Nachspiel

KOMMENTAR Iranische Reformer vom Tode bedroht

Diplomatie ist sehr oft ein Drahtseilakt zwischen Wünschenswertem und Möglichem, bei dem immer die Gefahr besteht abzustürzen. Zumal, wenn Novizen auf dem Seil sind. Im April dieses Jahres entschloss sich die den Grünen nahe stehende Heinrich-Böll-Stiftung zu einem ebenso spannenden wie gewagten politischen Balanceakt und lud Vertreter der iranischen Reformopposition nach Berlin zu einer viel beachteten Konferenz ein. Das Vorhaben diente vor allem dem Zweck, oppositionelle und Reformkräfte aus der Islamischen Republik zu einem Dialog zusammen bringen, die bis dato eher wenig miteinander zu tun hatten. Kritiker witterten hinter dem guten Zweck jedoch schon damals reichlich Selbstzweck. Von Profilierungssucht und verkappter diplomatische Schützenhilfe für das Auswärtige Amt im Vorfeld der geplanten Visite des iranischen Staatspräsidenten war die Rede. Letzteres ganz sicher nicht zu Unrecht.

Die Konferenz - inhaltlich hochbrisant - geriet zu einem mittleren politischen Fiasko - vor allem, weil die Veranstalter es nicht vermochten, die radikale iranische Auslandsopposition einzubinden. Die verschaffte sich vielmehr auf ihre Weise vor Ort Gehör. Und zwar so demonstrativ und lautstark, dass am Ende hinter verschlossenen Türen weiter getagt werden musste.

Den Hardlinern in Teheran waren die Fernsehbilder von den grünen Chaostagen im Haus der Kulturen der Welt willkommener Anlass, gegen die »unislamischen Nestbeschmutzer« vorzugehen. Sehr zur Überraschung der Veranstalter, aber auch der Gäste, die allesamt davon ausgingen, grünes Licht für ihren Auftritt in Deutschland zu haben. Ein Irrglaube, den inzwischen alle 17 Teilnehmer mit Anklagen, Haft und einige sogar mit drohender Todesstrafe bezahlen. Für die radikalen Protestierer aber dürfte sich damit ein Weltbild bestätigen, das keinerlei Reformen kennt - eine klassische »self fulfilling prophecy«. Schließlich hat ihr Auftreten erst die Betroffenen in die Schusslinie konservativer Hardliner gebracht, deren Machtkampf mit den Reformern um Staatspräsident Chatami unterdessen immer schärfere Formen annimmt.

Auch wenn die grünen Veranstalter keine unmittelbare Schuld trifft, Fragen nach einer moralischen und politischen Verantwortung für das Schicksal ihrer Gäste muss sich die Böll-Stiftung gefallen lassen. Dass ihr Chef Ralf Fücks die eigene Bundesregierung jetzt öffentlich zu »klaren Worten« auffordert und »staatliche Wirtschaftshilfe nicht zum Nulltarif« vergeben sehen will, ist völlig richtig und aller Ehren wert. Es zeigt aber auch, wie es Novizen ergehen kann, die sich über Nacht zum »global player« mausern wollen.

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