Rind in den Ofen - Kopf in den Sand

EU-AGRARPOLITIK Der subventionierten Produktion folgt die subventionierte Vernichtung

Die Scheiterhaufen aus Tausenden notgeschlachteten Rindern, Schweinen und Schafen, die wegen der Maul- und Klauenseuche derzeit über Britanniens Grafschaften lodern und die Dörfer in stinkende Rauchschwaden hüllen, mögen optisch von hohem Symbolwert sein und sanfte Gemüter zu Tränen rühren. Doch sind sie bislang nur ein matter Abglanz dessen, was sich Tag für Tag in den Verbrennungsöfen von Kraftwerken und Zementfabriken weiter Teile Europas abspielt und bald auch in Deutschland anlaufen wird.

An diesem Freitag will EU-Agrarkommissar Franz Fischler im Brüsseler Verwaltungsausschuss Rindfleischdie Ausweitung der größten Vernichtungsaktion von Milchkühen zur Abstimmung stellen, die es je gegeben hat. Nach den zwei Millionen Tieren, deren Verbrennung angesichts der BSE-Krise bereits beschlossene Sache ist, sollen bis zu 1,2 Millionen weitere den Weg in den Ofen antreten. Der Notausstieg, die Rindfleisch-Überschüsse mit Milliarden-Subventionen zu verbrennen, nachdem ihre Erzeugung zuvor mit noch höheren Subventionen angeheizt worden war, mag als Schlussakkord unter eine verfehlte Agrarpolitik unvermeidlich sein. Dem Verbraucher ist wegen des Rinderwahns der Appetit vergangen. Außer Russland haben fast alle ausländischen Großkunden die Schotten dichtgemacht. Die Vernichtungsaktion illustriert aber, dass die bis heute durch die industrielle Massentierhaltung praktizierte Vergewaltigung des Rindviehs ins Absurde führt. Der bayerische Kleinbauer, der seinen Mastbullen vom subventionierten Maisacker und mit zugekauftem Sojaschrot aus den abgeholzten Regenwäldern Brasiliens nährt, ist ebenso Bestandteil dieser unsinnigen Maschinerie wie manch ähnlich betriebene Großanlage im Osten Deutschlands oder die Agrarfabrik am Hafen von Antwerpen. Die jahrzehntelang verfolgte EU-Agrarpolitik hat diesen menschlichen Wahnsinn angestachelt, der das Rindvieh erst zum Kannibalismus zwang und es dann in den arteigenen Wahnsinn getrieben hat.

Man sollte meinen, dass menschliche Vernunft fähig wäre, einen Ausweg aus dem Teufelskreis subventionierter Produktion und Vernichtung zu ersinnen. Zumindest den meisten EU-Agrarministern scheint sie jedoch nicht gegeben oder völlig abhanden gekommen. Bei ihrer jüngsten Sitzung am Montag glich der Brüsseler Betonbunker des EU-Ministerrates einem Tollhaus. Da gab es keine noch so widersinnigen Pfründe, an die sich nicht mindestens einer der Akteure geklammert hätte. Da war kein Argument zu scheinheilig, um selbst die bescheidenen Ansätze zur Umkehr im Krisenplan des EU-Agrarkommissars umgehend auf Eis zu legen. Dem vernünftigen Denkansatz der neuen deutschen Verbraucherschutzministerin, die Rindfleisch-Subventionierung fürs erste von der Zahl der Tiere abzukoppeln und so der Mehrproduktion den Anreiz zu nehmen, wollten nur wenige Kollegen folgen. Ganz zu schweigen von der weiterführenden Idee, nicht Mastrind oder Mutterkuh zu prämiieren, sondern die Weide, auf der sie grasen sollen. Selbst der bescheidene Vorstoß, zunächst Fachleute über das Für und Wider solcher Lösungen debattieren zu lassen, wurde umgehend niedergebügelt.

Angesichts solch geballter Unvernunft war es fast ein Glück, dass unter dem Strich nichts beschlossen, ja noch nicht einmal ein roter Faden vorgegeben wurde. Doch vielleicht hat dieses Patt von Erneuerern und Alt-Lobbyisten auch sein Gutes. Zwar bleibt dem EU-Agrarkommissar mangels anderer Vorgaben vorerst nur das Anwerfen der Rinder-Vernichtungsmaschine. Doch deren Betrieb ist teuer, und auf dem 7,1-Milliarden-Euro-Deckel der Rindfleisch-Marktordnung sitzen die gewichtigen Finanzminister.

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