Der Tsunami an den Finanzmärkten hat auf den Realgütermärkten zu Verwerfungen geführt, für die es keine historische Parallele gibt. Wie Daten der OECD belegen, ist der Außenhandel in allen Industrienationen seit dem November 2008 förmlich kollabiert. Im ersten Quartal 2009 brachen die Exporte weltweit im zweistelligen Bereich ein, in Deutschland um 21 Prozent, in China um 25 und in Japan sogar um 54 Prozent. Der freie Fall des Welthandels scheint sich inzwischen zwar entschleunigt zu haben – Nachfrageimpulse, die zu einer Trendwende führen könnten, sind jedoch nirgends in Sicht. Die deutsche Volkswirtschaft, die sich wie kaum eine andere auf den Güterexport konzentriert und dabei die Binnennachfrage vernachlässigt hat, ist von de
den Folgen dieses Einbruchs besonders bedroht. Hier rächt sich die dogmatische Wirtschaftspolitik des letzten Jahrzehnts.Minus 24,5 Prozent Vergleicht man die Systematik der aktuellen mit vergangenen Wirtschaftskrisen, so besteht wenig Hoffnung auf schnelle Erholung. Weltweit kollabiert die Wirtschaft in einer Geschwindigkeit, die sich lediglich mit der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre vergleichen lässt, wie Barry Eichengreen und Kevin H. O’Rourke in einer Vergleichsstudie feststellten. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass die aktuelle Krise in ihrem Ausmaß mindestens genau so schlimm sei wie die Weltwirtschaftskrise vor 80 Jahren. Doch reagierten die Regierungen diesmal mit einer seinerzeit noch nicht gekannten Entschlossenheit. Aber trotz weltweit geschnürter Konjunkturpakete sei es möglich, das die jetzige Krise erst im April 2011 ihr Ende erreicht.Der gravierendste Einbruch der Handelszahlen in den OECD-Staaten wurde im Februar 2009 mit durchschnittlich 33 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gemessen – derzeit der letzte Monat, für den Daten aller Mitgliedsstaaten vorliegen. Die jüngsten Zahlen für Deutschland weisen einen Exporteinbruch von 24,5 Prozent für Mai 2009 aus. Fazit: Noch keine Wende in Sicht. In der Vergangenheit beobachtete die OECD zwar bereits mehrfach Einbrüche im zweistelligen Bereich, allerdings nur regional und nur für kurze Zeit. Nach Jahren des Wachstums fällt der Welthandel nun ins Bodenlose.Alle Reeder stehen stillUnmittelbar betroffen vom Einbruch des Welthandels ist die Logistik-Branche, und hier bevorzugt der Seehandel. In den vergangenen Jahren gehörten die Reeder und mit ihnen auch die Werften zu den großen Globalisierungsgewinnern. Obwohl sich die Anzeichen für eine überhitzte Konjunktur häuften, setzte die Branche weiter auf Expansion und kämpft nun verzweifelt mit den Folgen der Krise. Vor allem europäische Reeder haben – angefeuert durch kreative Steuerabschreibungsmodelle für Besserverdiener – voll und ganz auf endloses Wachstum vertraut. Wenn die Weltkonjunktur nicht schnell wieder an Fahrt gewinnt, dürften Teile der Branche ruiniert sein. Der Markt für Container befindet sich bereits seit über einem Jahr im freien Fall. Der Harpex (Harper Petersen Charterraten Index), der die Frachtpreise für Container darstellt, gilt als Indikator für den gegenwärtigen Zustand des Warenhandels. Mit einem aktuellen Kurs von 344 ist er meilenweit von seinem Allzeithoch von 2.183 im Jahr 2005 entfernt. Momentan machen die Reeder mit jeder Fahrt Verlust, noch mehr Geld wäre freilich verloren, wenn sie ihre Schiffe aufliegen lassen würden. Was das die Werften und ihre Zulieferer bedeutet, liegt auf der Hand. Auf absehbare Zeit hin wird niemand mehr Frachtschiffe oder Tanker ordern – der Markt drohte bereits vor der Krise, an Überkapazitäten zu ersticken.Die Gründe für den Einbruch des Welthandels liegen auf der Hand. Durch den Einbruch der Weltwirtschaft, bricht auch die Nachfrage weg. Während früher ein großer Teil der Produkte im eigenen Lande produziert wurde, hat die Globalisierung dazu geführt, dass sich die Produktionskette internationalisiert. Arbeitsplätze sind heute wesentlich stärker von der Weltkonjunktur abhängig als früher. Dadurch fallen Puffer weg, mit denen sich in der Vergangenheit Auswirkungen globaler Krisen abfedern ließen.Jeder vierte heimische Arbeitsplatz hängt mittlerweile direkt oder indirekt vom Export ab. Die deutsche Volkswirtschaft ist durch ihre Fokussierung auf den Export besonders anfällig für die negativen Folgen der Welthandelskrise. Wer im globalen Wettbewerb der Exporteure mithalten will, muss konkurrenzfähige Lohnstückkosten durchsetzen und auf Lohnerhöhungen verzichten. Die Folge davon ist, dass den Nullrunden geplagten Arbeitnehmern das Geld fehlt, um gegen die Krise „anzukonsumieren“.Es versteht sich, ohne Impulse wird die Weltkonjunktur nicht so schnell wieder an Fahrt gewinnen und dadurch auch der Welthandel brachliegen.