In dem Beitrag "Der Tod des Yin Ching-feng" (siehe Freitag 22) hatten wir berichtet, dass Bush im April 2001 die seit Jahrzehnten umfangreichste Waffenlieferung nach Taiwan besiegelt und damit die Spannungen zwischen den beiden chinesischen Staaten sowie im gesamten Südwestpazifik erheblich angeheizt hatte. Zu dem "Paket" gehörten auch acht U-Boote mit Dieselantrieb. Wie konnte US-Präsident Bush die Lieferung solcher U-Boote an Taiwan versprechen, obwohl die USA weder die technologischen noch die Herstellungskapazitäten für diese Waffe haben? Diese Frage lässt sich mittlerweile präzise beantworten. Des Rätsels Lösung ist einfach: Ein US-Unternehmen kauft den deutschen Hersteller, die Howaldwerke Deutsche Werft AG (HDW), einfach auf. Gleichzeitig wird damit das in Deutschland immer noch gültige Verbot unterlaufen, Rüstungsgüter in Spannungsgebiete zu exportieren, auch wenn Bundeskanzler Schröder sowie die Ministerien für Verteidigung und für Wirtschaft weiter heftig dementieren.
Bush dürfte bereits seinerzeit gewusst haben, dass es der US-amerikanischen Bank One Corporation gelingen würde, die Aktienmehrheit an der Kieler Kriegswerft zu erwerben. Bislang hatte der Babcock-Konzern (Anlagenbauer für Energiefirmen, Müllverbrennung und eben auch Werfteigentümer) die Aktienmehrheit an der einträglichen Kieler HDW besessen. Bereits seit längerem in erheblichen finanziellen Turbulenzen und mittlerweile im Konkurs wollte und musste sich Babcock von Werftanteilen trennen. Der Verkauf einer ersten Tranche von knapp 25 Prozent der HDW-Aktien spülte 350 Millionen Euro in die Kasse. Käufer war, nachdem er der Preussag (Hannover) bereits HDW-Anteile abgekauft hatte, der US-Finanzdienstleister One Equity Partner - ein Tochterunternehmen von Bank One. Diese Bank wird nun in den USA das weitere Geschäft mit dem Verkauf von HDW-Anteilen machen. Die US-Waffenfabrik Northrop Grumman ist wohl bereits als letztlicher Käufer vorgesehen.
Anfang Juni ließ Babcock-Chef Klaus Lederer keinen Zweifel daran, dass er sich auch von den noch bei ihm verbliebenen 25 Prozent HDW-Anteilen plus eine Aktie (einer Sperrminorität, die ihm weiter Mitspracherechte gesichert hätte) trennen und sie an die Amerikaner verkaufen will. Verkaufsverhandlungen mit der US-Rüstungsindustrie seien schon seit langem gelaufen, berichtete das Handelsblatt. Verhandlungen, über die nicht nur US-Präsident Bush informiert war. Auch Bundeskanzler Schröder war im Bilde. Babcock-Chef Lederer jedenfalls erklärte unwidersprochen, er habe sich "Rückendeckung aus dem Kanzleramt" geholt.
Die US-Rüstungsindustrie interessiert sich für die HDW natürlich nicht nur, weil sie mit Bushs Hilfe acht U-Boote nach Taiwan verkaufen kann und damit bereits einen Milliardenauftrag gesichert weiß (laut Miteilung des Regierungsinformationsamts in Taipei verlangt Washington für die acht Kriegsschiffe insgesamt sechs Milliarden US-Dollar). Auf Grund einer weltweit einzigartigen Technik, nämlich eines neuartigen Brennstoffzellenantriebs für U-Boote der Serie "U 31", ist HDW seit längerem auch für US-Rüstungsplaner interessant. Außerdem ist es den Kielern gelungen, von ihrer schwedischen Tochtergesellschaft Kockums eine für Radar fast unsichtbare Korvette bauen zu lassen: ein 80 km/h schnelles Tarnkappenschiff, das bei den Admiralitäten rund um den Erdball Begehrlichkeit weckt. Es geht also um weit mehr als nur um acht Diesel-U-Boote vom Typ U 209 für Taiwan.
Was in Deutschland nach wie vor als "unmöglich" bestritten wird, berichtete die China Times inzwischen als Tatsache: Die US-Regierung habe die Firma Northrop Grumman beauftragt, konkrete Verträge mit Taiwan abzuschließen. Über den Umweg USA werden HDW-U-Boote also an Taiwan geliefert, obwohl das nach den deutschen Regelungen für Rüstungsexporte eigentlich nicht möglich ist. Zu einem Vertragsabschluß ist es nur deshalb bisher noch nicht gekommen, weil die Amerikaner knapp eine Milliarde US-Dollar als Anzahlung für "konzeptionelle und Planungsarbeit" verlangen. Außerdem verwies die Marineführung in Taipei auf die Haltung der deutschen Regierung, die mit Rücksicht auf Peking keine Waffen nach Taiwan verkaufen wolle. Noch Anfang Juni hatte Kanzler Schröder behauptet, HDW-U-Boote würden auch im Falle einer neuen Eigentümerstruktur nicht in mögliche Krisengebiete exportiert. Später fügte die Bundesregierung hinzu, man halte an der Ein-China-Politik fest, die den Export von Rüstungsgütern nach Taiwan verbiete.
Nebelkerzen, wohin man auch blickt. So ließ das Berliner Verteidigungsministerium verkünden, deutsche verteidigungspolitische Interessen seien vertraglich geschützt, mit dem HDW-Verkauf an US-Firmen sei "kein negativer Technologietransfer" verbunden. Genau diese Befürchtung hatte Staatssekretärin Brigitte Schulte in einem internen Bericht gerade zuvor noch geäußert. Ihre Warnung vor Machenschaften der US-Rüstungsfirma Northrop Grumman wurde offiziell als unbeachtlich heruntergespielt. Das Bundeswirtschaftsministerium schließlich verwies darauf, dass für die in Deutschland produzierenden Firmen unabhängig von den Eigentumsverhältnissen die deutschen Ausfuhr- und Rüstungsrichtlinien gelten. Das gelte auch für den Export von Wissen.
Dem Management und den Aktionären von Northrop Grumman, die bald auch bei HDW das Sagen haben, wird das den Schlaf nicht rauben. Man weiß in den USA recht genau, wie Dementis des deutschen Kanzlers und seiner Regierung zu gewichten sind. Auch in der US-Regierung spielen die deutschen Bedenken keine Rolle. Die Taipei Times berichtete Ende Juni, die US-Administration habe den zweifelnden Partnern in Taipei versichert, die U-Boote würden unter allen Umständen geliefert (was wohl heißen soll: gleichgültig, was immer dazu aus Deutschland erklärt wird). Bush habe sich darauf festgelegt. Man brauche nur noch etwas Zeit, bis die Lieferung zustande kommt.
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