Heimtückische Massenmörder

Streumunition Ab sofort kann am New Yorker UN-Hauptquartier die Konvention zum weltweiten Verbot von Streumunition unterzeichnet werden. Es geht um mehr als einen Abrüstungsvertrag

An diesem 18. März beginnen die Vereinten Nationen eine Kampagne, um eine der heimtückischsten Waffen weltweit zu ächten, die immer wieder Zivilisten – oft lange nach dem Ende von Kampfhandlungen – töten oder verstümmeln. Alle UN-Mitglieder sind aufgefordert, einem Vertrag beizutreten, der dazu verpflichtet, Streumunition nie weder einzusetzen – diese Waffenart weder zu produzieren, anzuschaffen, weiterzugeben oder zu lagern. Sämtliche vorhandene Streumunition muss innerhalb von acht Jahren zerstört werden und zwar so, dass keine gesundheitlichen Schäden auftreten.

Bis zu 200 „Bomblets“

Streumunition besteht aus einer Vielzahl kleiner Sprengkörper. Sie wird von Flugzeugen abgeworfen, kann aber auch mit Raketen oder Geschützen verschossen werden. Die mit Submunition gefüllten Mantelprojektile öffnen sich noch in der Luft und verbreiten bis zu 200 "Bomblets", die beim Aufprall auf gegnerische Panzer, Fahrzeuge oder auf den Erdboden explodieren. Streumunition kann über Flächen von der Größe mehrerer Fußballfelder verteilt werden beziehungsweise ganze Landstriche verseuchen,. wenn sie nicht detoniert. Allein nach dem von Israel im Frühsommer 2006 geführten Libanonkrieg starben über 200 Menschen durch Blindgänger.

Vermutlich werden Waffenproduzenten versuchen, Schwachstellen des Verbots auszunutzen. Ohnehin sind bestimmte Arten von High-Tech-Munition weiter erlaubt, etwa Punktzielmunition und mit elektronischen Selbstzerstörungsmechanismen ausgerüstete Streuminen. Auch deutsche Unternehmen wie Diehl oder Rheinmetall machen mit dem Export derartiger Erzeugnisse ihren Profit. So ging der Nürnberger Waffenproduzent Werner Diehl gerichtlich gegen den Regensburger Journalisten Stefan Aigner vor, weil dieser in seinem Online-Magazin die von der Firma Diehl hergestellte Munition Smart 155 als Streumunition bezeichnete, denn dann wäre sie verboten.

Das Rüstungsunternehmen berief sich in seiner Klage auf die im Oslo-Abkommen genannten Ausnahmen. Das Landgericht München entschied in Form eines Vergleichs: Der Journalist darf die Behauptung, es handle sich um Streumunition, nicht mehr wiederholen, dafür zog Diehl seine Klage zurück. Nach eigenen Worten hat Aigner den Vergleich akzeptiert, um das angedrohte Bußgeld von bis zu 250.000 Euro zu vermeiden und die wirtschaftliche Existenz seines Magazins nicht zu gefährden. Immerhin sei der Ausgang des Verfahrens, das ein großes Medienecho hervorgerufen hat, ein Erfolg für eine engagierte und wehrhafte Zivilgesellschaft.

95 Staaten billigten die Konvention gegen Streumunition am 3. Dezember 2008 in Oslo, vier haben sie bisher ratifiziert. Zum Inkrafttreten fehlen aber noch 26 weitere. Um diesen Prozess zu beschleunigen, hat das UN-Sekretariat an die Ständigen Vertretungen aller 192 Mitgliedstaaten in Manhattan Einladungen verschickt. Im Konferenzraum 3 werden sie heute von UN-Mitarbeitern und CMC-Aktivisten über Inhalt und Umsetzung des Vertrages informiert, außerdem können sie die Konvention unterschreiben oder auch die Ratifikationsurkunde hinterlegen. Mancher, der bisher noch zögerte, mag durch die jüngste Entwicklung im Gastgeberland USA ermutigt werden, das bisher – wie auch Russland, China, Israel, Indien und Pakistan – dem Abkommen nicht beigetreten ist.

Wende in der US-Politik

Präsident Obama unterzeichnete vor wenigen Tagen ein Gesetz, das im Anhang den Export von Streubomben weitgehend verbietet. Nach der neuen Regelung ist die Ausfuhr nur noch bei einer Fehlerrate von weniger als einem Prozent gestattet. Diese Quote erfüllt kaum eine in den USA hergestellte Streubombe.

Verboten wird der Export auch, wenn ein begründeter Verdacht besteht, dass sie bei einem Einsatz Zivilisten treffen könnten. Das bedeutet nahezu ein völliges Ausfuhrverbot, denn wenn Streumunition verschossen wird, ist es praktisch unmöglich, am Einsatzort zwischen Soldaten und Zivilisten zu unterscheiden. Menschenrechtsgruppen wie Human Rights Watch (HRW) und die Anti-Landminen-Kampagne (ICBL) begrüßten Obamas Entscheidung, fordern aber weiter ein generelles Verbot.

Im zurückliegenden Jahrzehnt haben die USA mindestens 28 Länder mit Hunderttausenden von Streubomben beliefert. Der jetzt verabschiedete Gesetzesanhang enthält jedoch keine Einschränkung des Streubombeneinsatzes durch die USA selbst. Obama hatte im Wahlkampf erklärt, er werde diese Frage im Falle seines Wahlsieges "sorgfältig prüfen". Die demokratischen Senatoren Dianne Feinstein und Patrick Leahy wollen nun erreichen, dass den US-Streitkräften der Einsatz dieser umstrittenen Waffen dauerhaft untersagt wird.

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