Häufiger mit der CDU

NRW Ein rot-rot-grüner Wechsel in Düsseldorf nach der Wahl 2010 ist kaum noch wahrscheinlich. Das liegt nicht nur an der Linkspartei. Die Grünen gehen längst andere Wege

Am Wochenende hat die Linke in Nordrhein-Westfalen ihre Kandidaten für die Landtagswahl im Mai 2010 nominiert. Der Verband an Rhein und Ruhr hat mit einem Ruf zu kämpfen. Als er vor zwei Wochen sein Wahlprogramm verabschiedete, war die Aufregung groß. Ein paar Passagen aus dem sehr umfangreichen Papier reichten aus, um die Ressentiment-Maschine in Gang zu setzen. Das Erziehungsziel der Linken sei offenbar der drogensüchtige, gottlose Sozialist, mutmaßte die NRW-CDU. Viele Zeitungen unterstellten der Partei quasi irrationale und fast schon verfassungsfeindliche Bestrebungen. Selbst nachdem ein Landesparteitag das Wahlprogramm verändert hatte, blieb die Kritik laut - und interessierte sich oft nicht einmal dafür, was wirklich in dem Papier steht.

Sozialdemokraten und Grüne stehen dabei keineswegs hintan. Hannelore Kraft, gerade zur stellvertretenden SPD-Vorsitzenden gewählt, nannte den Forderungskatalog der Linken den „besten Beitrag zum Machterhalt“ von Jürgen Rüttgers (CDU) und Andreas Pinkwart (FDP). Die Landesspitze der Grünen kritisierte, der Partei fehle „derzeit der Wille zum ernsthaftem Politikwechsel“.

Erst einmal konsolidieren

Eine Regierungsbeteiligung der Linken in NRW ist in der Tat eher unwahrscheinlich. Der Eintritt in eine Koalition würde die Partei an Rhein und Ruh zerreißen, selbst im Berliner Karl-Liebknecht-Haus hält es mancher inzwischen für sinnvoller, wenn sich der Landesverband erst einmal als Oppositionsfraktion konsolidiert. SPD und Grüne stehen sich allerdings auch nicht gerade als Wunschpartner gegenüber. Zuletzt machten beide Parteien mit kommunalen Streitereien Schlagzeilen. Mehrfach scheiterten Versuche, rot-grüne Bündnisse in den Rathäusern zu schmieden. Die Grünen warfen den Sozialdemokraten vor, die Chance zu verspielen, „über die großen Städte in Nordrhein-Westfalen den Machtwechsel im Land vorzubereiten“. Die SPD wiederum wähnte die Grünen auf heimlichem Kurs Richtung CDU.

Rot-Grün sei „tot“

Inzwischen hat man zwar sprachlich wieder etwas abgerüstet. Aber Rot-Grün ist längst nicht mehr die automatische Bündnisoption – vor allem nicht bei den Grünen. Das Problem ist zum einen die Schwäche der SPD: Für Koalitionen aus Sozialdemokraten und Grünen allein reicht es – abgesehen vom Sonderfall Bremen – nirgendwo mehr. Selbst linke Grüne sprechen offen davon, dass Rot-Grün „tot“ sei. Während diese aber dafür plädieren, die Linken mit an Bord zu holen, wächst auch die Zahl derer in der Partei, die mehr Offenheit gegenüber dem bürgerlichen Lager fordern.

Bayerns Grünen-Chef Sepp Daxenberger hat gerade erst wieder Schwarz-Grün in Hamburg und Jamaika im Saarland gelobt. Er freue sich, „dass wir das ausprobieren. Dass wir uns nicht fesseln lassen in Rot-Grün“. In Hessen sendet Tarek al Wazir Signale an die CDU. Die Berliner Fraktionsvorsitzende Ramona Pop spricht von einem „unverwechselbaren Kern grüner Politik“, den man „in unterschiedlichen Koalitionen durchsetzen kann“. Und auch Renate Künast erklärt, es werde künftig anhand von Sachfragen entschieden - man wolle „nicht in einem Oppositionslager agieren“.

Gut für Rüttgers, Merkel und Co.

Gesagt, getan: Die Grünen koalieren inzwischen häufiger mit der CDU als mit den Sozialdemokraten. In Hessen und Thüringen scheiterte Rot-Rot-Grün an der SPD – im Saarland an den Grünen. Der dortige sozialdemokratische Landeschef Heiko Maas hat seine Partei schon aufgefordert, endlich wieder über das Verhältnis zu den Grünen zu reden - und nicht mehr nur gebannt auf die Linkspartei zu schauen.

Rot-Grün im Clinch und ohne Mehrheit, die Linke auf Oppositionskurs: Zurzeit sieht es ganz schlecht aus für Rot-Rot-Grün – und gut für Rüttgers, Merkel und Co. In Umfragen liegen CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen mit ausreichender Mehrheit vorn. Die Düsseldorfer Koalition würde so die machtpolitische Krücke der schwarz-gelben Bundesregierung in der Länderkammer bleiben. Was jetzt an „Reformvorhaben“ noch mit Rücksicht auf die Landtagswahl zurückgestellt wird, kommt dann schnell wieder auf der Tagesordnung - womöglich sogar in verschärfter Fassung.

Tolerierung als Alternative

Die einzig realistische Alternative ist bundespolitisch gesehen kaum weniger verheerend. Reicht es nicht für Schwarz-Gelb, wird die CDU versuchen, die Grünen in ein weiteres Jamaika-Bündnis zu ziehen. Lassen die sich darauf ein, wäre Rot-Rot-Grün für lange Zeit als Regierungsoption vom Tisch.

Eine letzte, kleine Chance, den Knoten zu durchschlagen, könnte darin bestehen, die in Sachsen-Anhalt verfolgte und in Hessen gescheiterte Politik der Tolerierung zu reaktivieren. Das würde die Linkspartei nicht überfordern und käme der neuen grünen Linie entgegen, künftig nur noch Sachfragen entscheiden zu lassen. Eine Minderheitsregierung könnte sich gegebenenfalls auf wechselnde Mehrheiten stützen. Die Debatte darüber müsste allerdings schnell beginnen. Das Scheitern von Andrea Ypsilanti hat gezeigt, dass es zu spät ist, wenn man erst nach der Wahl offen über seine Möglichkeiten spricht.







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