Sie gehört nicht gerade zu den Bedürftigen unter den bundesdeutschen Banken. Dennoch erhielt die Commerzbank kürzlich öffentliche Hilfe: Als »Anschubfinanzierung« steuerte das Entwicklungsministerium BMZ zwei Millionen Mark für ein Kreditinstitut im Kosovo bei, an dem die Commerzbank beteiligt ist. Besagtes Institut soll Kredite an kleine und mittlere Firmen vergeben. »Diese Entwicklungspartnerschaft mit der Wirtschaft werden wir zu einem neuen Schwerpunkt ausbauen«, verkündet die zuständige Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Doch so neu ist die Förderung privater Geschäfte durch Gelder der Entwicklungszusammenarbeit natürlich nicht. Die öffentlich-rechtliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) stützt seit Jahrzehnten deutsche Unternehmen im In- und Ausland mit subventionierten Krediten, wie das seitens der Bundesregierung auch über die Carl-Duisberg-Gesellschaft (CDG), die Finanzierungs- und Beratungsinstitution DEG oder die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) praktiziert wird. Ganz zu schweigen von einer Exportförderung durch Hermes-Bürgschaften in Milliardenhöhe, die unternehmerisches Risiko auf den Steuerzahler verlagern. Viele BMZ-Projektmittel kommen zudem als Aufträge für deutsche Exporteure oder Beratungsfirmen zurück.
In der Öffentlichkeit allerdings versucht sich die Entwicklungspolitik eher über menschenfreundliche, gänzlich uneigennützige Ziele wie Armutsbekämpfung, Förderung von Frauen oder die Hilfe zur Selbsthilfe für ärmere Bevölkerungsgruppen zu legitimieren. NGOs stiegen zu hochgelobten Partnern auf. Nun jedoch wird mit dem neuen Instrument der »Public-Private Partnership« (PPP) - der »strategischen Partnerschaft für eine nachhaltige Entwicklung« - die Privatwirtschaft als neues Zugpferd auserkoren, verbunden mit einer Wiederentdeckung der längst totgeglaubten »trickle down«-These, wonach mit der Zeit der Nutzen dieser Entwicklung »nach unten« - zu den Ärmeren - »durchsickern« werde.
Hintergrund dieser Philosophie sind die Globalisierung in ihrer jetzigen Form und eine damit verwachsene Orientierungs-, Finanz- und Vertrauenskrise von Entwicklungspolitik seit Anfang der neunziger Jahre. Zuerst ging ihr mit dem real existierenden Sozialismus der Gegner aus den Zeiten des Kalten Krieges und damit die Mission im Kampf der Systeme verloren, dann die Rolle als Kapitallieferant: Direktinvestoren schaufeln inzwischen weitaus mehr Geld in die Länder des Südens als Weltbank, Entwicklungsministerien und wohltätige Helfer zusammen. Regierungen im Norden streichen seither ihre Entwicklungsetats zusammen. Regierungen im Süden umwerben lieber Privatinvestoren, als um staatliche Gelder zu betteln, die mit Auflagen vom Umweltschutz bis zu »Good Governance« verbunden sind.
Der »Entwicklungshilfe« bleiben da als Kunden nur die ärmsten und überschuldeten Länder, die auf dem globalen Geldmarkt kaum eine Chance haben. So war es denn auch die Weltbank - als gewinnorientiertes Institut auf Profitabilität ihrer Kredite bedacht -, die als erste eine neue Partnerschaft propagierte: Für die Privatisierung von Energie- und Wasserversorgung, Straßenbau oder Telekommunikation - von den Regierungen des Südens auf Drängen von IWF und Weltbank eingeleitet - gab es prompt neue Investitions- und Leasingmuster: So baut beim BOT-Modell ein ausländischer Investor ein Kraftwerk, das nach der Amortisierung an den Staat übergehen soll. Entwicklungsinstitutionen wie die Weltbank bahnen die Geschäfte an, sorgen für investitionsfreundliche Arbeits- und Eigentumsgesetze sowie funktionierende Finanzinstitutionen, helfen auch selbst bei der Finanzierung.
Letztlich ist es angesichts der wirtschaftspolitischen Leitplanken, zwischen denen sich die Bundesregierung derzeit bewegt, wenig
überraschend, wenn Entwicklungshilfe auf der Suche nach einem Ausweg aus ihrer Krise bei der Privatwirtschaft landet. Angestoßen bereits unter der Kohl-Regierung, setzt Rot-Grün den Ausbau des neuen Instrumentariums bruchlos fort. »Diese Art der Kooperation ist kostengünstig, effizient und nachhaltig«, meint Heidemarie Wieczorek-Zeul. Auf Anweisung aus dem BMZ wurden bei CDG, DEG und GTZ rasch einige Dutzend PPP-Projekte aus der Taufe gehoben. Die blauäugige Hoffnung dabei: Kooperation mit Privatunternehmen soll Effizienzgewinn und zusätzliche Gelder bringen und so den gekürzten Entwicklungsetat kompensieren. Die Partnernamen lesen sich streckenweise wie ein Who's who der deutschen Wirtschaft: Siemens, Adtranz und Alcatel, die Deutsche Telekom, der Schuhhersteller Deichmann, der Schokoladenriese Mars. Aber auch kleineren Unternehmen sollen neue Märkte geöffnet werden. Im »Dialog« mit den Regierungen des Südens drängt die Bundesregierung auf investitionsfreundliche Rahmenbedingungen - Entwicklungspolitik gerät damit in den Sog unternehmenspolitischer Vorgaben.
Den Investoren liegen natürlich vorzugsweise Schwellenländer wie Brasilien und Argentinien, große Märkte wie China oder der jeweilige Finanzsektor - die ärmsten Länder, die schwächsten Bevölkerungsgruppen bleiben außen vor. Erwartet werden kurze, unbürokratische Entscheidungsprozesse, bei denen Umwelterfordernisse, soziale Mitbestimmung oder die Rechte von Frauen kein Hindernis sein sollten. Während das BMZ noch versucht, den Eindruck reiner Wirtschaftsförderung durch das neue Instrument zu vermeiden, fordert Bernd Schleich, Mitglied der CDG-Geschäftsführung, immer wieder anklingende Versicherungen - PPP sei keine Außenwirtschaftsförderung, Mitnahmeeffekte seien zu vermeiden, Wettbewerbsneutralität müsse gewährleistet bleiben -, zu relativieren.
Noch allerdings ist völlig ungeklärt, ob die neuen Projekte wirklich kostengünstiger, nachhaltiger oder effizienter sind und sie der nationalen Entwicklung, der Umwelt und den Armen auf Dauer wirklich besser dienen. Die ersten Nutznießer der neuen Bank im Kosovo jedenfalls sind UN-Mitarbeiter und Kfor-Soldaten. Doch ohne die Resultate, geschweige denn eine wissenschaftliche Auswertung abzuwarten, treibt das BMZ die Ausweitung der Partnersuche voran. Und während für die neue »Entwicklungspartnerschaft« Geld bereitgestellt und die Propaganda-Trommel gerührt wird, geht der Anteil am BMZ-Haushalt für Bildung, Gesundheit und andere soziale Grunddienste zurück.
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