Narrenspiele

KOSOVO-VERHANDLUNGEN Licht und Schatten der amerikanischen Zwangsdiplomatie

Daß die Formel von Rambouillet - 14 Tage Verhandlungen, wenn dann kein Ergebnis vorliegt, knallt's - keineswegs der diplomatischen Weisheit bester Schluß ist, dämmert auch dem außenpolitisch wenig erfahrenen Zeitgenossen. Vielleicht wird er gewahr, daß »power mediation«, die Konfliktvermittlung durch mächtigere und machthabende Dritte, ein neuerdings in den USA beliebtes Konzept ist. Es löst den einfachen alten Interventionismus ab. Der hatte zu hohe Kosten.

Doch schon die Bezeichnung »Verhandlungen« führt in die Irre. Der amerikanische Unterhändler, Botschafter Hill, hatte einen in Washington konzipierten Plan nach Rambouillet mitgebracht, den Serben und Kosovo-Albaner akzeptieren sollten. Mitglieder der US-Delegation räumten ein, daß »allenfalls zwanzig Prozent« des Vertragsentwurfes überhaupt verhandelbar seien. Und in der ersten Woche sprachen Serben und Kosovo-Albaner gar nicht direkt miteinander, sondern lediglich mit ihren Gastgebern.

Die Serben wissen sehr wohl, daß die Luftschlag-Drohung ausschließlich ihnen galt. Auf Seiten der Freischärler der albanischen UCK gibt es schlicht keine Ziele, gegen die NATO-Kampfbomber eingesetzt werden könnten. So narrt die Politik die Medien, und die Medien narren ihr Publikum.

Nun hätte die amerikanische Politik Milosÿevic´ und sein Restjugoslawien in die Reihe der »Schurkenstaaten« versetzen können, gegen die alle Mittel erlaubt sind. Das aber ist nicht geschehen, und die Frage bleibt, welches Konzept hinter der aufgebauten Drohkulisse steht.

Willy Wimmer, in den Deutschen Bundestag für die CDU gewählt, nebenbei deutscher Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, hat unlängst öffentlich die Frage gestellt, warum der Kosovo-Konflikt so eskalieren konnte. Noch wichtiger: warum die OSZE nicht konnte, wie sie in diesem Falle wollte. Wimmer kritisiert eindeutig die US-Politik, wenn er sagt, daß die USA im vergangenen Jahr »alle anderen internationalen Organisationen, auch die Kontaktgruppe, völlig an die Wand gespielt hätten«, und vermutet, daß man im Kosovo-Streit wesentlich weiter gekommen wäre, »wenn man die Europäische Union einfach nur gelassen hätte.« Dunkel fährt der OSZE-Vizepräsident fort: »Aber hier durften bestimmte Ergebnisse offensichtlich nicht erzielt werden ... Man muß den Eindruck haben, daß die Europäer deswegen nichts zustande bringen dürfen, damit die Vereinigten Staaten eingreifen können.«

Ein spezifisches Interesse, in der europäischen Politik nach der weltpolitischen Wende 1989/90 präsent zu bleiben, läßt sich für die amerikanische Politik wiederholt belegen. Dies war das ausschlaggebende Motiv für Präsident Bush, zügig dem Wunsche von Bundeskanzler Kohl zu folgen und ihn gegen die Russen beim Projekt einer raschen deutschen Wiedervereinigung zu unterstützen. Ein Teil dieses Konzeptes war die weitere Mitgliedschaft des vereinigten Deutschlands in der NATO und damit verbunden eine fortwährende Militärpräsenz der USA in der Bundesrepublik.

Die Zukunft der von den Amerikanern als »ihr« Bündnis begriffenen NATO bleibt besonders bei dessen Osterweiterung problematisch. Aus Washingtoner Sicht zielt die Erweiterung weniger nach Osten als in südöstliche Richtung, mit Blick auf den Balkan. Das Beitrittsland Ungarn etwa verfügt über keine gemeinsame Grenze mit den derzeitigen Allianzpartnern. Da mag es für amerikanische Politikplaner nützlich sein, in der Balkanregion Stützpunkte und eigene militärische Infrastrukturen zu bilden.

Ähnlich wie in den anhaltenden Auseinandersetzungen mit dem Irak stehen auch im Kosovo-Konflikt die UN blamiert beiseite. Ziel amerikanischer Politik ist es, die Weltorganisation mit ihrem vetofähigen Sicherheitsrat klein zu halten. Diese Politik schadet aber nicht nur der Völkergemeinschaft. Sie schwächt entschieden alle Bestrebungen, in derartigen Konflikten die Herrschaft des Rechts voranzubringen. Rechtlich hat nur der Sicherheitsrat das Mandat, über militärische Zwangsmaßnahmen gegen souveräne Staaten zu entscheiden. Die USA hebeln nunmehr diese Bestimmung aus und versuchen gar, dieses Muster zum Teil der neuen NATO-Strategie zu machen, die im April in Washington proklamiert werden soll.

Auch der OSZE stehen die amerikanischen Strategieplaner skeptisch gegenüber. »Wir haben in der OSZE eigentlich immer nur eine Art Menschenrechtsorganisation gesehen«, meinte seinerzeit US-Außenminister James Baker. Eine voll handlungsfähige OSZE könnte sich zu einer Konkurrenz für die NATO entwickeln. In der OSZE sind die Amerikaner nur einer von mittlerweile mehr als 50 Mitgliedsstaaten, während sie in der NATO das Sagen haben. Warum also sollen sie die OSZE fördern, zumal die Europäer ihrerseits nicht viel für diese Institution aufwenden?

Der Kompromiß von Rambouillet wird keinen Frieden bringen. Er ist zu sehr ein formaler Schritt. All das, was nach nunmehr zehnjähriger Erfahrung mit derartigen Konflikten gelernt worden ist, bleibt unberücksichtigt. So gibt es keine Wahrheitskommission, die der Annäherung von Serben und Kosovo-Albanern dienen könnte. Auch ist nicht sichtbar, wie anders Entfeindung einsetzen könnte. Die aber ist nötig, sollen derartige Verhandlungen zu tragfähigen Friedensschlüssen führen.

Die Bewohner des Kososvo werden vergeblich nach einem Wiederaufbauprogramm, nach Jobmöglichkeiten, ausländischen Investitionen oder auch nur humanitären Hilfsleistungen in dem Abkommen suchen. Dabei sind dies in den Augen der Betroffenen wichtige Bausteine für das nunmehr erforderliche »peace-building«.

Die von den Amerikanern bemühte »coercive mediation«, Vermittlung durch Zwang, bleibt ein Manöver mit ungewissem Ausgang. Der Ansatz selber ist nicht verwerflich, hilft er weiteres Blutvergießen zu vermeiden. Problematisch wird es nur, wenn der Mittler die zu findende Kompromißlösung selbst vorgibt. Vor allem aber sollte jede Vermittlung die den Verhandlungen folgende Situation strategisch mit in den Blick nehmen, um den Konfliktparteien Aussichten auf ein Leben danach und Unterstützung der internationalen Gemeinschaft zu eröffnen.


Außerdem zum Thema:
Norbert Mappes-Niediek, Belgrad
Dokumentation

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