Schmerzlos

Nostalgie Eine Tagung in Weimar zum Epochenbruch 1989

Der Kommunismus in der deutschen Erinnerungskultur" stand auf der Tagesordnung des 4. Internationalen Symposiums der Stiftung Ettersberg vergangenes Wochenende in Weimar. Doch über Marx mochte so recht dann doch keiner diskutieren. Schnell konzentrierte sich die Diskussion auf die DDR und die Erinnerung an die Vorgänge, die im Herbst 1989 ihr Ende einläuteten. Was war das damals eigentlich?

Die Antwort auf diese Frage hängt möglicherweise auch davon ab, wo man sich im Herbst 1989 gerade befand. Auf den Straßen von Leipzig oder Berlin, oder irgendwo im Westen. Es war Hans-Ulrich Thamer, Historiker in Münster und gelernter Westdeutscher, dem der Fauxpas unterlief: Er sprach von "Wende" und wurde umgehend durch Zwischenrufe von Teilnehmern kritisiert: "Revolution" müsse es heißen!

So kam es, dass die Referenten aus dem Kreis der DDR-Bürgerrechtsbewegung in ihren Vorträgen erst einmal vorab erklärten, dass 1989 eine Revolution stattgefunden habe: Marianne Birthler etwa nannte es demokratische Revolution und Rainer Eckert befand, friedliche Revolution sei der "richtige" Begriff. Einen Schritt weiter ging Günter Nooke. Er meinte, viele Westdeutsche hätten den Ostdeutschen die friedliche Revolution deshalb nicht verziehen, weil sie nicht gefragt wurden. Ob dieser Generalverdacht seinem engagiert vorgebrachten Anliegen nützt, ein "Denkmal Deutsche Einheit" zu errichten, darf bezweifelt werden. Deutschland brauche, sagte Nooke, ein positives Mahnmal, ein Freudenmal, ja, ein Denkmal als Ort der Demokraten, in dem an die friedliche Revolution des Jahres 1989 erinnert wird. - "Wir sind das Volk! Wir sind ein Volk!" - das sei die Losung, die an dem Denkmal anzubringen sei, das natürlich an einem exponierten Ort in der Hauptstadt errichtet werden müsse. Ganz in der Nähe des ehemaligen Berliner Stadtschlosses findet sich noch das Fundament des Reiterstandbilds von Wilhelm I. Und auf diesen Sockel solle man das "Denkmal Deutsche Einheit" stellen. Da wäre man dann auch dem Ort ganz nah, an dem vor 15 Jahren Geschichte geschrieben wurde, meinte Günter Nooke, denn die demokratisch gewählte Volkskammer beschloss im Palast der Republik den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik.

Aus den "Blühenden Landschaften", die man sich damals erhoffte, ist bekanntlich nichts geworden. Auch sonst ist von der DDR nicht mehr viel übrig, hieß es in Weimar. Die Erinnerung an sie wach zu halten, ist Aufgabe einer ganzen Reihe von Museen und Gedenkstätten. Wichtigstes Anliegen ihrer Arbeit ist es dabei, die Erinnerung an die DDR als Diktatur zu bewahren. Eine Aufgabe, die auf den alljährlichen Feierlichkeiten zur deutschen Einheit auch von der Politik gefordert wird, doch wenn es um´s Geld geht, zeigen sich die politisch Verantwortlichen zugeknöpft.

Ist die unzureichende finanzielle Förderung der Erinnerungsarbeit in den Museen und Gedenkstätten mit verantwortlich dafür, dass die DDR als Diktatur zunehmend aus der Wahrnehmung der Bevölkerung verschwindet? Wissenschaftliche Untersuchungen haben letzteres, so wurde berichtet, mehrfach belegt. Dabei bezieht sich dieser Befund keineswegs allein auf die westdeutsche Bevölkerung, für die der andere deutsche Staat ja doch meistens fremd und unbekannt geblieben war. Auch bei vielen Ostdeutschen verblasst die Erinnerung an den Diktaturcharakter der DDR. In den Blick gerät demgegenüber der Alltag, in dem versucht wurde, in Normalität zu leben, gewissermaßen jenseits der Diktatur - eine Art der Erinnerung, die manche in Weimar für nostalgisch erklärten. "Doch warum lieben die Leute die Nostalgie?" fragte Joachim Gauck mit Blick auf die einschlägigen Fernsehshows, Filme und Publikationen. "Nostalgisches Erinnern schmerzt nicht", so Gaucks Diagnose. Man wolle eben auch von seinem Leben in der Diktatur etwas bewahren und nicht alles in den Abgrund werfen.

Die Form selektiven, nostalgischen Erinnerns ist bekanntlich schon im Umgang mit der NS-Diktatur zu beobachten gewesen. Auch darum ging es in Weimar. Doch das Thema sprengte den Zeitrahmen der anderthalb Tage endgültig. Auf der Strecke blieb so eine ausführliche Auseinandersetzung mit gewagten Thesen, wie etwa der von Horst Möller, dem Leiter des Münchener Instituts für Zeitgeschichte. Er stellte gewissermaßen das westdeutsche Beschweigen nationalsozialistischer Karrieren in Abrede. Wenn in der Bundesrepublik eine Diskussion über die NS-Vergangenheit eines Staatsdieners aufgekommen sei, habe der Betroffene nicht im Amt bleiben können, behauptete der Professor aus München doch tatsächlich. Zum Glück aber sind solche akademischen Verdrehungen von der Geschichtswissenschaft längst widerlegt.


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