Siemens, PIN und nun Aldi - mit den Zahlungen der Supermarktkette an die Betriebsräte-Organisation AUB ist erneut ein Fall verdeckter Einflussnahme eines Unternehmens auf eine "Gewerkschaft" bekannt geworden. 120.000 Euro im Jahr ließ sich der Discounter ein ihm genehmes Gegengewicht zu Verdi kosten.
Auf das Etikett "betriebsnah" ist man bei der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) sehr stolz, es ziert sogar das Logo der Gewerkschaft. Die Probleme vor Ort kennen und nach individuellen Lösungen für jeden Betrieb suchen, so lautet das Credo der AUB, die von der "zentralgesteuerten Arbeitnehmerpolitik" des DGB und dessen "fremdgesteuerten Funktionären" nichts wissen will.
Seit geraumer Zeit macht noch eine andere Bedeutung des Wortes "betriebsnah" im AUB-Logo die Runde: Die "Arbeitnehmervertretung" lässt sich offenbar von Unternehmen gezielt als Gegengewicht zu DGB-Gewerkschaften in einzelnen Firmen aufbauen. Schon im Frühjahr 2007 machte der Siemens-Skandal die Runde. Nun bringt die Aldi-Affäre die AUB-Zentrale in Nürnberg in Bedrängnis.
Seit 1899 in Frankreich Streikbrecher der Eisenfabriken von Creusot die geborstenen Fenster der Fabrik mit gelben Streifen verklebten und bald auch andere unternehmerfreundliche Organisationen bei ihren Aktionen gelbe Plakate benutzten (statt rote wie die Sozialisten), gab es immer wieder Versuche, "gelbe Gewerkschaften" zu etablieren. Dass die AUB ungern in diesen Topf geworfen werden will, erscheint nach den jüngsten Enthüllungen nur noch grotesk. Der Vorwurf, die "Unabhängigen" seien eine "gelbe Gewerkschaft" wäre "lediglich ein Propagandamittel der Gewerkschaften, die um ihre Monopolstellung fürchten", konnte man noch zu Wochenbeginn auf der Website der AUB lesen - lange nachdem die Aldi-Affäre bereits ins Rollen gekommen war. Die Kritik sei im Übrigen "unzutreffend, weil die AUB finanziell nicht vom Arbeitgeber abhängig ist".
Das kann man auch anders sehen. Mitte der achtziger Jahre hob der Siemens-Betriebsrat Wilhelm Schelsky - ein Sohn des prominenten Soziologen Helmut Schelsky - die AUB aus der Taufe. Nach offiziellen Angaben ging die Gründung "auf eine Initiative von übertariflich bezahlten Angestellten" des Konzerns zurück. 1986 wurde mit der AUB ein Berufsverband anerkannt, der sich nach eigenen Worten "bewusst als Anti-Gewerkschaft bezeichnet und dem Arbeitskampf der Gewerkschaften den Betriebsfrieden entgegenstellt".
Ob das Unternehmen nur eine sich bietende Chance ergriffen hat oder selbst den Plan entwarf, mit einer Organisation der IG Metall den Kampf anzusagen, sei dahingestellt. Einem Memorandum von 1995 zufolge machte Siemens jedenfalls klare Vorgaben: Ziel sei, bei künftigen Betriebsratswahlen zahlreiche AUB-Kandidaten durchzubringen, bis zur Aufsichtsratswahl 1997/98 sollten bereits 40 Prozent der Delegierten von den "Unabhängigen" gestellt werden.
Dafür floss viel Geld - insgesamt wohl rund 50 Millionen Euro. Damit nicht sofort aufflog, dass es sich quasi um eine konzerneigene Gewerkschaft handelt, subventionierte Siemens die AUB über Honorare an Schelsky, der eine Unternehmensberatung gegründet hatte. Heute sitzt der Mann, der gern gegen den "Klassenkampf" des DGB wettert, in Untersuchungshaft, seinen Posten bei der AUB musste er aufgeben. Bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen der Siemens-Affäre waren auch die geheimen Zahlungen von Aldi bekannt geworden - Geld, das sich gelohnt hat. Den Discounter, dessen Südkonzern sich der Betriebsratsfreiheit rühmt, nannte AUB-Chef Schelsky einen "tollen" Arbeitgeber.
Frank Bsirske, den Chef von Verdi, gegen die sich in diesem Fall das AUB-Sponsoring richtete, beschlichen inzwischen "Zweifel an der moralischen Integrität der dort Handelnden". Der Gewerkschafter wird sich wohl auch an die Gründung der Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste (GNBZ) erinnert haben, einem anderen Exempel für "Arbeitnehmervertretung" im Auftrag eines Unternehmens.
Die GNBZ war im Oktober 2007 "wegen der sich verschärfenden Diskussion um die Mindestlöhne sowie insbesondere aber auch wegen der Tarifvereinbarung zwischen der von der Post dominierten" Arbeitgebervertretung und Verdi entstanden. Bereits in ihrer ersten Wortmeldung kritisierte die GNBZ diesen Mindestlohnvertrag als "Tarifdiktat" und "Zwangslohn" - was den Verdacht nährte, hier spreche keine Gewerkschaft, sondern ein privater Postdienstleister im Beschäftigtenkostüm.
Inzwischen ist bestätigt: Bis Dezember hat der Post-Konkurrent PIN die Verdi-Konkurrenz GNBZ mit insgesamt rund 134.000 Euro finanziert - auch in diesem Fall auf einem Umweg über eine Beratungskanzlei. Eine Demonstration von PIN-Mitarbeitern, die vorgeblich aus Angst vor dem Verlust ihrer Jobs gegen den Post-Mindestlohn auf die Straße gegangen waren, erschien daraufhin in einem ganz anderen Licht.
Inzwischen muss sich allerdings auch Verdi Kritik gefallen lassen. Angeblich soll die Gewerkschaft an der Gründung des Arbeitgeberverbandes AGV Postdienste beteiligt gewesen sein. Entsprechende Vorwürfe haben jetzt die Post-Konkurrenten erhoben. "Die Arbeitgeberverbandsstrukturen Postdienste werden unterstützt", heißt es in einem als Beleg zitierten Verdi-Papier, "Ziel ist ein bundesweiter Branchen-, Mindestlohntarifvertrag."
Von einer finanziellen Starthilfe ist freilich nichts bekannt. Und auch das "Ziel" verfehlte Verdi bisher - im Gegensatz zur GNBZ: Post-Konkurrenten schlossen mit jener Frankenstein-Gewerkschaft, der sie selbst mit Geld erst Leben einhauchten, einen Tarifvertrag ab, der deutlich niedrigere als die in der Branche für allgemeinverbindlich erklärten Löhne vorsieht. Ein Gericht kippte daraufhin jenen Mindestlohn, den zuvor Verdi und der AGV Postdienste ausgehandelt hatten.
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