Um die Karten gleich auf den Tisch zu legen: Das Bild des Rezensenten von der DDR-Frau wurde in wahrscheinlich 1500 Wiederholungen echter, alter Polizeiruf-110-Streifen auf mindestens fünf Sendeplätzen dritter Programme geprägt, ja tief in ihn gebrannt. Was für Göttinnen! Naturbelassene Kameradinnen, zu allem bereit und vielem fähig, bei aller Leidenschaft das Familien- und Gemeinwohl nie aus dem Sinn verlierend, bei aller Doppelbelastung den Kampf um den alkoholisierten Mann nie vorfristig aufgebend, mit all ihrer Wärme und unnachahmlicher Geduld um die oft unfassbar proletengrob ihr Glück nicht oder zu spät begreifenden, am Rande der Asozialität wankenden Partner ringend, aber auch zu klaren Entscheidungen fähig, wenn es gar nicht mehr anders gehen wollte. Dagegen die Damen in Tatort: Lackierte Schlampen, denen es - wie ihren Hallodris und wahllos hintergangenen Gatten - nur um eins geht: Geld, Geld, Geld.
Der Rezensent war also nicht wenig erregt ob der Hoffnung, jenen Füllhörnern des Humanismus, wie wir sie verblüffend genau in Schillers Würde der Frauen erdichtet finden - "Aber mit zauberisch fesselndem Blicke / Winken die Frauen den Flüchtling zurücke,/ Warnend zurück in der Gegenwart Spur." -, in einer neuen, großen Ausstellung des Museums Junge Kunst in Frankfurt an der Oder zu begegnen. Das MJK sammelt sich seit mehr als einem Jahrzehnt durch die DDR-Kunst und verfügt heute über qualitativ, quantitativ und querschnittstechnisch ausreichende Bestände, um einmal im Jahr aus denselben eine Themen-Ausstellung zu kondensieren. Diesmal also die Frauen.
Der Rezensent ist, was seine angedeuteten Hoffnungen und scheinbar angestauten Bedürfnisse betrifft, mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Wie schon die armseligen Tölpel im Polizeiruf, vermochten wohl auch die Trinker an den Staffeleien den ihnen unverdient zugefallenen Reichtum nicht recht zu würdigen, und die malenden Frauen schon gleich gar nicht. Die "FrauenBilder" entpuppten sich bei einem ersten Rundgang als eine Subform des Stilllebens. Mit Frauen statt Blumen. Und diese Stillleben gibt es in allen seit 1945 geläufigen und variierten Stilen. Dies ist von so frappanter Wirkung, dass es dem Rezensenten am Anfang überhaupt nicht gelingen wollte Frauen-Bilder zu sehen, sondern nur Stilübungen, oder Bilder von Frauen-Bildern, nachgeschöpfte tradierte Frauenformen, in denen unsere wundervollen Frauen vollständig zu verschwinden drohen. Und diese Frauen-Dematerialisierung bei gleichzeitigem Fehlen einer Herz- oder Seelenfüllung, diese blutleere Secondhand-Ikonografie ereignete sich im pastos zum Monochromen krebsenden Verwischbild von Otto Möhwald bis zum primitivrealistischen, glacierten Kaufhauskitsch von Heinz Zander.
Man sieht schon: eine höchst interessante Exhibition. Nicht, dass nur der darbende Freund des Tafelbildes einmal auf seine Kosten kommt. Die paar Kleinplastiken, die noch dazu gestellt sind, möchte der Rezensent vernachlässigen, zumal 2003 just die Plastik in der DDR-Jahresausstellung sich erheben soll. Sondern weil sich sofort die Frage aufstülpt: Gibt es ein ähnlich törichtes Genre namens Männer-Bilder? Und wenn ja, warum nicht?
