Ein Erfolg der für Ende des Monats geplanten Nahostkonferenz in Annapolis (US-Staat Maryland) steht in den Sternen. Die arabische Welt ist zwar gegenüber Israel offener und kompromissbereiter als je zuvor, doch will die Regierung Olmert weiterhin von den Friedensplänen des saudischen Königs und der Arabischen Liga nichts wissen. Condoleezza Rice könnte einen Durchbruch in Annapolis für ihre eigene Reputation gut gebrauchen.
Jauchzet, frohlocket! Die Ministerin hat entschieden, in ihrem Stab ein Sonderkomitee einzurichten, das sich "Kernfragen" eines Friedens mit den Palästinensern widmen soll, dies nicht zuletzt im Vorgriff auf die geplante Nahostkonferenz in Annapolis und im Auftrag des Premierministers. Man könnte fragen: Ist es nicht die selbstverständlichste Sache der Welt, dass sich das israelische Außenministerium mit Außenpolitik befasst? Das mag für andere Länder gelten. In Israel ist es alles andere als selbstverständlich.
Dieser Staat wurde im Krieg geboren, seine Helden waren die Armeekommandeure, sein Architekt hieß David Ben-Gurion, der bis zu seinem letzten Tag im Amt sowohl Ministerpräsident als auch Verteidigungsminister war und seine Verachtung für das Außenministerium nie verborgen hat.
Das ging bis in die persönlichen Beziehungen hinein. Ben-Gurion schikanierte Israels ersten Außenminister Moshe Sharett, den er als Rivalen fürchtete und entsprechend behandelte. Als sich Ben-Gurion 1953 dazu entschlossen hatte, vorübergehend aus dem Amt zu scheiden und in die Wüstensiedlung Sde Boker zu gehen, wurde Sharett Ministerpräsident. Er zahlte dafür einen hohen Preis: als der Eremit aus seinem Exil zurückkam, hatte Sharett ausgesorgt und wurde bald entlassen. Danach blieb es für Jahrzehnte ein Axiom: Die außenpolitischen Beziehungen regeln das Ministerpräsidentenbüro und das Verteidigungsministerium - mit Hilfe des Mossad.
Bis heute gilt: Die Expertisen des Nachrichtendienstes der Armee und die Berichte des Mossad übertrumpfen alle Dokumente des Außenministeriums - falls die überhaupt von jemandem gelesen werden. Daher konnte ich nur lachen, als ich von Zipi Livnis Entscheidung las, sie habe einen Friedensstab gegründet.
Livni verachtet Olmert, und Olmert verachtet Livni
Vor 51 Jahren - eine Woche vor dem Sinaifeldzug - veröffentlichte ich einen Artikel unter dem Titel Der weiße Generalstab, der so etwas wie mein Flaggschiff wurde. Da es in Israel vorrangig darum gehe, Frieden zu erlangen - so schrieb ich - sei es unannehmbar, dass es kein professionelles Amt gäbe, das sich ausschließlich damit beschäftige. Ich schlug vor, ein gesondertes Ministerium für den Frieden zu gründen, und behauptete, das Außenministerium sei dafür nicht geeignet, da seine Hauptaufgabe darin bestehe, den internationalen politischen Kampf gegen die arabische Welt zu führen. Zehn Jahre später wiederholte ich diesen Vorschlag bei einer Knessetrede. Ich schilderte die Beobachtung, dass es in dem ganzen großen Regierungsapparat mit seinen Zehntausenden von Mitarbeitern kaum ein Dutzend Leute gab, die den Auftrag hatten, für den Frieden zu arbeiten.
Dem ging eine ziemlich amüsante Episode voraus: Eric Rouleau, einer der bedeutendsten französischen Nahost-Berichterstatter, hatte in Paris ein geheimes Treffen zwischen dem tunesischen Botschafter und mir arrangiert. Es war, nachdem Präsident Habib Bourguiba* seine historische Rede in Jericho gehalten und darin zum ersten Mal die arabische Welt dazu aufgerufen hatte, mit Israel Frieden zu schließen. Ich bat den Botschafter, seinen Staatschef zu ermutigen, mit derartigen Appellen fortzufahren. Der schlug daraufhin einen Deal vor: Israel solle seinen Einfluss in Paris nutzen und die Franzosen dazu bringen, ihre Beziehungen mit Tunesien zu verbessern (die auf einem Tiefpunkt waren). Im Gegenzug würde Bourguiba seine Initiative fortsetzen.
Ich eilte nach Hause und bat um ein dringendes Gespräch mit Außenminister Abba Eban. Der brachte Mordechai Gazit mit, den Chef der Nahost-Abteilung. Eban hörte mir aufmerksam zu und antwortete mit ein paar unverbindlichen Worten. Als wir gingen, brach Gazit in Gelächter aus: "Sie wissen nicht, was hier los ist. Wenn Eban dies ernst genommen und in seinem Ressort Order erteilt hätte, einen Bericht über die französisch-tunesischen Beziehungen zu erstellen, gäbe es niemanden, der dies tun könnte. Im ganzen Ministerium gibt es kaum ein halbes Dutzend Leute, die sich mit arabischen Angelegenheiten befassen."
