Gleich drei profilierte Frauen von den Bündnisgrünen werden in der nächsten Bundestagswahl nicht mehr antreten: Monika Knoche, Annelie Buntenbach und Andrea Fischer. Ein Indiz für frauenabweisende Männerkultur in der deutschen Parteienlandschaft? Ist es ihnen zu blöd geworden, den ewigen Testosteron-Wallungen der Redner im Bundestag folgen zu müssen, all diesem Fäuste-Ballen, Mit-dem-Zeigefinger-drohen und Rivalen-ankläffen?
Auf den ersten Blick sind die Motive der drei nicht auf einen Nenner zu bringen, schon gar nicht auf einen frauenpolitischen. Gemeinerweise verweigert sich die Wirklichkeit griffiger Vereinfachung: Monika Knoche und Annelie Buntenbach gehören zu der Gruppe der acht grünen Abgeordneten, die Schröders "uneingeschränkte Solidarität" mit den USA gerne in Schranken verwiesen hätten; Andrea Fischer hingegen zieht auf ihre Art die Konsequenz aus einer Abstimmungsniederlage.
Der Preis für das Mitregieren war der Kosovo-Krieg. Mit Schröder wurde die Partei zu der ko-alkoholischen Ehefrau, die alles mitmacht
Monika Knoche
"Ich hätte einen sicheren Listenplatz kriegen können", sagt Monika Knoche, "aber ich kandidiere nicht noch mal." Die Grünen in der Regierungsverantwortung haben nach ihrer Auffassung nur kleinste Kompromisse zu Stande gebracht und "den Krieg rehabilitiert". Sie wolle weder eine "Attrappe" werden noch sich "unter Artenschutz" stellen lassen. Nein, verbittert sei sie nicht, meint die Gesundheitsexpertin. Aber das, was sie erzählt, hört sich schon recht bitter an. Sie sei von den Kriegsbefürwortern in ihrer Partei mit unschönen Methoden bekämpft worden: "Ich musste im Spiegel lesen, ich würde in die PDS eintreten wollen. Das ist umfassendes Mobbing."
"Denunziation" ist ein Begriff, der im Gespräch mit der früheren Verwaltungsangestellten und Gewerkschaftsfrau immer wieder auftaucht. Seit acht Jahren und zwei Legislaturperioden erlebt sich die 47-Jährige in einem "Klima der systematischen Denunziation". Vor allem in der zweiten Legislaturperiode hätten die rechten Realos das Projekt verfolgt, die Grünen zu einer ökologischen Bürgerrechtspartei mit marktradikalen Positionen zu machen. Der Preis für das Mitregieren sei der Kosovo-Krieg gewesen. Mit Schröder wurde die Partei zu der "ko-alkoholischen Ehefrau, die alles mitmacht". Aber die Strategie, meint Knoche, habe sich als völliger Fehlschlag erwiesen, die FDP sei keineswegs an den Rand gedrängt worden und die eigenen Wahlergebnisse "vernichtend". Statt jedoch den eigenen Kurs zu korrigieren, sei sie, die Kriegsgegnerin, in den eigenen Reihen "als Schuldige identifiziert und marginalisiert" worden.
Dass unter diesen Umständen "vom Feminismus nichts mehr übrig blieb" ist für Knoche kein Wunder. Grüne Frauen stünden heute für einen eher "kleinbürgerlichen Politikentwurf" und verträten, zum Beispiel beim Gesetzentwurf zum Import von embryonalen Stammzellen, ein "utilitaristisches Menschenrecht". An dieser Stelle beginnt Monika Knoche, Namen aufzuzählen. Enttäuschte Hoffnungen? Oder eher Stutenbissigkeit?
