aus der letzten Saison, als Bayer Leverkusen sich durch ein 0:2 gegen Unterhaching um den Meistertitel brachte. Auch diesmal heißt das Zünglein an der Waage Unterhaching. Allerdings müssen die Münchner Vorstädter ins Revier. Noch schlechtere Aussichten für die Bayern also, die sich am letzten Spieltag im Volksparkstadion gegen einen HSV zur Wehr setzen müssen, der womöglich noch nicht dem Abstiegsstrudel entronnen ist. Außerdem ist Schalke nicht so anfällig wie Leverkusen. Abgeklärt schießt der Wundersturm Sand/Mpenza seine Tore. Und irgendwie scheinen die Bayern auf die Tiefstapelei von Schalke-Manager Rudi Assauer und Trainer Huub Stevens hereingefallen zu sein. Die vermeiden - im Gegensatz zu Christoph Daum und Reiner Calmund - ihren Vorgängern als Bayern-Herausforderer jegliche Großtönerei und trauen sich gar nicht, von einem möglichen Titelgewinn zu sprechen. Wegen dieser Konstellation müssen das bayrische Ü-30-Team ihr Heil in der Champions-League suchen, um die Saison versöhnlich zu gestalten. So wurde die Partie gegen Manchester zu einem Schicksalsspiel. Verlören die Bayern dieses Spiel, dann hätten sie die gesamte Saison abhaken können. Entsprechend engagiert gingen die Spieler in die Auseinandersetzung.

Kahns vorgerecktes Kinn kennt man. Janckers bulligen Schädel auch. Patrick Andersons Nehmerqualitäten waren jedoch neu. Blutverschmiert und mit genähter Braue hielt der Abwehrrecke bis zur 90. Minute durch. Bezeichnender noch für die neue bayerische Entschlossenheit als Andersons Durchhaltevermögen war Effenbergs Forschheit. Wie ein Hahnenkämpfer rammte der Kapitän seine Brust gegen die seines Widersachers Roy Keane. Keiner der beiden Spielführer wankte und wich. Letztlich ging der Schlagabtausch zugunsten des blonden Stefan aus. Bayern bleibt weiter im Geschäft und ist jetzt nur noch drei Spiele vom internationalen Triumph entfernt.

Von fußballhistorisch größerem Interesse als der Bayernsieg dürfte jedoch das Mannschaftsfoto vom Gegner Manchester United sein. In die Aufstellung schummelte sich ein zwölfter Mann ein. Schlecht rasiert, mit krummen Beinen und recht verlebt aussehend platzierte sich Karl Power neben Stürmer Andy Cole. Der, meist weit vorn im Strafraum agierend, scheint seine Defensivkollegen so schlecht zu kennen, dass er Power der Hintermannschaft zuschlug. Was Powers Auftritt so besonders macht, ist die Tatsache, dass er keineswegs ein Zufallsprodukt der frechen Handlungsweise eines Fans, sondern Abschluss eines minutiös geplanten Unternehmens war. Der 35-jährige Powers, wurde im Auftrag des Männermagazins front in die Reihen der besten Vereinsmannschaft der Welt eingeschleust. Mit einem Presseausweis bewaffnet schummelte er sich durch die Kontrollketten der UEFA, zog sich auf dem Rasen um und stellte sich dann neben Cole. Unentdeckt verschwand er nach dem Gruppenfoto wieder im Pressetross. Nach durchbrochenen Absperrgittern und Feuerzauber auf den Tribünen hat der Fußball nun eine neue spektakuläre Nebendisziplin aufzuweisen.

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