Seit Ende letzten Jahres liegen zwei umfangreiche Studien zum Thema Frauen und Krieg vor. Women, Peace and Security wurde von Mitarbeiterinnen verschiedener UN-Organisationen und einer »Review-Group« unabhängiger Expertinnen verfasst. Women, War and Peace wurde im Auftrag der UN-Frauenorganisation Unifem erstellt. Die beiden prominenten Autorinnen, die finnische Ex-Verteidigungsministerin Elisabeth Rehn und die ehemalige liberianische Präsidentschaftskandidatin Ellen Johnson Sirleaf, haben dafür in 14 Kriegsländern Überlebende und Aktivistinnen interviewt.
Die beiden Studien sind wie Reisen zu den weißen Flecken dieser Erde. Wer weiß schon von den Aktivitäten von »Avega«, der Vereinigung der ruandischen Witwen, die sich ganz zu Anf
en Witwen, die sich ganz zu Anfang unter einem Baum trafen und nun als Netzwerk der Selbsthilfe die ganze Nation durchziehen? Wer kennt das »Mano River Union Women´s Network for Peace«, das inzwischen eine Art regionalen Frauensicherheitsrat aufgebaut hat, in dem Regierungs- und NGO-Frauen aus der ehemaligen Kriegsregion Guinea, Liberia und Sierra Leone zusammenarbeiten? Wer hat schon mal von dem ethnienübergreifenden »sechsten Clan« gehört, den somalische Frauen gründeten, nachdem sie im Mai 2000 in Djibuti von den Friedensverhandlungen zwischen fünf Clans ausgeschlossen wurden?Solche Aktivitäten können die betreffenden Gesellschaften auf vielen Ebenen positiv beeinflussen. Die Organisation »Echo des Krieges« in Inguschetien zum Beispiel sammelt Informationen über Kriegsverbrechen in Tschetschenien und organisiert Erholungsreisen für tschetschenische Kinder. Das »Warme Haus« in Moskau, das SEKA-Projekt in Kroatien und die »Liga für den Schutz von Mutter und Kind« in Dagestan kümmern sich um die Behandlung kriegstraumatisierter Frauen und Kinder. Die Vereinigung der russischen Soldatenmütter hat sich »die Demilitarisierung des gesellschaftlichen Bewusstseins« und die »Verteidigung der Zivilgesellschaft« mittels Bildungsarbeit vorgenommen, ähnlich wie das frauendominierte »New Profile« in Israel, das sich für KriegsdienstverweigerInnen einsetzt und Friedenserziehung in den Schulen anbietet.Nicht nur in Russland und Israel, sondern in vielen Ländern nützen Frauen ihre moralische Autorität als Mütter, um ein Ende der bewaffneten Konflikte oder Aufklärung über das Schicksal ihrer Kinder zu fordern. Manchmal, nicht immer, schützt der Mutterstatus vor Repressionen. Sind Frauen etwa doch die friedlicheren Menschen? Nein, befindet Friedensforscherin Cordula Reimann. Weibliche Friedensarbeit sei, nüchtern betrachtet, einfach nur »das Ergebnis des weiblichen Ausschlusses von Entscheidungspositionen« in der Politik und noch viel mehr im Militär. Wegen ihres gesellschaftlichen Minderstatus bleibe Frauen gar nichts anderes übrig als Graswurzel-Arbeit. Von den meisten offiziellen Friedensverhandlungen würden sie nach wie vor ferngehalten. Dennoch sei es oft durchaus »subversiv«, wie Frauen und Mütter ihre tradierten Gender-Rollen nutzten.Hier ist auch das Beispiel Israel-Palästina durchaus typisch. In den achtziger Jahren, als noch jeder politische Kontakt zwischen Israelis und Palästinensern verboten war, trafen sich Friedensaktivistinnen beider Völker an geheimen Orten in Jerusalem. Sie wurden nicht verhaftet, sie waren ja »nur Frauen«. Die Abwertung des Weiblichen und die Idealisierung des männlichen »Kämpfers« - das haben die beiden militarisierten Gesellschaften Israels und Palästinas gemeinsam, und das brachte auch die Israelinnen und Palästinenserinnen einander näher. 1996 gründeten die Aktivistinnen mit EU-Geldern zwei Zentren: das israelische »Bat Shalom«, die »Tochter des Friedens« in Westjerusalem, und das palästinensische »Jerusalem Center for Women« in Ostjerusalem. Die Aktivistinnen glauben, dass der in Oslo ausgehandelte Friedensprozess auch deshalb gescheitert ist, weil die Frauen als Brückenbauerinnen zwischen zwei verfeindeten Gesellschaften davon systematisch ausgeschlossen wurden. Die Autorinnen der UN-Studien sehen das ganz ähnlich. »Der systematische Ausschluss von Frauen aus offiziellen Friedensprozessen hat schädliche Effekte auf die Nachhaltigkeit von Friedensabkommen« schreiben sie und nennen auch die Abkommen für Bosnien und Kosovo als Negativbeispiele. Umgekehrt gelte: »Wenn Frauen anwesend sind, verändert sich die Natur des Dialogs«, weil diese auf den zivilen Prioritäten des Friedensaufbaus beharren würden. Beide UN-Studien legen deshalb großen Wert auf die zukünftige Quotierung von Delegationen. Doch beim Weltsicherheitsrat heißt es: Der Rat »anerkennt die vitale Rolle von Frauen in der Förderung des Friedens, besonders in der Bewahrung der sozialen Ordnung und der Friedenserziehung.« Die Frau als mildtätige Helferin, Krankenschwester und Trümmerfrau in einer von Männern zerstörten Welt - so hätten es die Herren der Weltsicherheit wohl gern.Im Internet sind die beiden Studien unter www.womenwatch.un.org und www.unifem.undp.org abrufbar.