Sind Weltkonferenzen der UNO, wie die bevorstehende im Süden Afrikas, die beste Gewähr dafür, dass sich in Sachen "nachhaltiger Entwicklung" nichts ändert, weil alle schon irgendwie einem mehr oder weniger "post-katastrophischen Bewusstsein" verfallen sind? Man könnte auch fragen: Hat die Vermeidung irreversibler Entwicklungen unserer natürlichen Umwelt eine Chance, wenn die Meinung vorherrscht, alles sei reparierbar? Auch nach einer solch gigantischen Umweltkatastrophe, wie sie Deutschland gerade erlebt?
Das Jahrzehnt seit dem "Erdgipfel" von Rio de Janeiro 1992 bietet manches Indiz dafür, dass die Weltgemeinschaft reform- und lernresistent sein könnte. Warum also sollte es in Johannesburg und danach anders sein? Eines ist klar: Die "Botschaft von R
ft von Rio", Umwelt und Entwicklung zu integrieren, das Eine nicht ohne das Andere zu sehen, ist nicht wirklich und in vollem Umfang in unserem Alltag angekommen. Der Traum gar vom "Jahrhundert der Umwelt" wird von den globalen Triebkräften förmlich überrollt: Die Weltbevölkerung wächst fortgesetzt um 80 Millionen Menschen pro Jahr, die Technik ist nicht wirklich umweltfreundlich geworden - auch nicht das Internet. Die Wirtschaft hält sich scheinbar unbeeindruckt an nicht-erneuerbare Ressourcen, setzt auf fossile Rohstoffe, verbrennt Kohle und Öl und hat weiterhin einen viel zu hohen Ressourcendurchsatz ("ökologischer Fußabdruck"). Zweifellos ist die Globalisierung der Wirtschaft seit 1992 enorm vorangeschritten, nicht aber die Globalisierung der Politik. Wenn nun aber der "Rio-Prozess" in dieser Hinsicht so wenig gebracht hat, sollten wir dann nicht auf einen "Johannesburg-Prozess" gleich ganz verzichten? Niemand kann heute, wenige Tage vor Beginn des Treffens, prophezeien, ob uns ein politischer Durchbruch bevorsteht oder ein Desaster heimsucht. Und doch ist Johannesburg nötiger denn je - denn worin bestünden die Alternativen? Jeder Ansatz eines globalen Diskurses ist zunächst einmal begrüßenswert. Man kann nicht den Bedeutungsverlust des Nationalstaates gegenüber einer sich globalisierenden Wirtschaft beklagen und zugleich einen Verständigungsversuch der internationalen Zivilgesellschaft ablehnen. Man kann nicht die Schwächen der UNO gegenüber dem rigiden Unilateralismus der USA verurteilen und gleichzeitig eine Einladung der Weltorganisation zu einem großen multilateralen Gespräch ausschlagen - oder gar boykottieren, wie das die Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) in einem öffentlichen Aufruf fordert. UN-Erdgipfel gibt es nur in großen zeitlichen Abständen - es gab Stockholm 1972, Rio 1992, es gibt Johannesburg 2002. Das sollte sich die Weltgemeinschaft schon leisten, selbst wenn nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen und die Kosten beträchtlich sind. Eine Weltkonferenz, die Vertreter der Nationalstaaten, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft versammelt, ist kein Weltparlament und schon gar keine Weltregierung - aber eine wichtige Übung in Sachen globaler Demokratie. Nicht mehr und auch nicht weniger. Oder doch in Zukunft auch mehr? Sicher könnte man sich vieles anders vorstellen. Eine Weltkonferenz sollte eine präzise definierte Themenskala behandeln ("Nachhaltige Entwicklung" halten viele bereits für zu diffus). Sie muss optimal vorbereitet sein und bedarf strikter Verfahrensregeln. Was wir mit Institutionen wie dem Bundestag oder dem Europaparlament mühsam gelernt haben, die repräsentative, "geordnete" Demokratie, das muss auf globaler Ebene erst noch erlernt werden. Vielleicht sind auch andere Modelle sinnvoller als die der parlamentarischen Demokratien des Westens. Johannesburg kann im großen Palaver versinken. Aber allein schon wegen dieser Gefahr nur noch auf die geordneten jährlichen Generalversammlungen der UNO als einzig realistischer Alternative zu setzen, wäre angesichts der Katastrophenträchtigkeit der Welt dann doch zu wenig. Die Vereinten Nationen repräsentieren primär Nationalstaaten, nicht die Wirtschaft, nicht die Zivilgesellschaft, wenn auch über die Jahre hinweg in einigen UN-Gliederungen rudimentäre Ansätze zur aktiven Einbindung dieser Stakeholder erfolgt sind. Gewiss ist auch die Zahl von mehr als 50.000 Teilnehmern in Johannesburg höchst fragwürdig, weil eine solche Präsenz nicht nur zur thematischen Überfrachtung verführt, sondern auch die Prioritäten verschiebt. Im Stil einer politischen "Wunschliste" entsteht eine monströse Agenda, die niemand auch nur ansatzweise und schon gar nicht ergebnisorientiert "abarbeiten" kann. Mit dem eingangs erwähnten "post-katastrophischen" Bewusstsein mag sich bei einigen seiner Akteure der Hang zu einem "defätistischen Bewusstsein" zeigen. Die Wirtschaft oder die Gesellschaft werden dem aber kaum folgen können. Die Wirtschaft will prosperieren - die Gesellschaft überleben. Beides ist auf Dauer unmöglich, wenn dabei die Umwelt zerstört wird. Die Notwendigkeit einer "nachhaltigen Entwicklung" wird insofern von niemandem mehr ernsthaft bestritten - weder von der Industrie, noch von der Landwirtschaft, weder von der Zivilgesellschaft, noch vom Staat. Wurde bislang im Dunstkreis dieser Gewissheiten der "Geist von Rio" zitiert, klang das trotzdem häufig nach Feiertagslyrik für verklärte Seelen. Sollte einem "Geist von Johannesburg" Gleiches beschieden sein, könnte es sich eines Tages erübrigen, ihn zitieren zu wollen.