Wird der Sieg noch verspielt?

Votum in Pakistan Eine Koalition der Volkspartei mit Nawaz Sharifs Muslimliga ist fraglich

Nach der Abstimmung begann das Fest: Erleichterung, Jubel und Zufriedenheit. Selbst die Börse machte einen optimistischen Sprung. Wird ein neues Kapitel der pakistanischen Geschichte eingeläutet?

Präsident Musharraf - keineswegs außer Landes geflohen, wie ein nächtliches Gerücht nach dem Wahltag behauptete - steht vor der Wahl, sich dem klaren Urteil des Volkes zu beugen und mit traurigem Lächeln zurückzutreten oder sich mit einer Regierung auseinander zu setzen, die entschlossen ist, ihm den Garaus zu machen. Geht es nach den erklärten Absichten seines alten Intimfeindes Nawaz Sharif, sieht Musharraf nicht nur seiner Absetzung als Präsident, sondern auch einem Prozess wegen Hochverrats entgegen. Aber so weit ist es noch nicht.

Ob sich die Sieger der Abstimmung - Sharifs Muslim-Liga PML-N und die Volkspartei (PPP) der ermordeten Benazir Bhutto - zu einer arbeitsfähigen Regierung zusammenraufen, wird sich erst in den nächsten Wochen zeigen. Viel vereint sie nicht, sieht man einmal davon ab, dass beide von hartgesottenen "Kleptokraten" geführt werden. PPP-Parteichef Zardari und Nawaz Sharif könnten theoretisch noch immer wegen Korruption vor Gericht gestellt werden, besonders falls das Oberste Gericht Musharrafs "Versöhnungsdekret" annulliert.

Wie auch immer, die geschlagene Präsidentenpartei wird sich im neuen Parlament auf die Oppositionsbänke bequemen müssen, sollte nicht doch noch ein Deal mit der PPP zustande kommen. Benazirs Witwer, Asif Ali Zardari, hatte unlängst Bereitschaft zur Kooperation mit Musharrafs PML-Q signalisiert. Nachdem die große Gefühlswelle, wie sie von der PPP nach der Ermordung Benazirs zum einzigen Wahlthema hochgeschaukelt wurde, der Partei zwar viele, aber nicht genügend Stimmen gebracht hat, um allein zu regieren, muss Zardari entscheiden, mit welcher der beiden Muslim-Ligen er koalieren will.

Die Entschlüsse der PPP werden in Washington gefällt, sagen politische Analytiker in Islamabad. Stimmt das, könnte Nawaz Sharif trotz des unerwarteten Wahlerfolges seiner Partei am Ende das Nachsehen haben. Denn die US-Regierung sieht ihn mit Misstrauen. Er gilt als nicht sonderlich williger Partner im "Krieg gegen den Terror" und dürfte sich als Premier nicht an das amerikanische Drehbuch halten. Sollten seine PML-N und die Volkspartei dennoch eine Koalition bilden, könnte Staatschef Musharraf erheblich unter Druck geraten. Um ihn verfassungsgerecht abzusetzen, müsste die neue Regierung freilich zwei Drittel der Abgeordneten beider Häuser des Parlaments gewinnen, was unwahrscheinlich ist, solange der Präsident die Mehrheit im Oberhaus hinter sich hat.

Auf der anderen Seite kann Musharraf noch immer jede unliebsame Regierung einfach absetzen, wenn dieses autokratische Privileg, dem in den neunziger Jahren vier Regierungen zum Opfer fielen, nicht per Verfassungsänderung abgeschafft ist, was gleichfalls eine Parlamentsmehrheit von zwei Dritteln voraussetzt. Die dürfte nicht ganz leicht zu erreichen sein, denn Zwist zwischen den potenziellen Koalitionären ist programmiert. Beobachter geben einem Bündnis aus Volkspartei und Sharifs PML-N höchstens zwei Jahre.

Insofern sitzt Pervez Musharraf bis auf weiteres noch vergleichsweise sicher im Sattel und könnte sich gar als der "väterliche" Präsident, als der er sich angesichts der Wahlergebnisse empfahl, bis ans Ende seiner Amtszeit retten. Eine tatsächliche Schwächung droht von anderer Seite - Armeechef General Kiyani hat begonnen, Musharrafs politische Basis abzubauen. Mit zwei Erlassen vor der Wahl will er die enge Verflechtung von Militär und politischem Establishment auflösen. Soldaten dürfen sich nicht mehr mit Politikern treffen und müssen sich aus Verwaltung, Industrie und Bildungswesen zurückziehen. Kiyani scheint willens, die Armee auf ihre eigentliche militärische Mission zu reduzieren und den Moloch, der Pakistan seit Jahrzehnten beherrscht, abzuschaffen. Das ist im Sinne der USA und der Bevölkerung und dürfte den Maßnahmen der Armee zur Bekämpfung der Taliban die nötige Unterstützung einbringen. Ob allerdings dieses reformierte Militär bereit ist, Musharraf - falls nötig - vor Absetzung und Anklage zu retten, ist fraglich.

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