Die Kriegsfrage ist eine Geschlechterfrage. Aber es gibt auch in der grünen Fraktion männliche Kriegsgegner und weibliche Kriegsbefürworter. Für die war das Thema Militär verbotenes Land, das heute faszinierend wirkt
Annelie Buntenbach
Annelie Buntenbach will sich nicht mehr zur Wahl stellen, weil "die dafür notwendige Arbeitsgrundlage abgebröckelt ist", erklärt sie. Die Kluft zwischen der Fraktion und ihr habe sich in vielen Fragen der Wirtschafts-, Sozial- und Militärpolitik vergrößert. Dass Schröder die Vertrauensfrage erzwang, habe einen "großen Schaden bei der Partei" und "viel Parteienverdrossenheit in der Bevölkerung" verursacht, meint die 47-Jährige ehemalige Setzerin aus Nordrhein-Westfalen. Hier habe sich gerächt, dass es bei den Grünen nie eine grundsätzliche Auseinandersetzung um die Rolle des Militärs gegeben habe: "Das hat zu einem heftigen Pendelschlag zur anderen Seite hin geführt".
Ist die Kriegsfrage auch eine Geschlechterfrage? Ja, findet Buntenbach. Sie habe dreistündige Debatten ums Militär erlebt, wo sie als einzige Frau geredet habe. Frauen sind in diesem Bereich zwar absolut unterrepräsentiert, aber auch widerspenstig: "In den letzten beiden Legislaturperioden kamen abweichende Positionen mehrheitlich von Frauen", seit 1994 existiere hier eine "weibliche Achse". Allerdings, räumt sie ein, stimme das Bild nicht ganz: In der Fraktion gibt es auch männliche Kriegsgegner und weibliche Kriegsbefürworter. "Für die war das Thema Militär früher verbotenes Land, vielleicht verspüren sie deshalb eine so große Faszination."
Buntenbach spricht ruhig, sachlich, fern von jeder persönlichen Polemik. Nein, sagt sie, sie sei weder bitter noch resigniert. Als "Politjunkie", wie sich sich bezeichnet, wird sie sicherlich auch weiterhin politisch aktiv bleiben, wenn auch nicht unbedingt hauptberuflich. Rechtsextremismus, Globalisierung, soziale Umverteilung - für diese Themen interessiert sie sich immer noch brennend. Bewegungen wie Attac verfolgt sie mit Sympathie. Wahrscheinlich, überlegt sie, könne man derzeit außerhalb des Parteienspektrums mehr erreichen als innerhalb.
Frauen müssen endlich lernen, nicht nur kompetent, sondern auch ruchlos und schamlos zu sein
Andrea Fischer
Andrea Fischer hingegen will aufhören, weil ihre Partei "eine klare Aussage gemacht hat". Im Januar hatten Werner Schulz, Christian Ströbele und Andrea Fischer um Platz zwei der Berliner Landesliste der Grünen konkurriert, und Fischer war bei den grünen Delegierten durchgefallen. In der Folge schlug sie aber auch das Angebot der Hamburger Grünen aus, dort auf Platz eins zu kandidieren: "Jetzt will ich nicht mehr."
"Das Leben ist wundervoll jenseits der Berufspolitik", findet die ehemalige Bundesgesundheitsministerin in Frühlingslaune, und man meint, die Krokusse rund um sie herum sprießen zu sehen. "Ich hab so viele Talente, die ich gerne ausprobieren möchte. Und ich freu mich auf ein Privatleben." Dass der Reichtum eines Lebens in seinen vielen Möglichkeiten besteht, das ist vielleicht auch die Erfahrung einer Quereinsteigerin, die sich in vielen verschiedenen Berufen bewähren musste - als Druckerin, Korrektorin, Ökonomin, Sozial- und Rentenexpertin und zuletzt als Ministerin.
Lieber eine Erfolg versprechende Karriere beenden, als die Achtung vor sich selbst verlieren - ist das typisch Frau? "Nein", dementiert die 42-Jährige, "an das typisch Weibliche glaube ich immer weniger". Die Erfahrung einer dank Quote immer noch weiblich dominierten Bundestagsfraktion hat ihr alle romantischen Flausen aus dem Kopf getrieben, denn die Frauen machten es "auch nicht netter als die Jungs".
