Diese Woche wird ein neues Kapitel in der Geschichte vierer Helden aufgeschlagen, die 2002 kamen, um sich zu beschweren:
Wir sind Helden – hervorgegangen aus einem Popkurs an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg, hat diese Band es geschafft, ohne Plattenvertrag oder großes Marketingbudget erst die Radioplaylisten und dann die Charts zu stürmen; bis hin zum allgemeingültigen Konsens, den diese vier Musiker vielleicht gar nicht bedienen wollten. Eine Band, die vor allem auch deswegen als Helden wahrgenommen werden, weil sich sich der üblichen Kommerzialisierung verweigern – allen voran die Frau mit dem biblischen Namen, der anfangs nahegelegt wurde, doch vielleicht auf die Herren zu verzichten und lieber solo das hübsche Gesicht in die geilen Kameras zu halten: Judith Holofernes, mit bürgerlichem Namen Judith Holfelder, aber zum Hintergrund des Pseudonyms später.
Als Bandleaderin und mit ihrer natürlichen Art bewegte sich Holofernes schon zu Beginn ihrer Musikkarriere fern vom Image des sexy Weibchens, dessen Performance am Mikro bloß dem Zweck des schmückenden Beiwerks diente. Stattdessen transportierte die Berlinerin Inhalte und Verantwortungsbewusstsein. Dass sie damit einen neuen Typ Frontfrau inspirierte, der Musikerinnen auf den Plan rief, die das nette Mädchen von nebenan verkörperten, wohnhaft in der Straße „Seichter Deutschpop“, ist Holofernes kaum vorzuwerfen: Plattenfirmen stürzten sich in der Folgezeit einfach auf den Typus belanglos agierende Musikerin...
Holofernes, die bereits mit 14 als Straßenmusikantin auftrat, hat sich dagegen immer schon gegen die Kategorisierungspolitik der Medien ausgesprochen, egal, ob es die Musik ihrer Band betrifft oder die ihr von der Öffentlichkeit nur allzugern zugedachte Rolle im Vordergrund. Wie wichtig es Holofernes ist, dass Wir sind Helden als Band und nicht als Frontfrau + Jungs funktioniert, betonte die damals 29-Jährige im Interview mit der Welt am Sonntag, wo sie zum unter-vier-Augen-Interview erst überredet werden musste.
Warum? Weil Journalisten wahrscheinlich glauben, „dass die Jungs der Gruppe keinen Satz geradeaus sprechen können. Dieses Muster versuchen wir zu brechen,“ antwortet die Musikerin auf die typische Frage, warum sie ihr Alleinstellungsmerkmal nicht unterstüze. Vielleicht aus dem selben Grund, aus dem Gwen Stefani im Video zu „Don’t Speak“ ihrer Band Probleme bereitet.
Nein, wenn Judith Holofernes den Kopf schüttelt, dann tut sie das nachdrücklich und niemand schafft es, ihr durch die Hintertür doch noch ein ‚Ja’ abzuringen. Der Brigitte gegenüber erzählte sie, kurz nach den ersten großen Erfolgen, über ihr Leben in Neins. Shopping fände sie total scheiße und Frauenzeitschriften auch, „naja, durchwachsen“.
Schon dieser Künstlername: Holofernes, nach einem General des babylonischen Königs Nebukadnezar, der von der Jüdin Judit enthauptet wurde. „Mit Künstlernamen zitiert man den Rock'n'Roll an sich“, erklärt die Wir-sind-Helden-Judith dem Welt am Sonntag Journalisten, der es geschafft hat, sie unter den bereits oben erwähnten vier-Augen zu treffen. Und wer Rock’n Roll zitiert, der benennt auch seine Band nicht nach irgendwem, sondern nach einem gewissen Mr. David Bowie:
Mittlerweile werden Wir sind Helden nicht mehr nur mit ihrem kuriosen Erfolg assoziiert oder wie sie der Konsumwelt die lange Nase zeigen, sondern wie sie auch als moderne Familie funktionieren. Holofernes ist mit dem Helden-Schlagzeuger Pola Roy verheiratet, gemeinsam haben sie zwei Kinder. Eine Familie, in der beide Elternteile arbeiten und in der Sohn und Tochter einfach mit auf Tour genommen werden. Musste Holofernes früher erklären, wieso sie sich nicht für den Playboy ausziehen will, fürchte sie nun die Auszeichnung als Mutter der Nation, wie sie im Interview mit Carsten Schrader erklärte.