Ich hielt also jene Rede und sprach danach mit Premierminister Levy Eshkol und Jahre später über das gleiche Thema mit Premierminister Yitzhak Rabin - nichts geschah. Deshalb meine Skepsis gegenüber den Absichten der Frau Livni. Diese Außenministerin redet, erklärt und verkündet, aber es ist überhaupt nicht klar, wohin sie unsere Außenpolitik führen würde, wäre es ihr denn erlaubt, sie zu führen. Nach zwei Jahren im Amt ist ihr politisches Profil ohne Kontur.
Einmal versucht sie, Olmert von links her anzugreifen, ein andermal von rechts. Sie unterstützte im vergangenen Jahr den Libanon- Krieg, um ihn jetzt plötzlich scharf zu kritisieren. Als der Untersuchungsbericht der Winograd-Kommission zu diesem Feldzug vorlag, rief sie Olmert zum Rücktritt auf - wohl in der Absicht, sein Amt zu übernehmen. Der kleine Putschversuch brach in sich zusammen - Livni blieb trotzdem im Kabinett und trug weiter die Fehlkalkulationen und Unterlassungen des Regierungschefs mit.
Livni verachtet Olmert und Olmert verachtet Livni. Sie kommen zwar beide "aus demselben Dorf" - Ehuds Vater und Zipis Vater waren beide ranghohe Mitglieder des Irgun**. Das heißt, beide tranken aus derselben Quelle. Als Livnis Mutter vor ein paar Wochen starb, standen sie beim Begräbnis neben einander und sangen die Betarhymne: "Stille ist Schmutz / opfere Blut und Seele für den verborgenen Ruhm ..." (Betar war die Jugendbewegung des rechten Flügels der zionistischen Bewegung.)
Die gegenseitige Verachtung zwischen Ben Gurion und Sharett wiederholt sich und wieder sind die Folgen für die israelische Politik erheblich - frei nach dem berühmten Wort Henry Kissingers: "In Israel gibt es keine Außenpolitik, sondern nur Innenpolitik." Mir scheint, dies trifft auf die USA ebenso zu.
Keine Blumen aus dem Gaza-Streifen ins Land der Tulpen
Wenn eine Regierung kein langfristiges Ziel hat, wie kann sie dann Politik machen? Darauf gibt Kissinger keine Antwort. Ich habe eine: Wenn es kein bewusstes Ziel gibt, übernimmt ein unbewusstes die Kontrolle. Eines, das seit langem besteht und - dank des Trägheitsmoments - weiter besteht.
Der genetische Code der zionistischen Bewegung führt zu einem Kampf mit den Palästinensern um den Besitz des gesamten historischen Palästina und um die Erweiterung der jüdischen Besiedlung vom Meer bis zum Fluss. Solange dies nicht durch einen nationalen Konsens überwunden ist - durch eine klare, offene und langfristige Entscheidung -, wird es immer so weiter gehen.
Olmerts Minister plappern über die "Zwei-Staaten-Lösung", werfen mit allerlei Sprüchen um sich und veröffentlichen Erklärungen, aber in Wirklichkeit wird die alte Politik unvermindert fortgesetzt, als ob nichts geschehen sei. Wäre eine andere Entscheidung getroffen worden, würde sich alles verändert haben - von der "Körpersprache" der Regierung bis zum Ton ihrer Stimme. Im Augenblick ist es die Musik der Betarhymne, die den Ton der Musik ausmacht.
Gibt es irgendeinen Beweis für Olmerts Absicht, keinen wesentlichen Schritt in Richtung Frieden zu machen? Ja, den gibt es. Es ist sein Entschluss, Zipi Livni mit den Kontakten zu den Palästinensern zu beauftragen. Wollte Olmert wirklich einen historischen Durchbruch, wäre er darauf bedacht, den Erfolg auf seine eigene Rechnung zu buchen. Wenn er dies seiner Rivalin überlässt, bedeutet das: Es ist aussichtslos.
In der zurückliegenden Woche trat die niederländische Regierung mit der Bitte an das israelische Außenministerium heran, den palästinensischen Gärtnern aus dem Gazastreifen den Export ihrer Waren ins Land der Tulpen zu ermöglichen. Zipi Livni, die stellvertretende Ministerpräsidentin und Außenministerin, war nicht in der Lage, diese bescheidene Forderung zu erfüllen. Die Armee hatte es untersagt.
Aus dem Englischen von Ellen Rohlfs und Christoph Glanz
* Habib Bourguiba (1903- 2000) war zwischen 1957 und 1987 Präsident der Tunesischen Republik.
** 1931 gegründete jüdische Untergrundorganisation.
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