„Diese Ökonomik hat menschenfeindliche Züge“

Lehre und Forschung Wirtschaftswissenschaft ist nicht wertneutral, sagt der Ökonom Sebastian Thieme. Er übt heftige Kritik am Status quo der Disziplin – und fordert eine "Erwägungskultur"
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"Studenten lernen heute, wie sie etwas rechnen müssen, aber nicht mehr, zu erklären, was sie da eigentlich untersuchen"
"Studenten lernen heute, wie sie etwas rechnen müssen, aber nicht mehr, zu erklären, was sie da eigentlich untersuchen"

Imago/McPhoto

der Freitag: Herr Thieme, gibt es einen Zusammenhang zwischen neoliberaler Politik und orthodoxer Wirtschaftswissenschaft?

Sebastian Thieme: Wissenschaft findet nicht im luftleeren Raum statt. Die neoliberale Bologna-Reform hat Forschung und Lehre jenseits des Mainstreams enorm erschwert. Nachwuchswissenschaftler müssen heute in den einflussreichen Journals veröffentlichen, um im Wissenschaftsbetrieb zu bestehen. Diese Journals drucken meist nur Standardthemen. Die Professuren sind überwiegend mit Orthodoxen besetzt, von deren Gunst hängt dann der Nachwuchs ab. Da ist eine strukturelle Ausgrenzung der heterodoxen Ökonomen zwangsläufig.

Und jenseits der Universität? Welchen Einfluss hat die Standardökonomik auf die Politik?

Wissenschaft dient natürl