Nächster Halt Wahlkampf

Bahn-Privatisierung Die CDU will sich von SPD-Mann Tiefensee nicht den Takt für den Bahn-Börsengang vorgeben lassen. Endgültig ausbremsen will der die Teilprivatisierung aber auch nicht

Wenn der Kanzleramtschef sagt, ein Minister spreche nicht für die gesamte Regierung, dann ist damit das derzeitige Agieren der Großen Koalition ganz gut umschrieben. Zwischen Regieren und Wahlkampf verwischen bei SPD und Union die Grenzen mit jedem Tag ein bisschen mehr. Der Bundespräsident sah sich bereits zu der Mahnung an die Parteien veranlasst, diese sollten über ihre Versuche, gegeneinander Profil zu gewinnen, nicht den Regierungsauftrag vergessen. Solange die Koalition im Amt ist, so Horst Köhler, müsse sie ihre Arbeit „anständig erledigen“.

Zu dieser Arbeit gehörte von Anfang an der Börsengang der Bahn. Im Koalitionsvertrag von 2005 hatten sich Union und SPD genau genommen nur dessen „Gestaltung“ offen gehalten und vereinbart, „Kapitalmarktgesichtspunkte“ zu berücksichtigen. Mit der Finanzkrise wurde der spätere Beschluss zur Teilprivatisierung allerdings Makulatur. Das börsliche „Umfeld“ für den Verkauf von bis zu 24,9 Prozent der Bahn-Tochter DB Mobility Logistics versprach längst nicht mehr die erwarteten Erlöse. Abwarten auf bessere Zeiten, lautete seither die Devise. Über Privatisierung wollte ohnehin niemand mehr laut sprechen, weil sich ringsherum der Börsenkapitalismus prächtig blamierte.

Jetzt hat Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee den heimlichen Konsens in der Regierung aufgekündigt. Eine Teilprivatisierung der Bahn stehe für ihn „nicht mehr auf der Agenda“ und soll nach Ansicht des SPD-Mannes „auch in der nächsten Legislaturperiode nicht weiter verfolgt werden“. Was den einen zu weit geht, geht den anderen nicht weit genug: Der Minister könne doch „nicht einseitig den verabredeten Zeitplan ändern“, grollte Kanzleramtschef Thomas de Maiziere. Was Gespräche mit geeigneten Investoren im In- und Ausland angehe, gebe es „keine neue Beschlusslage der Bundesregierung“. Die sozialdemokratische Linke wiederum sieht „keinen vernünftigen Grund“, die Pläne zur Teilprivatisierung „nicht endgültig zu beenden“. Der Münchner SPD-Bundestagskandidat Roland Fischer, der ein entsprechendes Mitgliederbegehren initiiert hat, nannte es „unverständlich“, wenn weiter „an der grundsätzlichen Option“ zum Verkauf festgehalten werde.

Tiefensees in der Koalition nicht abgesprochener Vorstoß lässt sich in doppeltem Sinne als Wahlkampfmanöver bezeichnen. Einerseits dient es der Abgrenzung von der Union, die dem SPD-Mann ja auch gleich den Gefallen getan hat, ihn für etwas zurückzupfeifen, das in der Bevölkerung auf breite Zustimmung stoßen dürfte. Es ist schließlich nicht zu erklären, warum ausgerechnet in Zeiten der Rettungsverstaatlichung von Banken mit Steuermilliarden irgendwelchen Rendite-Geiern Zugang zu einem öffentliche Unternehmen verschafft werden soll. Andererseits lotet Tiefensee aus, ob mit einem Moratorium den innerparteilichen Kritikern des Bahnbörsenganges der Wind aus den Segeln genommen werden kann: Mit dem Aufschub der Teilprivatisierung versucht die SPD-Spitze, eine endgültige Absage zu verhindern.

Die Begründung des Ministers zeigt auch, dass Tiefensee keine politischen Vorbehalte gegen einen späteren Börsengang hat, sondern sich lediglich mit haushaltspolitischen Argumenten aus der Affäre ziehen will: Die Mittel aus dem Börsengang wären zu einem großen Teil für die Bahnhofssanierung und für Lärmschutzmaßnahmen reserviert gewesen – nun aber könnten dies auch ohne Teilprivatisierung mit Geld aus dem Konjunkturpaket der Bundesregierung finanziert werden. Damit dementiert sich der SPD-Mann, der den Börsengang bisher immer als alternativlos bezeichnet hat, selbst: Wenn in der Krise eine öffentliche Ko-Finanzierung der Bahn möglich ist, warum sollte es dann nicht in Zeiten guter Konjunktur ebenso sein?

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