"Nähere dich und gib dich zu erkennen!" ruft der Rekrut auf Wachposten, als er jemanden hört. "Feldwebel Johns!" kommt als Antwort.
"Nähere dich und gib dich zu erkennen!" ruft der Wachposten noch einmal. "Ich sagte doch schon, ich bin Feldwebel Johns!" kommt als Antwort.
"Nähere dich und gib dich zu erkennen!" ruft der Wachposten zum dritten Mal. "Was glaubst du denn, was du tust, du Idiot!" schreit der Feldwebel.
"Das ist mein Befehl", antwortet der Rekrut, "dreimal zu rufen: Nähere dich und gib dich zu erkennen - und dann zu schießen."
Dies ist ein alter, britischer Armeewitz - und zufällig auch das Programm der sich gerade bildenden Regierung in Israel.
Jede israelische Regierung muss "Grundlegende Richtlinien" haben, auch wenn die nicht verpflichtend sind, denn alle unsere Regierungen haben ihre "Grundlegenden Richtlinien" bei vielen Gelegenheiten verletzt. Aber Tradition und Sitte verlangen, dass es sie gibt, um sie auf den Tisch der Knesset zu legen - zusammen mit dem Abkommen über eine Koalition. Diese wiederum sollte unter Umständen einen wahren Führer in die Lage versetzen, seine Vision umzusetzen. Ein Premierminister jedoch, der ein Politiker ist - und nichts sonst als ein Politiker - ist einfach auf eine Koalition bedacht, die ihm selbst das Leben leichter macht. Ehud Olmert gehört zur Kategorie zwei. Er möchte in der Mitte des Bettes liegen zwischen einem rechten und einem linken Partner, möglichst von gleicher Größe.
Momentan hat es den Anschein, dass es sich beim linken Partner um die Arbeitspartei von Amir Peretz handelt (vermutlich mit sechs Ministern) - beim rechten um die Shas-Partei (Vorsitzender Eli Yishai), die Orthodoxen und die Lieberman-Partei Unser Haus Israel (zusammen mit etwa sieben Ministern). Die Rentnerpartei (zwei Minister) wird in der Mitte sein - Kadima-Minister soll es zehn geben und dazu die Hoffnung von Ehud Olmert, diese Konstruktion möge eine ganze Amtsperiode bis November 2010 halten.
Die "Grundlegenden Richtlinien" reflektieren dieses Ziel. Sie müssen es für Amir Peretz, Eli Yishai und Avigdor Lieberman möglich machen, sich der Regierung anzuschließen.
Lieberman wünscht ein Land ohne Araber, zu diesem Zweck ist er bereit, ganze Gebiete Israels aufzugeben, die von arabischen Bürgern bewohnt sind, und als Gegenleistung Territorien der Westbank zu annektieren. Im Gegensatz dazu wünscht Amir Peretz für die arabischen Bürger Israels die volle Gleichheit und möchte mit der palästinensischen Autonomiebehörde Verhandlungen führen - Lieberman möchte sie zerstören. Und Olmert selbst wünscht natürlich, seinen "Plan des Zusammenlegens" zu verwirklichen. Das bedeutet: Israel setzt "einseitig" seine "permanenten Grenzen" fest - ohne Abkommen und Partnerschaft mit den Palästinensern.
Was also tun? Man muss die "Grundlegenden Richtlinien" so zusammenflicken, dass jeder damit einverstanden sein kann. Unmöglich? Im Gegenteil! Nichts ist einfacher. Man braucht nur einen guten Anwalt - und von denen haben wir jede Menge. Man wird einfach sagen, die Regierung werde nach der Rede handeln, die Olmert nach dem Schließen der Wahllokale am Wahltag gehalten hat. Das dürfte jeden zufrieden stellen.
Derzeit gibt es drei Lager in Israel: Das erste rekrutiert diejenigen, die wirklich mit den Palästinensern verhandeln wollen, um die Zwei-Staaten-Lösung zu ermöglichen. Das zweite umfasst all jene, die einen "einseitigen" Rückzug wünschen, um Teile der Westbank zu annektieren und deren Rest den Palästinensern zu überlassen, nachdem dort die Siedlungen aufgelöst wurden. Schließlich gibt es die dritte Gruppe, die solch einen "einseitigen" Rückzug unter dem Vorwand ablehnt, den Palästinensern werde Land gegeben, ohne dass die selbst etwas dafür geben müssten. Tatsächlich wird von dieser Seite jedes Abkommen mit den Palästinensern und jede Rückgabe von Land ausgeschlossen. Amir Peretz gehört zur ersten Fraktion, Olmert zur zweiten, Lieberman samt Yishai zur dritten. Die "Grundlegenden Richtlinien" sollen sie alle zufrieden stellen!
Wie? - Die Antwort liegt im britischen Witz. Das heißt, Israel wird zunächst die Palästinenser zu einem Frieden aufrufen, der auf einer Zwei-Staaten-Lösung beruht. Wenn dann klar wird, dass es keinen Partner für solch einen Frieden gibt, wird man sein Schicksal in die eigenen Hände nehmen und die Grenzen einseitig festlegen. In seiner Rede am Wahltag wandte sich Olmert bekanntlich mit klingendem Pathos direkt an den palästinensischen Präsidenten Abbas und bot ihm an, mit Friedensverhandlungen zu beginnen.
Diese Offerte ist von einem großen Augenzwinkern gegenüber dem israelischen Publikum begleitet. Jeder versteht, dass dies eine Phase ist, die wir durchlaufen müssen, bevor wir zur eigentlichen Sache kommen. Das Manöver bedient vielfältige Absichten: Es soll Amir Peretz mit einem Feigenblatt versehen, wenn er darum gebeten wird, die einseitigen Schritte zu unterstützen - und es soll die Amerikaner zufrieden stellen, wenn sie darum gebeten werden, der Annexion großer Teile der Westbank zuzustimmen, und Lieberman wie der Shas-Partei Zeit geben, in der sie sich an der Regierung erfreuen, bevor Ehud Olmert den "Plan des Zusammenlegens" erfüllen wird.
Das ist allen klar. Darum diskutiert keiner - absolut keiner - das Angebot an Mahmoud Abbas, während jeder über die Annexion redet, die danach kommt. Wie jener britische Wachsoldat: Rufe einmal, rufe zweimal, rufe ein drittes Mal - und dann schieße.
Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs
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