Grüner Rotstift

EU-KOMMISSARIN SCHREYER Mit scharfem Messer am Subventionskuchen der Agrarier

Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein EU-Agrarkommissar der Brüsseler Oberbuchhalterin aus freien Stücken das Feld überlässt. Das Novum ist umso bemerkenswerter, als der Österreicher Franz Fischler zur schwarzen Schüssel-Truppe zählt und Michaele Schreyer bekanntlich eine altgediente grüne Reala ist. Dennoch hielt sich der Herr der Agrarsubventionen diskret im Hintergrund, als jetzt die EU-Sparkommissarin nicht nur scharfe Einschnitte in seinen Haushaltsposten, sondern faktisch eine drastische Kurskorrektur in der Landwirtschaftspolitik ankündigte.

Schreyer fehlen - trotz Umschichtungen zu Lasten der Entwicklungsländer - noch 300 Millionen Euro für den Wiederaufbau des zerbombten Kosovo sowie seiner ruinierten Nachbarländer. Bis 2006 müssen 5,5 Milliarden Euro im EU-Haushalt aufgetrieben werden, weil die Regierungschefs der Mitgliedstaaten zwar finanzielle Versprechen machten, die Finanzminister aber keinen zusätzlichen Scheck für den Balkan ausstellten. So liegt es nahe, den mit rund 50 Prozent größten Etatposten anzuzapfen und den nach grün-liberalem Selbstverständnis ohnehin allzu fetten Subventionskuchen für die Agrarier anzuschneiden. Schreyers scharfgewetztes Messer zielt dabei zunächst auf die sogenannten Marktordnungsausgaben. Gespart werden soll bei Exportsubventionen und Lagerzuschüssen, mit denen unverkäufliches Schweinefleisch künstlich verbilligt auf dem Weltmarkt losgeschlagen oder in Erwartung besserer Zeiten eingefrostet wird. Außerdem soll die Intervention zurückgefahren werden - also die Marktentlastung durch staatlichen Ankauf von überschüssigem Getreide oder Rindfleisch.

Der Agrarkommissar ist zwar nicht begeistert, aber er muss die direkten Preissubventionen ohnehin herunterfahren, sollen die festgefressenen Verhandlungen über die Liberalisierung des Welthandels nicht vollends scheitern. Überdies wird seine Agrarkasse entlastet, solange der Euro schwächelt. Ein starker Dollar bedeutet für EU-Agrarprodukte geringere Preisdifferenzen zum Weltmarkt, wodurch weniger Exportsubventionen anfallen. So nahm Fischler die Kürzungsorder weniger mit Protest als einem rhetorischen Grummeln entgegen.

Längerfristig kommen ihm die Sparpläne der grünen Kommissarin, die Ausgaben für die Landwirtschaft in den nächsten Jahren weiter beschneiden will, sogar gelegen. Sie kündigen eine schärfere Gangart bei der Agrarreform an. Dies entspricht genau Fischlers Konzept, die EU-Landwirtschaft durch Preisdruck auf den Weltmarkt zu trimmen und - im Fall der Osterweiterung - auf Billiganbieter aus Polen oder Ungarn einzustimmen. Ursprünglich wollte der Österreicher die subventionierten Erzeugerpreise deshalb schon weitaus stärker senken, als es der Ober-Agrarlobbyist Jacques Chirac beim Berliner EU-Gipfel im Frühjahr 1999 zuließ. Nun kann der ausgebremste Kommissar mit Schreyers Sparforderungen im Rücken einen zweiten Anlauf nehmen. Diese Forderungen werden einen enormen Rationalisierungsdruck auf die Agrarbetriebe erzeugen, denn weniger Subventionen erzwingen kapitalintensive Technologien und den Einsatz eines ganzen Arsenals kostensenkender Produktionsmethoden: von der industriellen Massentierhaltung über die - noch - verbotene Hormonmast bis zur Gentechnik. Programmiert sind weitere Konzentrationsprozesse und beschleunigtes Bauernsterben. Weltmarktfähig sind nicht traditionelle Familienbetriebe, sondern Großflächenwirtschaft und Mastfabriken. Mit dem Rotstift der grünen Sparkommissarin wird damit der Traum von nachhaltiger Landwirtschaft und regionaler Vermarktung qualitativ hochwertiger Lebensmittel zusammengestrichen. Er wäre nur zu verwirklichen, wenn die Agrarsubventionen nicht gedämpft, sondern auf diese Ziele umgelenkt würden.

Die auf Naturkost bedachte Oberstudienratsgattin wird künftig ihren Sonntagsbraten natürlich weiter auf dem heimischen Bauernmarkt erstehen, während sich der Normalverbraucher in seinem Supermarkt in einigen Jahren mit Gen-Food oder Hormonfleisch abspeisen lassen muss. Auf eines wird man sich dabei verlassen können: Für die Folgekosten von BSE, Schweine- und Geflügelpest, Dioxinvergiftungen oder anderer Betriebsunfälle industrieller Massenproduktion wird der Steuerzahler zur Kasse gebeten.

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