Auf jeden Fall ist ihr Schritt typisch Fischer. Ähnlich wie bei ihrem Rücktritt, bei dem sie die Verantwortung für die BSE-Schlampereien ihrer Untergebenen übernahm, legt sie auch hier wieder Wert darauf, "hocherhobenen Hauptes" aus dem Raum zu schreiten. Natürlich habe sie auch "viel Beinhartes" erlebt, sagt sie: Projektionen aller Art, Sexismus als politische Waffe, das Abserviertwerden auf dem Berliner Parteitag. Aber das Politikmachen ist auch "beglückend" gewesen, "ein Geschenk", die Gesellschaft mitgestalten zu dürfen: "Ich will keinen Tag missen, auch nicht diejenigen, an denen ich dachte, ich springe aus dem Fenster". Auch die Geschichte von den Grünen als patriarchalischer Partei will sie nicht erzählen. Natürlich sieht sie, dass es immer noch erschreckend viele Männer gibt, die sich nicht verändern. Aber auch Frauen könnten "nicht mit Macht und Konkurrenz umgehen", sie würden sofort "persönlich".
Drei Frauen - drei unterschiedlich begründete Entschlüsse. Auf den zweiten Blick aber stellt sich die Frage, ob hinter dem Abgang von Knoche, Buntenbach und Fischer nicht vielleicht doch ein Gemeinsames steckt: Die Erfahrung von Frauen in der Politik, im Zweifelsfall keinen Rückhalt zu haben. Keine hierarchische Seilschaft wie unter Männern, in denen der Gipfelstürmer seine Hintersassen mitzieht, weil er weiß, dass sie nur alle gemeinsam die Chance haben, die Eiger-Nordwände der Parteien und Parlamente zu erobern. Aber auch kein egalitäres Netzwerk, in denen Frauen sich gegenseitig helfen, die Fäden zu spinnen und die fetten Fliegen ins Netz zu locken.
"Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine Frau und stehen andere erfolgreiche Männer. Wir Frauen müssen dieses Verhalten erst lernen", befand die ehemalige bayrische SPD-Chefin Renate Schmidt vor kurzem in der SFB-Talkshow Berliner Platz. Eigentlich wollte sie damit den sprichwörtlichen Fall der gescheiterten Kanzlerkandidatin Angela Merkel erklären, aber ihr Satz markiert ein Grundproblem, das wohl für alle Politikerinnen gilt. Irmgard Schwätzer, ehemals FPD-Bundesbauministerin, pflichtete ihr auch sofort bei: "Wir Frauen müssen uns mehr aufeinander verlassen können." Genau das aber sei nicht der Fall, denn "es gibt die Konkurrenz unter Frauen, auch in der eigenen Partei". Das bietet Männern Angriffsfläche.
Schwätzer meinte die FPD, hätte aber genauso gut für die drei grünen Ladies reden können. Knoche, Buntenbach und Fischer - alle drei hatten keine innerparteiliche Machtbasis, alle drei gehörten nirgendwo so recht hin und verließen sich auf ihre persönlichen Beziehungen. Und alle drei agierten mehr oder weniger alleine, die Gesundheits- und Gentechnik-Expertinnen Knoche und Fischer gelegentlich sogar gegeneinander.
