Gegner grüner Gentechnik haben wieder Versuchsanbaufelder besetzt. Das ist nicht unüblich. Neu allerdings: Die Medien interessieren sich verstärkt dafür. Wie in Braunschweig, wo Aktivisten seit dem vergangenen Wochenende einen Anbauversuch der Technischen Hochschule Aachen zur Risikobewertung gentechnisch veränderter Maispflanzen verhindern wollen. Anlass für das vermehrte öffentliche Interesse dürfte die bisher ungewohnte Unterstützung der Feldbesetzer aus Bayern sein: Die CSU attackiert, sehr zum Missfallen ihrer Schwesterpartei CDU, neuerdings auf breiter Front die Agrogentechnik in Deutschland. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner hat deshalb vor zwei Wochen den Anbau von gentechnisch verändertem Mais der Sorte Mon 810 des US-Saatgutmultis Monsanto gestoppt. Zur Begründung gibt Aigner neue Forschungsergebnisse aus Luxemburg an. Danach gefährdet der Mais, in den mittels Gentechnik die Insektizidproduktion gleich eingebaut wurde, nicht nur den Schädling Maiszünsler, sondern auch andere Insekten, reichert sich im Boden an und schädigt deshalb möglicherweise auch noch Jahre später die Natur.
Seehofer machte Druck
Eine reine Sachentscheidung ohne jeden politischen Hintersinn, betont Aigner nimmermüde, als ob sie ahnt, dass so mancher ihr das nicht so recht glauben mag. Hatte Aigner doch noch vor wenigen Jahren der Gentechnik in Deutschland das Wort geredet. Und ihr bayrischer CSU-Chef Horst Seehofer sekundiert in einem großen Zeit-Interview: „Der Schutz von Mensch und Umwelt behält in Deutschland oberste Priorität.“ Kein Wort darüber, dass er selbst in seiner Zeit als Verbraucherminister den Anbau von Mon 810 genehmigt hatte. Auch kein Wort über die Gentechnik ablehnenden oberbayrischen Kleinbauern, eine wichtige Stammwählerschaft der CSU. 20 Prozent von ihnen hatten bei der Landtagswahl im September 2008 der CSU den Rücken gekehrt. Im Juni zur Europawahl braucht die CSU ihre Stimmen. Kämen die Bauern wieder zurück ins Boot, wäre das die halbe Miete. Laut einem Bericht in der Süddeutschen Zeitung habe Seehofer seine Bundesministerin Aigner deshalb massiv unter Druck gesetzt, den Maisanbau zu verbieten. Der Forderung aus der CSU-Führung, auch noch den Versuchsanbau der gentechnisch veränderten Kartoffel Amflora zu verbieten, hielt Aigner aber stand. Dies wäre allerdings auch zu durchsichtig gewesen.
Der Maismulti Monsanto hat prompt beim Verwaltungsgericht in Braunschweig Klage gegen Aigners Zulassungsmoratorium eingereicht. Dicht an seiner Seite weiß der Konzern Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU). „Wir können bei der grünen Gentechnik nicht nach dem Motto verfahren, Forschung ja, aber Anwendung nein“, sagte sie. Obwohl die Forschung von dem Verbot überhaupt nicht betroffen ist, befürchtet Schavan, dass dort nun weniger investiert wird. Markig untergehakt hat sich auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), der durch das Verbot gar den Koalitionsvertrag gefährdet sieht. Übrigens: Im niedersächsischen Einbeck hat die Kleinwanzlebener Saatzucht AG ihr Domizil. Nur der Name klingt niedlich. Das international operierende SDax-Unternehmen ist Deutschlands führender Saatguthersteller mit einem ausgewiesenem Faible für grüne Gentechnik.
Gentechnik macht nicht satt
Dabei verdiente die neu entflammte Debatte über die Gentechnik weit mehr als Lobbygruppenargumente. 30 Jahre ist es her, dass es amerikanischen Forschern erstmals gelang, in eine Pflanze ein fremdes Gen einzuschleusen. Seitdem häufen sich die Versprechen der Technik auf längere Haltbarkeit, Frost- oder Trockenheitsresistenz, verdoppelte Erträge, die Lösung der Welthungerprobleme. Noch ist allerdings von den Zusicherungen nicht viel gehalten worden. Bislang dient die grüne Gentechnik lediglich zur Stabilisierung der Marktmacht großer Saatgutkonzerne. Ihr Vehikel ist die eingebaute Widerstandsfähigkeit gegen allumfassende Pestizide und, wie im Fall des Maises Mon 810, der Einbau von Gift in die Pflanze selbst. Das nur einmal austreibende patentierte Saatgut zwingt den Bauern dann zur regelmäßigen Abnahme, verhindert die früher übliche eigene Saatgutvermehrung am Hof selbst und erzeugt so eine größtmögliche Abhängigkeit des Bauern vom Konzern. Andererseits könnten eingebaute Pestizidtoleranzen und Herbizidproduktionen dazu führen, dass weniger Spritzmittel eingesetzt werden. Das könnte dem Bauern Arbeitszeit und Treibstoff, mithin Geld, sparen helfen.
Wenn Forschungsministerin Schavan wie in der aktuellen Debatte die Ethik entdeckt und meint, dass „wir verpflichtet sind, den Hunger in der Welt mit Hilfe gentechnisch veränderter Pflanzen zu bekämpfen“, dann scheint das mindestens so durchsichtig wie das Moratoriumsmanöver ihrer Kollegin Aigner. Denn Gentechnik macht nicht satt. Das hat der Weltagrarrat IAASTD, ein UN-Gremium von rund 400 Agrarexperten, nach vier Jahren Forschungsarbeit eindeutig im vergangenen Jahr herausgestellt: „Das Problem ist der Zugang zu den Lebensmitteln. Und bei diesem Problem hat uns auch die so genannte grüne Revolution, die in den vergangenen Jahrzehnten geholfen hat, die geernteten Mengen deutlich zu erhöhen, nicht geholfen“, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Gremiums, der Schweizer Agrarwissenschaftler Hans Herren. Fundamentalopposition bleiben die Feldbesetzer in Braunschweig: „Wer untersucht, wie genau die Waffe trifft, welche Wirkung sie beim Opfer hinterlässt und wer alles noch getroffen wird, ist Mitentwickler der Waffe“, sagen sie und meinen die Risikoforschung in Sachen Gentechnik.
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