Judith Holofernes ist so etwas wie eine rundum gelungene Feministin: Sie ist Karrierefrau und Mutter, zeigt Haltung statt Posen und will trotzdem nicht das Rolemodel für den Konsens sein. Eine Künstlerin, die auch schon vor Wir sind Helden Musik gemacht hat. Es gibt ein frühes Soloalbum namens „Kamikazefliege“, über das die damals junge, fast backfischgleiche, Holofernes 1999 mit dem Magazin Ätzezettera sprach. Heute ist die Platte ein begehrtes Sammlerstück, auf dem sich auch schon dieser Song findet:
Nach der mehrjährigen Babypause veröffentlichen Wir sind Helden nun ihr viertes Album „Bring mich nach Hause“. Ob es sich gut verkaufen wird, die Charts stürmen, den Unsterblichkeitsruf festigen? Keine Ahnung, aber weder für die drei Helden, noch deren Front-Heldin ist das der entscheidende Antrieb, Musik zu machen. Beim Hamburger Dockville Festival vorletzte Woche, einem der ersten Konzert-Auftritte nach der „Babypause“, sagte Judith Holofernes schlicht, „Wir wären dann wieder da“ – So einfach ist das mit dem Heldinnentum.
Verena Reygers, Jg. 1976, bloggt auf und schreibt als freie Journalistin über Bands, Konzerte und neue Platten. Sie findet, Mädchen sollten wild und gefährlich leben, solange sie stets ein buntes Pflaster in der Tasche haben. Auf freitag.de schreibt sie in einer zweiwöchentlichen Kolumne über Frauen und Musik. Zuletzt: Weiblich, ledig, jung kreischt...
Kommentare 6
MySpace-Mitglieder können unter www.myspace.com/wirsindhelden jetzt schon ins Album hören. Dann dauerts bis nächsten Freitag auch nicht mehr so lang!
nicht weiter schlimm - ich halte es nämlich wie Frau Holofernes, mache mein eigenes Ding und schere mich nicht groß drum, was andere sagen und meinen und denken... ;)
Liebe Frau Reygers,
Ich kann mir nicht helfen, aber auch mit gefallen die Helden.
Allerdings steckt darin auch ein Eingeständnis. Bisher wusste ich nicht, an welchen Kriterien sich das Gefallen hätte festmachen sollen. Das es nicht unbedingt mit der musikalischen Fähigkeit der Band zu tun haben muss und auch nicht, mit den zwar beachtlichen, aber nun nicht genialen Texter Fähigkeiten der Frontfrau zu tun hat, war eine Ahnung.
Mit einigen Dezennien auf dem Buckel hat man doch schon anderen KünstlerInnen und Bands gelauscht.
Die Plattenindustrie hätte Judith Holofernes auch ohne ihre Freunde vermarktet, das ist sicher. Aber so wie sie zusammen sind, passt es gut.
Tatsächlich ist es die Glaubwürdigkeit und Haltung der Band mit ihrer Lead-Frau, die zählt. Schön wäre, zu wissen, was die Helden, also die Männer, um diese zwei Jahre Bühnenabstinenz herum so taten, was Frau Holofernes tat, außer Familie, wenn sie denn dazu reden wollte. Kennen Sie da Hintergründe?
Ein wenig irrational hoffe ich, die Helden mögen ihren Weg weiter so gehen. Sie sind eine Live-Band, bzw. waren es vorher. Übrigens eine, die in kleineren Räumen besser zurecht kommt und besser mit dem Publikum zusammen spielt, als auf den ganz großen Bühnen. Fürs ganz kleine Podest sind sie dann doch zu groß, haben zu viele Fans, und irgendwie will man doch bei der Musik nicht unbedingt sitzen.- Dieses Mittendrin verkörpern die Helden, mit Selbstironie und Witz, dem unbändigen Wunsch weiterhin unabhängig zu bleiben und einer gepflegten Uneitelkeit.
Für mich sind die Helden keine Rock-Musiker. Pop und Beat, Hip-Hop und dann etwas, was es so nur in Deutschland geben kann, Liedermacher- Eigenschaften, vereinigen sich da. Der Titel des Comeback- Albums ist übrigens auch nicht gerade ein rockiger, sondern verweist auf Soul, Blues, auf Schlager und den Pop. - Die Bezeichnung Pop oder Beat ist ja nichts negatives. Höchstens vielleicht im "gehobenen", aber tief gesunkenen Feuilleton.
"Bring mich nach Hause", das klingt nach Keb Mo, Robert Cray, Van Morrison, James Brown und Sam Cooke, also Blues und R
Das finde ich gut, denn der Pop und Beat in seiner trivialeren Form tritt derzeit auf der Stelle. Mit R könnte man auch das liederhafte der Helden-Songs gut verbinden. Eine Schwierigkeit, die doch eher enge und klare Stimme unserer Heldin. Aber es gilt das Beste aus der eigenen Beschränung daraus zu machen und das kann die Band. Das zeichnet gut Künstler auch aus, die sich nicht als Stars des Universums fühlen wollen und es eben auch nicht sind.
Kennen Sie schon mehr von dem neuen Album? Ich kenne ja nichts davon.
Warum bekommen Sie kein Exklusiv-Interview, z.B. für den "der Freitag" oder das "M-Team"? Das passte doch zum "dF", -das Kleine bleibt klein nicht,...-, besonders, wenn die Männer der Band befragt würden.
