Träume von einer grünen OPEC

Blumen, Obst und Treibstoff Afrikas Bauern sind als Kunden im globalen Supermarkt gefragt

"Jetzt ist Afrika an der Reihe" - mit dieser Ankündigung startete die Bill-Gates-Stiftung vor einem Jahr, im September 2006, ihre "Allianz für eine Grüne Revolution". Als Partner empfahl sich die Rockefeller-Stiftung, die zu Hochzeiten des Kalten Krieges durch die Modernisierung der Landwirtschaft einer drohenden "Roten Revolution" in Asien und Lateinamerika die Basis entziehen wollte. Als Startkapital spendierte Gates 100 Millionen Dollar.

Seit die Bill-Gates-Stiftung vor einem Jahr aktiv wurde, haben nahezu alle internationalen Entwicklungsverbände und Finanzinstitute in taufrischen Strategiepapieren die Landwirtschaft als Entwicklungsmotor wiederentdeckt. Als "Leuchtturm-Projekt" gar hat die Weltbank ihren "Weltentwicklungsbericht 2008" für Mitte Oktober angekündigt. Bei allen geht es um Afrika und um Armutsminderung, denn es steht außer Frage, dass südlich der Sahara die Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) am deutlichsten verfehlt werden. Und die ländlichen Regionen Afrikas sind die Zonen, in denen die größte Zahl der Armen lebt. Das macht sie zum geeigneten Exerzierfeld für neue Ansätze eines "armutsorientierten Wachstums", einem Amalgam aus Sozial- und Wirtschaftspolitik.

Genbaumwolle und Genfood

Um wen geht es? Der "afrikanische Landwirt" ist - sofern er nicht ein vorwiegend weißer Großfarmer im südlichen Afrika, Kautschuk- oder Tee-Plantagenbesitzer, Straußen- oder Rinderzüchter ist - mehrheitlich eine Bäuerin, die ein paar Hektar Land bestellt. Darauf wachsen meist die lokal üblichen Grundnahrungsmittel wie Mais, Cassava oder Hirse, verschiedene Gemüse, vielleicht Bananen oder Papaya. Die Vielfalt dient der eigenen Versorgung, ist aber auch Versicherung, falls das Eine oder Andere der Trockenheit oder Schädlingen zum Opfer fällt. Etwas Geld bringen Kaffee, Kakao oder andere Marktfrüchte. Außer Mais werden kaum moderne Hochertragssorten, nur wenig Dünger und noch weniger Chemie verwendet. Ohne Pumpe oder Kanalbewässerung sind die Niederschläge entscheidend. Das ist viel und harte Arbeit, reicht aber meist zum Leben, vielfach zu Überschüssen, zumal die Landwirtschaft nur eine Säule einer halbwegs tragfähigen Überlebensstrategie ist. Für Agrarstrategen gilt die kleinbäuerliche Landwirtschaft freilich als "unproduktiv" und "rückständig" - deshalb seien Afrikas Bauern so arm.

"Afrikas Bauern sind so arm, weil sie nicht genug Dünger, Pestizide und patentiertes Saatgut benutzen", behaupten die Agrarkonzerne. "Sie sind arm, weil sie nicht genug exportieren", ergänzt die Weltbank. "Sie brauchen mehr Gen- und Biotechnologie", rät die Rockefeller-Stiftung. Alle empfehlen ein Paket von Maßnahmen, um Afrikas Bauern für "Herausforderungen und Chancen" der Globalisierung "wettbewerbsfähig" zu machen.

So organisierte die US-Düngemittelindustrie vor einem Jahr im nigerianischen Abuja sogar einen "Düngergipfel". Gekommen war alles, was Rang und Namen hat im internationalen Entwicklungsgeschäft, von den Vereinten Nationen über die Weltbank bis zur US-Entwicklungsbehörde USAID. In der Abschlusserklärung "Dünger für eine afrikanische Grüne Revolution" versprachen die versammelten afrikanischen Staatschefs der Industrie massive Hilfe beim langen Marsch hin zu den regionalen Märkten.