Und, vielleicht das Wichtigste: Alle drei haben Kompetenz mit Hausmacht verwechselt. Inzwischen sind zentnerweise psychologische und soziologische Studien erschienen, die auf dieses kardinale Missverständnis hinweisen - das hat die Politikerinnen nicht davon abgehalten, immer noch zu glauben, dass sie ihre Parteimänner mit Sachkenntnissen beeindrucken könnten. Einem Fischer aber wäre es nie passiert, was einer Fischerin widerfuhr. Sein Machtinstinkt hätte ihn sicher davor gewarnt, über einen lächerlichen Wurstzipfel zu stolpern, den ihm ein subalterner Beamte hingehalten hätte. Das ahnt inzwischen auch seine Namensschwester. "Politiker treten nicht zurück, weil sie einen Fehler gemacht haben", fasste Andrea Fischer neulich in der Zeit kurz und bündig zusammen. "Sie treten zurück, weil die eigenen Leute nicht mehr bereit waren, ihre Fehler zu tolerieren."
Frauen, schlussfolgert die Fischer und lacht fröhlich, müssten endlich lernen, "nicht nur kompetent, sondern auch ruchlos und schamlos zu sein." Angesichts der kurzen Zeitspanne der Emanzipation sei eigentlich nicht verwunderlich, dass es ihnen an kollektiven Erfahrungen mangele: "Wir sind immer noch in der Experimentierphase."
Das stimmt und stimmt doch nicht fröhlich. Immerhin dauert die Experimentierphase bei den Grünen jetzt schon über zwanzig Jahre an, und die Ergebnisse werden und werden nicht besser. Was ein Desaster. Trotz Quoten, trotz eines Frauenanteils von 60 Prozent in der Bundestagsfraktion, trotz programmatischer Verpflichtung auf den Feminismus, trotz alledem: Die grüne Partei, besser mit Frauen ausgestattet als jede andere, hat es nicht vermocht, eine neue politische Kultur zu entwickeln. Die Frauen haben es nie geschafft, das Flügeldenken zu überwinden und sich eher nach Geschlecht als nach politischem Lager zu sortieren.
Und ebenso wenig ist es ihnen gelungen, die Maxime der 24-Stunden-Verfügbarkeit in Frage zu stellen - ein Politikmodell, das auf Frauenseite eigentlich nur für Singles lebbar ist. "Als Europaabgeordnete konnte ich mir ein Leben mit Kindern nicht vorstellen", bekannte die bündnisgrüne Chefin Claudia Roth. "Und ich habe in der ganzen Zeit dort nur eine einzige Labour-Abgeordnete erlebt, deren Mann eingesprungen ist." Der Preis für ihre politische Karriere, fuhr die grüne Parteichefin fort, sei "ziemlich hoch" gewesen, und "bisweilen bedaure ich meine Entscheidung."
Die Erfahrungen von anderen Frauen in anderen Parteien sind hier manchmal noch viel dramatischer. Beate Hübner, ehemalige Berliner Gesundheitssenatorin und jetzige Vorsitzende der gerade mal ein paar Köpfe zählenden CDU-Ortsgruppe Marzahn-Ost, verriet im Berliner Platz den Grund für diese wahrhaft beispiellose Karriere: Ihr sei als Senatorin zu verstehen gegeben worden, "dass du den Kinder die Rotznasen putzt und dich mit Senioren fotografieren lässt, also das warme Herz der CDU ausstrahlst und die Sachpolitik den Männern im Hintergrund überlässt." Ihr Mann, der zur selben Zeit die gemeinsamen vier Kinder als Hausmann versorgte, sei von der eigenen Partei "als Kasperl und Faulpelz" angesehen worden. Hübners bittere Schlussfolgerung: "Das Politische ist augenscheinlich das Polemische, das Strukturelle, das lineare Machtdenken, das Strategische."
War das schon immer so, oder ist das neu in Zeiten, da weltweit "Achsen des Bösen" geortet, vermessen und mit Clusterbomben zerstört werden? "Die Militärpolitik - das ist die Stunde der großen Männer", hat Annelie Buntenbach beobachtet, ihre Entscheidungen seien "Demonstrationen der Stärke". Das aber gehe immer auch "mit Demokratieverlust" einher.
Anscheinend auch mit Frauenverlust.
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