In den nächsten Wochen wird also mal wieder über das "Schicksal der deutschen Universität" entschieden. Warnen uns zumindest die 3.759 aufrechten Professoren des Deutschen Hochschulverbandes in ihrer vierseitigen FAZ-Anzeige, um zu reklamieren, dass alles so bleibt, wie es ist - und im Kern die letzten 150 Jahre auch schon war.
Einen komischen Effekt hatte diese konservative Bulldozer-Aktion zumindest. Der weitaus größere Teil der hochschulpolitischen Öffentlichkeit, von neoliberal bis links, scharte sich um die Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) und verteidigte deren "Dienstrechtsreform". Dabei hat diese alle Kritik verdient. Sie bleibt - ungeachtet von Verbesserungen im Detail - im Ansatz stecken und fördert zudem problematische Entwicklungen ein
tische Entwicklungen einer vordergründigen "Ökonomisierung" der Wissenschaft. So trivial es zunächst klingt: Wer eine sinnvolle wissenschaftliche Personalstruktur will, muss zunächst über die gesellschaftlichen Aufgaben der Hochschulen reden und das eine aus dem anderen politisch begründen. Gerade das jedoch wird von den Experten des Bildungsministeriums in den vorliegenden Konzepten verweigert, der in den Vordergrund gestellte Pseudo-Sachzwang "internationale Wettbewerbsfähigkeit" ersetzt politische Analyse und Argumentation. Auf den im Kern bis heute nicht gelösten Grundkonflikt der Personalstruktur wies bereits die vor 40 Jahren erschienene legendäre Denkschrift "Hochschule in der Demokratie" des Sozialisten Deutschen Studentenbundes (SDS) hin. Sie analysierte den Widerspruch zwischen der semi-feudalen Gelehrtenrolle traditioneller Professoren, welche ihren eigenen "wissenschaftlichen Nachwuchs" heranbilden, und der Entwicklung der Hochschulen zu Massenbetrieben mit vielfältigen Aufgaben. Diesen würde die vorindustrielle Konstruktion einer Gemeinschaft von "Meistern" und "Gesellen" als Quintessenz der Personalstruktur immer weniger entsprechen. Die Reformer hofften damals, den Prozess einer arbeitsteiligen Modernisierung wissenschaftlicher Berufsausübung mit Elementen der Stärkung demokratischer Selbstverwaltung zu verbinden. Eine bis heute ungelöste Aufgabe. Ungeachtet vielfältiger technokratischer Modernisierungen hat sich in den Karrieremustern und Arbeitsverhältnissen das Motiv der Reproduktion von Hierarchien, das heißt von Statuserlangung und -erhaltung (Professur) verselbstständigt.An diesem grundlegenden Konstruktionsfehler ändert auch die vorliegende Variante der Dienstrechtsreform nichts. Sie beschränkt sich anstelle einer überfälligen Reform der Personalstruktur in ihrer Gesamtheit ausdrücklich auf eine bloße Modernisierung der unmittelbaren Professorenlaufbahn. Dies ist einer Optik geschuldet, die auf das Kriterium "internationale Konkurrenzfähigkeit" der Spitzenforschung beschränkt ist. Konsequenz: Die 100.000 hauptberuflich wissenschaftlich Tätigen im so genannten Mittelbau - überwiegend in befristeten und Teilzeitverhältnissen beschäftigt - werden schlicht "vergessen". Dabei stehen sie nur etwa 30.000 Tausend Professoren gegenüber und haben die Hauptlast des Hochschulbetriebs zu tragen.Die beiden Kernstücke der Dienstrechtsreform sind die Einrichtung selbstständiger, das heißt in Forschung und Lehre autonomer "Juniorprofessuren", die den weisungsabhängigen Status wissenschaftlicher Assistenten im traditionellen Habilitationsverfahren ersetzen sollen, sowie zweitens die Einführung einer "leistungsabhängigen" Variable in der Professorenbesoldung. Die "Juniorprofessur" ist isoliert betrachtet vermutlich noch das Sinnvollste an der ganzen Konstruktion. Indem sie befähigten Wissenschaftlern der Altersgruppe zwischen 32 und 38 Jahren selbstständige Arbeitsmöglichkeiten schaffen und auf diese Weise den Weg zu einer Dauerberufung öffnen soll, beseitigt sie ein kleines Stück patriarchalischer Provinzialität. Hier macht sogar der Begriff "Konkurrenzfähigkeit" Sinn. Denn natürlich fragen sich gerade in den High-tech-Sektoren immer mehr junge Wissenschaftler, warum sie an der Hochschule bleiben und den ganzen ritualisierten akademischen Zirkus mit Fristverträgen und Weisungsabhängigkeit bis in ein Lebensalter von 40 Jahren plus X mitmachen sollen, wenn ihnen entweder in der Industrie oder an ausländischen Hochschulen wesentlich bessere Arbeitsmöglichkeiten und Bezahlung geboten werden.Eine komplette Fehlkonstruktion ist hingegen die Form des Übergangs zu "leistungsabhängigen" Gehaltsbestandteilen bei den künftig neu ins Amt gelangenden Professoren. Der Gedanke ist zunächst, dass die Gehaltssumme für die gesamte Professorenschaft gleich bleibt, aber die individuellen Grundgehälter um 1.500 Mark abgesenkt werden. Die so frei werdende finanzielle Verfügungsmasse wird nach Wettbewerbskriterien verteilt, temporäre Gehaltszuwächse können also nur in Form permanenter Leistungsnachweise individuell "verdient" werden - in nach oben unbegrenzter Höhe! Das Ansinnen, auf diese Weise "Leistung" zu steigern, wird bereits durch das Paradigma der "Kostenneutralität" ad absurdum geführt. Im banalsten Falle würde die Reproduktion traditioneller akademischer Hierarchien nur aufrecht erhalten werden, diese sind schließlich identisch mit der Deutungshoheit über das, was als "Leistung" anerkannt ist. Im Umkreis des Bildungsministeriums ist aber vermutlich eher an eine stärkere Gehaltsspreizung gedacht. Schließlich weist etwa Peter Glotz immer darauf hin, dass man schon eine halbe Millionen pro Jahr, also mindestens das Fünffache der deutschen Durchschnittsgehälter, hinblättern müsse, um einen international renommierten Spitzeninformatiker zu bekommen. Diese Vorstellung von "Konkurrenzfähigkeit" zöge weitere Deformationen nach sich. Sie würde dazu führen, dass die Fachbereiche ein Interesse haben müssen, möglichst viele Billigprofessoren anzuwerben, um eine einzige Spitzenkraft finanzieren zu können. Die davon benachteiligten "preiswerteren" Professoren können dann soviel "leisten", wie sie wollen. Es wird ihnen nichts nützen, weil das Geld bereits komplett verteilt ist.Durch diese Vorstellung von "Leistungssteigerung" wird schließlich ein institutionelles Reformdefizit der Hochschulen auf ein monetäres "Motivationsproblem" reduziert; zudem in einer primitiv-pawlowschen Variante von Motivationspsychologie, die mit der Spezifik wissenschaftlichen Denkens eigentlich wenig zu tun hat. Mit 1.500 Mark weniger im Monat ist man zunächst um die entsprechende Summe ärmer, aber nicht automatisch qualifizierter oder klüger, so etwa die Kritik von Ulrich Welbers vom Studienreformbüro Germanistik der Uni Düsseldorf. Eine wirkliche Reform muss hingegen am institutionellen Professionalisierungs- und Demokratiedefizit der Hochschulen ansetzen und kann dieses nicht auf ein Scheinproblem fehlender individueller "Anreize" nach dem Vorbild einer altertümlichen Betriebswirtschaftslehre verschieben.