Afrikas Bauern verwenden nur einen Bruchteil der Düngermenge, die Landwirte in Europa, Asien und Lateinamerika auf die Felder bringen - das verheißt Expansionspotenzial für die globalen Düngerproduzenten. Ebenso gebrauchen sie fast nur eigenes Saatgut. Sie kennen seine Eigenschaften, es ist den oft harschen Bedingungen angepasst, benötigt kaum Dünger - und kostet sie nichts. Auch hier wittert die Agroindustrie den unerschlossenen Markt. Also drängen die "Life Sciences"-Unternehmen - die Konzern-Kombinate von Saatgut, Agrarchemie und Gentechnologie - die Regierungen in Afrika, durch Reformen der Saatgut-Gesetze und verbesserten Patentschutz ihren Züchtungen den Weg zum Bauern und zum Profit zu ebnen. Die "Allianz für die Grüne Revolution in Afrika" will Geld in neue Pflanzensorten und ein Netz von Agrarhändlern stecken, die Dünger, Saatgut und Agrargifte an die Bauern bringen sollen.

Besonders der US-Konzern Monsanto setzt alle Hebel in Bewegung, um den bislang weitgehend Gentechnik freien Kontinent für Genbaumwolle und Genfood zu erobern, tatkräftig unterstützt durch die staatliche USAID und eine Phalanx wissenschaftlicher und menschenfreundlicher Lobby-Gruppen (etwa die Rockefeller-Stiftung). Die Bedenken vieler afrikanischer Regierungen, dass gentechnische veränderte Pflanzen unkalkulierbare Risiken für Gesundheit und Biodiversität haben, werden mit Konferenzen in Nobelhotels, Forschungsstipendien sowie den vollmundigen Versprechungen entkräftet: Mit Gentechnologie ließen sich die Defizite der Landwirtschaft beheben.

Afrika wird damit gleichzeitig zum Nebenkriegsschauplatz im Tauziehen zwischen den USA und der EU um Zulassung und weltweiten Transfer von Gentech-Pflanzen.

Mehr Freiheit wagen

Um mehr Dünger und Saatgut zu kaufen, brauchen Afrikas Bauern allerdings Geld, das sie bislang kaum haben. Bei ihrer traditionellen solidarischen Ökonomie stehen Eigenbedarf und Ernährung im Vordergrund, erst dann kommen Markt und Gewinn.

Auch hier versprechen die internationalen Finanz-Player großzügig, für Abhilfe zu sorgen. So gibt die Weltbank die Parole aus, dass Kleinbauern "in den Markt integriert werden müssen". Dafür sollten sie vermehrt "hochwertige Produkte" anbauen, die mehr Geld bringen als Grundnahrungsmittel - etwa Blumen, Bohnen und Obst. Wohlhabende, qualitätsbewusste Konsumenten und expandierende Supermarktketten, die neben den Handelskonzernen als Abnehmer auftreten, würden "Millionen Armen Wege aus der Armut eröffnen", so die Weltbank im Entwurf des eingangs erwähnten Weltentwicklungsberichts 2008. Zudem wird so genannten Vertragsbauern, die für Plantagen und Erdölkonzerne Ölpalmen oder Zuckerrohr für Agrartreibstoffe anbauen, eine Befreiung aus ihrer "Rückständigkeit" versprochen. Schon träumen manche von einer "Grünen OPEC in Afrika", die mit Pflanzensprit die Entwicklung antreibt.

Für die Integration der afrikanischen Landwirtschaft in den globalen Supermarkt geben die Finanzinstitutionen - allen voran die Weltbank und die Afrikanische Entwicklungsbank - außerdem Milliarden für Bewässerungssysteme, für Fernstraßen, Container- und Flughäfen. Blumen, Böhnchen und Obst sollen schneller, frischer und kostengünstiger die Konsumenten erreichen.