Liebe Grüße
und Dawei, dawei
Christoph Leusch
Liebe Frau Reygers,
Ich kann mir nicht helfen, aber auch mit gefallen die Helden.
Allerdings steckt darin auch ein Eingeständnis. Bisher wusste ich nicht, an welchen Kriterien sich das Gefallen hätte festmachen sollen. Das es nicht unbedingt mit der musikalischen Fähigkeit der Band zu tun haben muss und auch nicht, mit den zwar beachtlichen, aber nun nicht genialen Texter Fähigkeiten der Frontfrau zu tun hat, war eine Ahnung.
Mit einigen Dezennien auf dem Buckel hat man doch schon anderen KünstlerInnen und Bands gelauscht.
Die Plattenindustrie hätte Judith Holofernes auch ohne ihre Freunde vermarktet, das ist sicher. Aber so wie sie zusammen sind, passt es gut.
Tatsächlich ist es die Glaubwürdigkeit und Haltung der Band mit ihrer Lead-Frau, die zählt. Schön wäre, zu wissen, was die Helden, also die Männer, um diese zwei Jahre Bühnenabstinenz herum so taten, was Frau Holofernes tat, außer Familie, wenn sie denn dazu reden wollte. Kennen Sie da Hintergründe?
Ein wenig irrational hoffe ich, die Helden mögen ihren Weg weiter so gehen. Sie sind eine Live-Band, bzw. waren es vorher. Übrigens eine, die in kleineren Räumen besser zurecht kommt und besser mit dem Publikum zusammen spielt, als auf den ganz großen Bühnen. Fürs ganz kleine Podest sind sie dann doch zu groß, haben zu viele Fans, und irgendwie will man doch bei der Musik nicht unbedingt sitzen.- Dieses Mittendrin verkörpern die Helden, mit Selbstironie und Witz, dem unbändigen Wunsch weiterhin unabhängig zu bleiben und einer gepflegten Uneitelkeit.
Für mich sind die Helden keine Rock-Musiker. Pop und Beat, Hip-Hop und dann etwas, was es so nur in Deutschland geben kann, Liedermacher- Eigenschaften, vereinigen sich da. Der Titel des Comeback- Albums ist übrigens auch nicht gerade ein rockiger, sondern verweist auf Soul, Blues, auf Schlager und den Pop. - Die Bezeichnung Pop oder Beat ist ja nichts negatives. Höchstens vielleicht im "gehobenen", aber tief gesunkenen Feuilleton.
"Bring mich nach Hause", das klingt nach Keb Mo, Robert Cray, Van Morrison, James Brown und Sam Cooke, also Blues und R
Das finde ich gut, denn der Pop und Beat in seiner trivialeren Form tritt derzeit auf der Stelle. Mit R könnte man auch das liederhafte der Helden-Songs gut verbinden. Eine Schwierigkeit, die doch eher enge und klare Stimme unserer Heldin. Aber es gilt das Beste aus der eigenen Beschränung daraus zu machen und das kann die Band. Das zeichnet gut Künstler auch aus, die sich nicht als Stars des Universums fühlen wollen und es eben auch nicht sind.
Kennen Sie schon mehr von dem neuen Album? Ich kenne ja nichts davon.
Warum bekommen Sie kein Exklusiv-Interview, z.B. für den "der Freitag" oder das "M-Team"? Das passte doch zum "dF", -das Kleine bleibt klein nicht,...-, besonders, wenn die Männer der Band befragt würden.
Liebe Grüße
und Dawei, dawei
Christoph Leusch
Lieber CC,
mehr als R und Blues, spielen wohl Folkelemente eine Rolle auf der neuen Platte - bei ihrem Auftritt vor zwei Wochen griffen sie neben den üblichen Instrumenten auch zu Banjo und Akkordeon. Als Folkplatte würden sie "Bring mich nach Hause" trotzdem nicht bezeichnen - zu sehr ist doch der eigene Helden-Stil erkennbar, der schon immer poppig behutsam war.
Was die Bandmitglieder sonst so im Einzelnenen gemacht haben, kann ich Ihnen auch nur ansatzweise sagen. Neben den Eltern Judith und Pola ist auch Jean Vater geworden, außerdem arbeitet Mark auch als Arzt. Dass hat er zumindest am Anfang der Band-Karriere noch sehr konsequent betrieben - wohl weniger aus Pessismismus der Band gegenüber... :)
Ja und dann haben Wir sind Helden ja auch vor einiger Zeit ein Tourtagebuch veröffentlicht, mit dem sie auf Lesereise waren. Rechnet man das zusammen mit der Zeit, die auch die Produktion der neuen Platte in Anspruch genommen hat, nun, da dürften die Tage gut ausgefüllt gewesen sein.
Für Sie einen schönen Sonntag,
viele Grüße,
Verena Reygers
Ein Dankeschön für so viel Extra.
Es ging ein wenig unter in dem ganzen S.-Säbelrasseln.
Christoph Leusch