Nach dem Ausrufen der höchsten Seuchenwarnstufe „6“ hat der Nationale Gesundheitsdienst in Großbritannien die individualmedizinische Betreuung von Grippekranken eingestellt. Wer meint, an grippeähnlichen Symptomen erkrankt zu sein, wird gebeten, nicht bei einem Arzt vorbeizuschauen. Man kann sich telefonisch beraten lassen – aber der einzige Rat lautet: „Bleiben Sie zuhause. Und suchen Sie sich einen ‚Grippe-Freund’, der Sie mit Einkäufen versorgt.“
Was aussieht wie die Kapitulation des öffentlichen Gesundheitssystems vor der Seuche, ist tatsächlich vernünftig und klug. Was sollten die Ärzte sonst tun? Den Patienten ein bisschen ganzheitliche Fürsorge angedeihen lassen und ihnen das Gefühl vermitteln, ernst genommen zu werden? Und dafür das Risiko eingehen, dass sie sich im Wartezimmer anstecken, falls sie doch noch keine Grippe hatten? Sie heilen? Letzteres liegt leider außerhalb medizinischer Möglichkeiten.
In Ländern mit marktwirtschaftlich organisiertem Gesundheitssystem ist die Meinung verbreitet, eine Krankenversicherung sei eine Art Versicherung gegen Krankheit. Im Schadensfall, also bei Ausbruch einer Krankheit, gäbe es dann ein Anrecht auf Wiedergutmachung oder wenigstens auf einen Arzt, der ohne Rücksicht auf Kosten und Mühen alle Mittel ergreift, die der kommerzielle Medizinmarkt für solche Fälle anbietet, um den Schaden zu begrenzen. – Ein schöner Traum, und der vermutlich kostspieligste Irrtum unserer Zeit.
Warum explodieren bei uns die Gesundheitskosten ohne signifikantem Zuwachs an Gesundheit und Lebenserwartung? Die Griechen, beispielsweise, haben zu einem Bruchteil unserer Kosten eine längere Lebenserwartung. Liegt es, wie immer gesagt wird, an den gigantischen Forschungskosten für die Hightech-Medizin? Der Computerindustrie, beispielsweise, gelingt es bei ähnlich hohem Forschungsaufwand, ihre Produkte jedes Jahr großartig zu verbessern und trotzdem billiger anzubieten.
Blinde Hoffnung statt ökonomischer Vernunft
Auch wenn der größte Nutzen für die Gesundheit von so simplen Maßnahmen ausgeht wie der Massenversorgung mit sauberem Trinkwasser, unverdorbener Nahrung und Allgemeinbildung über Hygiene – die Erfolge der medizinischen Wissenschaft darf man nicht kleinreden: Paul Ehrlichs Salvarsan, die Entdeckung des Penizillins und so vieles mehr. Aber wissenschaftliche Medizin heißt, dass man sie nur dort einsetzt, wo sie nach objektivierbaren Maßstäben erfolgreich ist, und wo noch nicht, kein Geld für Scheinbehandlungen verschwenden. Hier liegt die Ursache der Kostenexplosion: Der Wunsch, nicht die Wissenschaft ist Vater unseres Gesundheitssystems – blinde Hoffnung setzt in ihm alle ökonomische Vernunft außer Kraft.
Für Ludwig XIV., Sonnenkönig von Gottes Gnade, war keine Arznei war zu teuer, keine medizinische Erkenntnis zu neu – mit dem Resultat, dass die berühmtesten Mediziner seiner Zeit ihn durch Überbehandlung in einen faulenden und stinkenden zahnlosen Krüppel verwandelten, der unter Höllenqualen verreckte. Dies zur Warnung allen Privatversicherten mit Chefarztbehandlung: Wenn Sie gesund leben wollen, vertrauen Sie lieber einer sozialistischen Massenmedizin auf Grundlage wissenschaftlicher Machbarkeit und ökonomischer Sparsamkeit! Und wenn Sie sich eine Grippe einfangen, nehmen Sie zwei Aspirin und schlafen sich aus.
Nach Schätzung der Deutschen Medizinischen Wochenschrift sterben in Deutschland jährlich 10.000 bis 15.000 Menschen an „Krankenhauskeimen“, die sie sich erst während einer ärztlichen Behandlung eingefangen haben. Zum Vergleich: In ganz Europa sind, Stand: 28. Juli, bislang 40 Menschen an Schweinegrippe gestorben. Seien wir froh, dass wir uns gar nicht leisten können, alle Opfer der anrollenden Pandemie in Krankenhäusern zu pflegen.