Die Ausfuhr von gewinnbringenden Agrarprodukten steigern, um mit den Einnahmen den Einkauf von Dünger und Saatgut für eine kommerzielle Landwirtschaft bezahlen zu können, lautet die Devise. Wirtschaft und Entwicklungspolitik fordern demzufolge unisono "mehr Freiheit" - durch den Verzicht auf Schutzzölle gegen Importe und den Abbau von Beschränkungen "hinter der Grenze". Keine nationale Regulierung mehr, keine Vorrechte für einheimische Unternehmen, weniger Bürokratie und Korruption - all das soll die hohen Transaktionskosten für die Konzerne weiter verringern und die Investitionsmöglichkeiten verbessern. Auch die EU erhöht mit ihren Wirtschaftlichen Partnerschaftsabkommen (EPAs) den Druck auf die Regierungen von Guinea bis Botswana - sie sollen weiter liberalisieren und privatisieren.

Allerdings gehört Afrika, was den Außenhandel betrifft, bereits heute zu den "freiesten" Regionen der Welt. Nach drei Jahrzehnten Entwicklungskooperation mit der EU, zwei Jahrzehnten Strukturanpassung unter dem Diktat von Weltbank und IWF und zehn Jahren WTO-Agrarabkommen sind Zölle, Import- und Exportquoten sowie Subventionen bereits kräftig abgebaut. Gebracht hat das wenig: Afrikas Anteil an den weltweiten Exporten hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten mehr als halbiert. Umgekehrt haben Importe von Nahrungsmitteln aus den subventionierten Überschüssen der EU oder der USA die einheimische Land- und Viehwirtschaft vielfach vom Markt gedrängt und dazu geführt, dass ein Kontinent, der sich in den siebziger Jahren noch selbst ernähren konnte, zum Einkäufer von Nahrungsmitteln und zum Hilfeempfänger degradiert wurde.

Das Interesse an Afrikas Landwirtschaft folgt denn auch weniger dem Zweck, die Nahrungsmittelproduktion wieder zu steigern. Sie zielt vielmehr darauf, bestimmte Sektoren für eine kommerzielle Verwertung zuzurichten, die bislang noch nicht in die globale Wertschöpfungskette der Ernährungsindustrie integriert sind. Zum einen ist Afrikas Agrarsektor als Absatzmarkt erwünscht, zum anderen als Investitionsziel begehrt, um "Standortvorteile" zu nutzen und eine Exportproduktion von Blumen, Obst oder Agrartreibstoffen voranzutreiben.

Was das alles mit Armutsminderung zu tun hat? Genau genommen wenig. Im Gegenteil: Da Afrikas Landwirte nach wie vor fast überall Kleinbauern sind, würden Millionen bei einer solchen Kommerzialisierung und Modernisierung enteignet und marginalisiert. Es ist eine Illusion zu glauben, dieser Produzententyp könnte "wettbewerbsfähig" gemacht werden, um in der durch Agrarkonzerne und Handelsketten dominierten Globalisierung mithalten zu können. Aber auch an die potenziellen Verlierer wird gedacht: Weltbank und andere Entwicklungsorganisationen planen für sie "Exit-Optionen" - also den Abgang als Bauer und eine Wiederauferstehung als Land- oder Industriearbeiter, wobei die Arbeitsplätze vorerst nur in den Wachstumsprognosen der Planer existieren.

Die Alternative wäre, die Rückständigkeit von Afrikas kleinbäuerlicher Landwirtschaft als Vorteil zu nutzen: Teils aus Not, aber auch aus Überzeugung ist sie nämlich mehr oder minder "organisch", kommt sie ohne Agrargifte, Chemie und Gentechnologie aus. Es gibt zahlreiche erprobte Methoden, hier anzuknüpfen und Verbesserungen voranzutreiben, die Ernährungssicherheit, den Erhalt der Umwelt und mehr Einkommen sichern würden. Viele Probleme, die jetzt die bäuerliche Landwirtschaft bremsen, wären damit zu lösen, ohne sich in die Abhängigkeit von Märkten, Konzernen und teurer Fremd-Technologie zu begeben. Diese Alternativen haben nur einen Nachteil und werden daher kaum von Regierungen und Entwicklungsorganisationen favorisiert: Anders als eine "Grüne Revolution" sind sie nicht profitabel für die Agrarkonzerne.


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