So viel Heimlichkeit

Namenlose Aufregung Die Linkspartei diskutiert über einen eigenen Bundespräsidenten-Kandidaten

Seit Wochen wird eifrig spekuliert: Ob und wen die Linke für die Bundespräsidentenwahl im kommenden Mai als Kandidat präsentiert, in welchem Wahlgang sie ihre Stimmen der von der SPD ins Rennen geschickten Gesine Schwan zu geben bereit wäre und welche strategischen Ziele sie bei alledem verfolgt.

Eine Erklärung: Die Linkspartei sieht ihre Stimmen in der Wahlversammlung als Währung, mit der der SPD Gesten der Kooperation abgehandelt werden sollen. Mal liegt der Preis höher, mal niedriger, ein Gespräch von Kurt Beck mit der Linkspartei-Spitze scheint das Mindeste. Hoffen tut man auf mehr: ein Signal vor der Bundestagswahl 2009.

Wenn sich ihre Vertreter, so dachte unlängst Linksfraktionschef Gregor Gysi laut nach, "bei der Wahl einheitlich verhielten mit der SPD und den Grünen und 2009 nach der Bundestagswahl passiert zwischen den drei Parteien gar nichts, dann wäre das so eine Art Vortäuschung", an der er sich "nicht gerne beteilige". So sah es zuvor auch Oskar Lafontaine. "Im Moment spricht nichts für die Wahl von Frau Schwan", hatte der erklärt und zur Begründung angegeben, mit ihr sei keine "neue Koalitionsperspektive" verbunden, wie dies etwa bei der Wahl von Gustav Heinemann gewesen sei. 1969 war der im dritten Wahlgang mit den Stimmen der FDP ins Amt gekommen, was allgemein als Vorzeichen der wenige Monate später geschmiedeten sozialliberalen Koalition betrachtet wurde. Allerdings hatte die FDP ihre Unterstützung für den SPD-Kandidaten erst kurz vor der Präsidentenwahl bekannt gegeben.

Ein erneuter Heinemann-Effekt ist nicht nur angesichts der Lage bei der SPD kaum zu erwarten, sondern auch, weil das mögliche "Stück Machtwechsel" inzwischen ordentlich zerredet wurde. Die Heimlichtuerei der Linkspartei über ihre eigene Kandidatin trägt viel dazu bei - und macht das Spielchen zudem schwer kontrollierbar: Mehr als einmal musste die Partei inzwischen dementieren, dass Entscheidungen schon gefällt wurden oder dass sie in der K-Frage zerstritten ist. Vergangene Woche etwa erklärte der thüringische Ministerpräsidentenkandidat Bodo Ramelow die Kandidatensuche für beendet. Kurz darauf pfiff ihn Vorstandskollege Ulrich Maurer zurück und erklärte Ramelows Äußerung zu einer "persönlichen Einschätzung". Damit nicht der Eindruck der Zerrissenheit aufkam, veröffentlichte die Parteizentrale kurz darauf eine Erklärung beider, in der es heißt, man werde mit "einer eigenen Kandidatin bzw. einem eigenen Kandidaten" antreten. Die Gremien der Partei würden jedoch erst nach der Bayernwahl "die dafür notwendigen Entscheidungen" treffen.

Aber welche könnten das sein? Sucht die Linkspartei noch und kann deshalb keinen Namen nennen? Oder soll der Apparat der Form halber an einer Entscheidung beteiligt werden, die längst getroffen ist? Schon kritsieren Frauen aus der Parteispitze, die Weichen würden allein von einem Altmänner-Club gestellt. Wobei allen klar sein dürfte, dass die eingeforderte Transparenz ihre ganz eigenen Fallstricke bereithält. Je mehr Funktionäre der Partei in die Kandidatenfindung eingeweiht sind, desto eher könnte jemand das wertvolle Wissen nutzen, um sich in den Medien zu präsentieren. Als Einsatz auf dem Basar der Anerkennung durch die SPD verlöre der Kandidat dann wohl an Wert.

Die Beteiligungsproblemchen sind ein Ausdruck der Differenzen, die in der Kandidatenfrage bloß erkennbarer werden: Es gibt in der Führung der Linkspartei nicht erst seit gestern unterschiedliche Auffassungen darüber, wie mit der SPD verfahren werden soll. Oskar Lafontaine steht für einen eher konfrontativen Kurs, zu dem die möglichst frühe Präsentation eines eigenen Kandidaten passt. Gregor Gysi und Lothar Bisky stehen eher für einen Weg der Öffnung gegenüber der SPD, was eher auf eine Unterstützung Schwans hinausliefe. Hinzu kommt: Ehemalige Sozialdemokraten in der Linkspartei mögen aus Gründen der Selbstlegitimation ihres Parteiwechsels wenig Lust verspüren, in einer Wahlversammlung mit den einstigen Weggefährten zu stimmen. Politikern aus der lange Zeit um Anerkennung ringenden PDS mag hingegen die staatsbürgerliche Rolle des Präsidentenmachers verlockend erscheinen - als eine Art Aktzeptanzbeweis.

Letztlich, sagt Gregor Gysi, gehe es doch um die "Frage, welche Bundespräsidentin oder welchen Bundespräsidenten braucht Deutschland". Dabei dürfe man "nicht an uns denken, sondern dann müssen wir schon an die Gesamtbevölkerung denken". Lafontaine will mehr Abgrenzung: Nur wenn Schwan "in inhaltlichen Fragen sehr überzeugende Antworten hätte, denen wir zustimmen können, also etwa in der Sozialpolitik", sei ihre Wahl denkbar. Da dies aber nicht der Fall sei, "gibt es für uns keine Gründe, diese Kandidatin zu unterstützen".

Bleibt die Frage, warum sich die Linkspartei bei den geringen Aussichten auf ein Entgegenkommen durch die SPD überhaupt auf einen eigenen Kandidaten einlassen will, dem der Makel anhaften wird, bloße Figur in einem politischen Handel zu sein. Wäre es nicht wirkungsvoller gewesen, jemanden ins Rennen zu schicken, noch bevor Gesine Schwan von den Sozialdemokraten nominiert wurde? Wissend, dass man lediglich eine öffentliche Debatte nutzen kann, um ein paar eigene Themen zu setzen, es aber kein Amt zu gewinnen gibt?

Das wäre ein Heinemann-Effekt der ganz anderen Art: Bei der Bundespräsidentenwahl 1999 trat Uta Ranke-Heinemann, die Tochter des vormaligen Bundespräsidenten, auf dem PDS-Ticket an. Ihr einziges Ziel war, gegen den Nato-Einsatz im Kosovo zu protestieren. Das Amt selber interessierte sie ebenso wenig wie die Partei, die sie nominiert hatte. Aber das war kein Mangel.

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