Während der ersten Amtszeit der Regierung Bush gerieten die Beziehungen mit Indien in ein nie zuvor erreichtes Hoch. Während der zweiten versprechen sie, noch besser zu werden", meinte US-Botschafter David C. Mulford Ende Januar in der Talkshow Tonight at 10 des Hongkonger CNBC TV. Aber mag der Himmel auch noch so aufreißen über der indisch-amerikanischen Diplomatie, eine Einladung der USA an den hohen Tisch der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates gibt es trotzdem nicht. Während Großbritannien, Frankreich, Russland und sogar China dem Verlangen Delhis nach ständiger Präsenz im mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen mit mehr oder weniger erkennbarem Wohlwollen begegnen, verweigern die USA beharrlich ein positives Plazet, so oft das in Washington auch schon erwogen oder angekündigt wurde.
Dabei ist Indien ein "natürlicher und selbstverständlicher Kandidat" - wie es der britische Premier Tony Blair jüngst formulierte -, wenn es um einen reformierten Sicherheitsrat geht. Auf unserem Globus ist heute jeder Sechste Bürger der Indischen Union. Von Delhi aus wird die größte säkulare Demokratie mit der größten Hindu-Bevölkerung und der zweitgrößten Moslem-Community der Welt regiert. Der indische Staat unterhält mit seinen Streitkräften eine der weltweit schlagkräftigsten Armeen und darf sich seit dem "Doppelknall von Pokhran" im Mai 1998 zu den Nuklearmächten dieser Erde rechnen. Indien ist auf dem Sprung zur IT-Nation und - hat nach den USA, China und Japan - das viertgrößte Wirtschaftspotenzial der Welt. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts war in den vergangenen Jahren spektakulär (s. Übersicht).
Nur, ohne Zuspruch der Vetomacht USA wird Indien nie Vetomacht der UNO sein können. Wenn Washington auf Distanz bleibt, geschieht das offenbar in der Absicht, Premier Singh weiter auf den Zehenspitzen tanzen zu lassen. Es ist ein Erfolg des hinhaltenden Taktierens der Amerikaner, dass die Kongress-Regierung trotz vehementer Warnungen der eigenen Generalität ein von der BJP-Regierung* des Ministerpräsidenten Vajpayee geschlossenes Militärabkommen nicht - wie ursprünglich beabsichtigt - kündigt und damit US-Militärs weiter Zugang zu Gebirgsstützpunkten an der indisch-chinesischen Grenze in Sikkim haben.
Die Zähmung des globalen Aufsteigers soll einer Stärkung und Transformation der bilateralen Beziehungen zwischen den USA und Indien dienen, wie das seit Ende 2002 einem Strategiepapier des State Department zu entnehmen ist. Präsident Bush, meint Botschafter Mulford blumig, habe "eine andere Vision der Weltinitiative". Er sehe gute Chancen für eine Kooperation mit Indien - außerhalb der Vereinten Nationen, ließe sich ergänzen.
Als Führer der in den Hintergrund gedrängten, aber längst nicht aufgegebenen Blockfreien-Bewegung könnte Indien mit einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat jenen Staaten willkommen sein, die sich imperialer Weltordnungspolitik nicht bedingungslos unterwerfen. Anfang Februar begann dazu in Delhi erstmals in der Geschichte beider Staaten eine indisch-chinesische Strategie-Debatte. Noch in diesem Jahr soll - auf Initiative Russlands - ein Gipfeltreffen am Baikalsee zwischen Präsident Putin, dem indischen Premier Manmohan Singh und dem chinesischen Regierungschef Wen Jiabao den Grundstein für eine ungewöhnliche Dreiecksbeziehung legen.
Anfang der sechziger Jahre hatten die USA durch eine massive und provozierende Militärhilfe für Pakistan die indische Regierung zum Schulterschluss mit der Sowjetunion gedrängt, woraufhin das maoistische China - 1963/64 eskalierte der Konflikt mit Moskau zum offenen Bruch - gleichfalls zum Alliierten Pakistans wurde. Die Amerikaner wollten seinerzeit nicht nur das regionale Gleichgewicht verändern, sondern vor allem ein befürchtetes "indisch-chinesisches Elefantenbündnis" verhindern. 40 Jahre später taucht diese "Gefahr" am Horizont wieder auf - und könnte schon in den nächsten Monaten an Kontur gewinnen.
Indische Zeitungen berichten überdies, der Iran werde seit Wochen von amerikanischen Spezialflugzeugen überflogen, die eine perfekte digitale Radarkarte anlegten. Ein technisch neuartiger, "eleganter" Krieg sei in Vorbereitung, der mit dem externen Abschalten der Flugabwehrsysteme Irans beginnen solle, heißt es, punktgenau durch von Satelliten gesteuerte Laserstrahlen. Der Sicherheitsrat könne seinen Einsatz verpassen, bevor die Plätze am Runden Tisch neu verteilt seien.
Man hat noch den zynischen Satz Richard Perles im Ohr, der im März 2003 kurz vor dem Irak-Feldzug verkündet hatte, Saddam Hussein werde nicht allein im Trümmerfeld seines Landes versinken, sondern dies zusammen mit der UNO tun. Übrig bleiben würden die "Gute-Werke-Abteilung", die "Friedentruppen-Bürokratie" und die "gute alte Chatterbox am Hudson". Indien hat sich einer solchen Domestizierung der Weltorganisation stets widersetzt. Dass es als Mitglied des Sicherheitsrates in dieser Hinsicht noch resoluter agieren dürfte, steht außer Zweifel. Die Islamische Republik Iran wird in Delhi - trotz ihres fundamentalistischen Regimes - als traditionell eng befreundetes Land betrachtet und ist zudem ein zentraler Handelspartner. Indien dürfte kaum schweigen und sich auch in der UNO zu Wort melden, sollte es in Teheran dunkel werden.
* Bis Mitte 2004 wurde Indien von einer Koalition unter Führung der hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) regiert.
Indiens Wirtschaft 2002 - 2004
(in Prozent)Quelle: Economic and Social Commission for Asia and the Pacific (ESCAP)
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