Der Rezensent möchte indes noch auf ein paar Highlights, beziehungsweise Highbridges der Ausstellung zu sprechen kommen. Carl Marx wäre für den gesamtdeutschen Kunstfreund zu entdecken, ein anscheinend vom Glück verlassener Eigenbrötler, 1991 verstorben, der in seinem nervösen Expressionismus ein bisschen aus der Zeit erzählt, da die Görls noch in Parks den Boys auflauerten. Lutz Friedels großformatige Karambolage auf der Rolltreppe, offensichtlich an Dix und Konsorten geschult, ist eine lustige weltliche Idee und macht dynamisch wirklich was her. Die Meister Heisig und Sitte haben sich mit ordentlichen Porträts aus der Affäre gezogen. Charmant der Versuch von Willy Wolf, eine zarte Form von Pop-Art ohne Pop zu kreieren und in Ermangelung von blonden Dosensuppen auf fromme Frauen aus Dresdner Kirchenschmuck zurückzugreifen.
Schön sind in der Ausstellungshalle im Rathaus ein paar vielleicht gar unabsichtliche Gegenüberstellungen gelungen. Beispielsweise die naiven, bunten Akte von Curt Querner, der in Börnchen sein Leben lang weilte und dessen Körper gerade so aussehen: börnchenhaft! Gegenüber aber grämlich, fast schon fundamentalistische Silhouetten von Lucie Prussog. Es ist, als meinten es die Frauen nicht besonders gut mit ihrem Geschlecht. Ellen Fuhr gouachiert ein paar Damen von solch abgrundtiefer Durchgenudeltheit aufs Papier, dass einem die Tränen kommen könnten. Und neben die an den nächtlichen Streichelzoo der Privatsender erinnernden gesichtlosen Akte von Hans-Hendrik Grimmling hat die Schamanin Monika Maria Nowak einen freudlosen Frauengebetsteppich gehängt, der keinerlei Flugeigenschaften verrät.
Rechteigentlich, um auf die Träume des Rezensenten zurückzukommen, wird nur ein kleines Relief von Leni Menge, eins von der Art, die man gerne über die Türen öffentlicher Gebäude stukkatierte, den umfassenden Qualitäten der Frauen aus der DDR gerecht. Da ist Die Frau in unserer Zeit, so heißt das Werkelchen, dem Schwein schnetzelnd hingeneigt, wie dem Schaf scherend. Da fliegt sie in den Weltenraum, treibt Sport und erzieht die Kinder, die sie unterwegs noch geboren haben muss, und damit man sie erkennt, als Frau, sind ihr kleine Keramikbrüstchen aufgeklebt. Das muss selbst den Klassenfeind rühren.
Der Rezensent konnte sein Bild von der Frau aus der DDR dank glücklicher Fügung im vergangenen Dezennium ausgiebig verifizieren. Und es hatte schon alles seine Richtigkeit. Anfänglich entfuhr ihm immer wieder ein Erstaunen: Diese Königin und solch durchgesessene Partner! Aber dann dämmerte ihm, dass wir auch hier nichts anderes erleben als ein Rumoren der Gene um beste Reproduktionsbedingungen. Und um in einer Mangelgesellschaft zu reüssieren, kam es eben darauf an, dass die Erwählten aus drei Brettern eine Datscha zaubern konnten. Während die satten Damen des Westens lieber pflegeleichte Dampfplauderer oder Windbeutel mit sich führten. Beide Modelle können unterdessen als gescheitert gelten. Hubertus Griebe wagt es mit Requiem II. Die Masse wenigstens einmal an die schicksalhafte Kettung der Frau ins Reproduktionsrad zu rühren. Er zeigt einen Frauenkörper, halb schon verschlungen von dem, was er gebiert. Und Werner Tübkes Frauenkopf schaut störrisch, fast ein bisschen höhnisch, jedenfalls als gehöre er nicht dazu aus prächtigem Rahmen. Aber er ist ja auch nur eine Stilmetamorphose.
Museum Junge Kunst, Frankfurt/Oder, noch bis 10. 11. 2002. Leider kein Katalog
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.